Rezension über:

Christoph Schäfer: Kleopatra (= Gestalten der Antike), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, 324 S., 29 Abb., ISBN 978-3-534-15418-0, EUR 34,90
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Rezension von:
Krešimir Matijević
Seminar für Alte Geschichte, Universität Osnabrück
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Krešimir Matijević: Rezension von: Christoph Schäfer: Kleopatra, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 4 [15.04.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/04/12498.html


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Christoph Schäfer: Kleopatra

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Das Schreiben von Biographien historischer Persönlichkeiten wird zunehmend populärer. Auch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft zollt diesem Trend ihren Tribut. Ihr Programm umfasst mehrere entsprechende Reihen, unter anderem die Reihe "Gestalten der Antike", welche von Manfred Clauss herausgegeben wird. Die berechtigte Frage an diesen Trend ist: Was soll uns eine weitere Cicero- oder, in unserem Falle, Kleopatra-Biographie bringen? Nutzbringend kann eine derartige Monographie nur sein, wenn sie nicht schon lange ausgetretenen Pfaden folgt, sondern neue Forschungsergebnisse aufarbeitet, was Christoph Schäfer folgerichtig schon in seinem Vorwort als angestrebtes Ziