Rezension über:

Martina De Moor / Leigh Shaw-Taylor / Paul Warde (eds.): The Management of Common Land in North West Europe, c. 1500-1850 (= Comparative Rural History of the North Sea Area Series; 8), Turnhout: Brepols 2002, 264 S., ISBN 978-2-503-51273-0, EUR 60,00
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Rezension von:
Dana Cerman-Štefanová
Institut für Geschichte, Universität Wien
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Dana Cerman-Štefanová: Rezension von: Martina De Moor / Leigh Shaw-Taylor / Paul Warde (eds.): The Management of Common Land in North West Europe, c. 1500-1850, Turnhout: Brepols 2002, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 11 [15.11.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/11/7294.html


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Martina De Moor / Leigh Shaw-Taylor / Paul Warde (eds.): The Management of Common Land in North West Europe, c. 1500-1850

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Der Sammelband präsentiert Ergebnisse einer internationalen Forschungsgruppe, die sich 1999 etablierte. Diese vereint Historikerinnen und Historiker, die sich bereits seit einigen Jahren mit dem Thema des Gemeindebodens, dessen Existenz, Nutzung, Verwaltung und Auflösung beschäftigen.

Der Band umfasst zehn Beiträge, wobei es sich in acht Fällen um Regionalstudien handelt: Nord und Südengland (Angus J.L. Winchester, Leigh Shaw-Tylor), Niederlande (Peter Hoppenbrouwers), Flandern (Martina De Moor), Frankreich (Nadine Vivier), die nordeuropäischen Länder mit einem Schwerpunkt auf Schweden (Kerstin Sundberg) sowie Südwest- und Norddeutschland (Paul Warde, Stefan Brakensiek). Sie decken zeitlich die Periode von 1500 bis 1800 ab.

Es ist der Zeitrahmen, der auch die Fragestellungen charakterisiert, die sich auf die Existenz und Verwaltung von "common land" und die Nutzung des "common rights" bis zur "enclosure" beziehen, das heißt bis zur Beendigung eines offenen, ungehinderten Zuganges zum Gemeindeland. Im mitteleuropäischen Kontext wird vom Prozess der Auflösung des Gemeindebodens gesprochen.

Im ersten, vom Herausgebergremium verfassten Beitrag werden die Ziele des Buches formuliert. Vor allem wird auf die Verbreitung des Gemeindebodens als einem wichtigen, funktionsreichen Bestandteil des nord- und westeuropäischen Agrarsystems hingewiesen und damit die Relevanz dieser Forschung für die Agrargeschichte betont (15). Im Zusammenhang mit den bestehenden Debatten zum Gemeindeboden und zu Gemeinderechten werden Fragestellungen formuliert (22 ff.): Wer besaß zum Beispiel das Gemeindeland wirklich? In welchen Regionen gehörte dessen Besitz den "commoners", also jenen Leuten, die das Nutzungsrecht hatten? Wie variierten die Nutzungs- und Besitzrechte regional (denn eine Person konnte das eine und eine andere das andere haben)? Wer waren die "commoners"? Wer verwaltete Gemeindeland? War es die übermäßige oder eine nicht ausreichende Nutzung der Gemeinde-Ressourcen, die für die Auflösung des Gemeindelandes verantwortlich war?

In diesem Zusammenhang kann bereits hervorgehoben werden, dass es den Autoren und Autorinnen gelungen ist, auf die breite Palette von Fragen in ihren Studien auch tatsächlich einzugehen. Dies ist insbesondere dem vergleichenden Ansatz zu verdanken, der entsprechend wichtige Ergebnisse ermöglicht.

Darüber hinaus werden an dieser Stelle auch methodologische Entscheidungen erläutert, wie etwa die Vereinheitlichung der widersprüchlichen Terminologie. Die Autoren und Autorinnen haben sich auf die Anwendung englischsprachiger Begriffe geeinigt. Dabei sind sie bewusst das Risiko eingegangen, dass sich dabei die existierenden Bedeutungsnuancen in den hier untersuchten Regionen verwischen könnten (18).

Die erste Regionalstudie über Nordengland hält besonders die genannte Struktur der Fragestellungen ein. Die Ergebnisse zeigen zum Beispiel - ähnlich wie in den übrigen Studien des Sammelbandes -, dass hier die Gemeindemitglieder qualitativ unterschiedliche Ackerböden besaßen, während der Gemeindebesitz in Nordengland vor allem aus wenig intensiv genutztem Weideland bestand. Die Aufmerksamkeit gilt vor allem den besitzrechtlichen Grundlagen (Grundherrschaft), der Zugangsberechtigung und den Nutzungsregelungen des Gemeindebodens in der Praxis, die in der Regel nicht für "tenants" außerhalb der Herrschaft zugänglich waren (36 ff.). Alle Arbeiten sind sich ebenfalls in ihren Schlussfolgerungen einig, dass die Nutzung des Gemeindebodens keine konfliktlose Sphäre in der Organisation der ländlichen Gesellschaft darstellte. Bei der Konfliktlösung wurde primär auf das mit niedrigen Kosten verbundene lokale Verwaltungssystem zurückgegriffen (zum Beispiel 53).

Leigh Shaw-Taylor stellt Regionen in den Mittelpunkt, die die Forschung zur Existenz des Gemeindebodens bislang wenig untersucht hat. Für diese Gegenden, die sich im Dreieck Yorkshire - Küste zu Norfolk - Dorset befanden, war ein geringer Besitz an Gemeindefeldern (common fields) signifikant (63). Gemeindeboden wird hier aus einer umwelt- und sozialgeschichtlichen Perspektive betrachtet. Aus mehreren Aspekten, die in diesem Aufsatz angesprochen werden, soll einer besonders hervorgehoben werden. Es wird eindeutig festgehalten, dass zwar Gemeindeboden als Gemeindebesitz galt, doch bedeutete dies noch nicht gleiche Nutzungsrechte für alle Dorfbewohner. Vielmehr wurden manche von der Nutzung ausgeschlossen (59).

Dies ist eine Schlussfolgerung, die auch Angus Winchester teilt. Eine Zusammenfassung der Debatten über die Entstehung der "by-laws" leitet zum eigentlichen Ziel dieses Beitrags über, nämlich der Frage der Verwaltung des Gemeindebodens. In diesem Fall geht es konkret darum, wie mittels "by-laws" der Zugang zur Gemeindeweide reguliert und kontrolliert wurde (70). So wird hier die These aufgestellt, dass der ungleiche Zugang zum Gemeindeboden mit dem Bevölkerungswachstum und damit auch mit der wachsenden Anzahl von Anwesen im Zusammenhang stand. Demnach wäre möglich, dass im frühen 16. Jahrhundert mehr Haushalte einen Zugang zu Gemeinderessourcen hatten, als es im späten 18. Jahrhundert der Fall war (73).

Peter Hoppenbrouwes bietet ebenfalls eine allgemeine Übersicht über die Nutzung und Verwaltung des Gemeindebodens in den Niederlanden, wo noch im 19. Jahrhundert, ähnlich wie in Flandern (114), ein sehr hoher Anteil an Gemeindeland existierte (87). Der Gemeindeboden erfüllte zwei Funktion: er diente als Weideland und zur Düngung des Ackerlandes (90). Der Hauptakzent dieses Beitrages liegt jedoch auf der Herausarbeitung von regionalen Unterschieden in der Nutzung des Gemeindebodens sowie in den rechtlichen Differenzen und Managementmechanismen.

Insbesondere mit Blick auf die Verwaltung handelte es sich hier um ein gut entwickeltes System. Es wurden nicht nur Personen angestellt, die für die Verwaltung des Gemeindebodens zuständig waren, sondern es gab auch die Institution der Aufseher, die insbesondere die Anzahl der zugelassenen Tiere und die Zugangsberechtigung kontrollieren sollten (95 ff.). In diesem Zusammenhang wird auch auf die sozialen Unterschiede aufmerksam gemacht, die bei der Frage des Zugangs zum Gemeindeboden deutlich wurden (zum Beispiel 104).

In Martina De Moors Studie werden die Verhältnisse in Flandern untersucht. Die vier Gruppen des Gemeindebodens, die hier besprochen werden - Gemeindedreschboden, -weideland, -wald und -ackerland -, unterschieden sich unter anderem durch verschiedene besitzrechtliche Formen. So war zum Beispiel das Gemeindeackerland nicht im Besitz einer Gruppe, sondern nur von Individuen (120). Auch die Herrschaft versuchte verstärkt, ihre Rechte am Gemeindeboden zu deklarieren, was zu Konflikten mit den Gemeinden führte. Dies führte zu einer Verschriftlichung der Nutzungsrechte, was manchmal Verluste an Fläche für die Gemeinde mit sich brachte (123 f). Es konnten einzelne Fälle gefunden werden, in welchen Gemeinden den Gemeindeboden kauften. Indem dieser zu ihrem Besitz wurde, konnte er von der Herrschaft nicht mehr beansprucht werden (124).

Für die Nutzungsrechte entrichtete man jährliche Zahlungen. Manchmal hing die Höhe der Gebühr von der Anzahl des Weideviehs ab. Obwohl die Zahlungen mit der Notwendigkeit der Erhaltung von Gemeindeland begründet wurden, stellten sie doch auch eine Einnahmequelle für die Gemeinde dar. Es konnte sogar ein Fall gefunden werden, wo ein Dorfbewohner eine einmalige Gebühr bezahlte, die ihn zur Gemeindenutzung berechtigte, er dann aber dieses Recht nicht in Anspruch nahm (131).

Den Allmenderechten in Deutschland sind zwei Studien gewidmet. In der ersten untersucht Paul Warde die Verhältnisse in Südwestdeutschland (195). Die zweite Studie von Stefan Brakensiek beschäftigt sich mit der Verwaltung der Allmende in Nordwestdeutschland (225). Aus den beiden Aufsätzen gehen die Unterschiede in der Landwirtschaft und Besiedlungsstruktur sehr deutlich hervor. Warde spricht zwei Organisationsformen an, wie Gemeindeland genutzt und verwaltet werden konnte - Genossenschaft oder Gemeinde. Ihr Vorkommen hing nach Warde von der Intensität der Bewirtschaftung des Ackerlandes ab. So wäre die Genossenschaft eher in Regionen mit wenig intensiver Ackerwirtschaft aufgetreten ("less intensively-exploited") (201). Der genaue Unterschied in der Verwaltung der Allmende durch Genossenschaft oder Gemeinde wurde allerdings bis jetzt nicht zufriedenstellend beantwortet.

Die Erbschaftspraxis war ein weiterer Faktor, der, ähnlich wie die Typen der Landwirtschaft und die Siedlungsstruktur, den Zugang zur Allmende beeinflusste (202 f, 226). In Nordwestdeutschland hing der Zugang zur Allmende von der formellen Mitgliedschaft zu einer Gemeinschaft / Gemeinde ab, mitunter war er an den Besitz eines Anwesens (Stätte) gebunden. Brakensiek fasst für seine Untersuchungsregion zusammen, dass sich die Allmenderechte umso substanzieller darstellten, je älter die Bauernwirtschaft beziehungsweise je größer der Landbesitz war (237).

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass der Band durch die vergleichenden Studien mit mikrohistorischer Vertiefung eine Fülle neuer und anregender Ergebnisse bietet. Der vergleichende Ansatz wird im letzten Beitrag konsequent abgerundet, weil die Ergebnisse im Hinblick auf die gestellten Fragestellungen zusammengefasst und systematisiert werden. Der Sammelband zeichnet sich durch eine klare inhaltliche Struktur aus und richtet sich nicht nur an Experten und Expertinnen in diesem Forschungsfeld. Dieses Ziel konnte vor allem durch die präzisen Erklärungen auch zu länderspezifischen Begrifflichkeiten in den einzelnen Studien erreicht werden. Man kann sich nur wünschen, dass die Allmendenutzung und -rechte in Ostmitteleuropa in künftigen Arbeiten ebenfalls aufgegriffen werden.

Dana Cerman-Štefanová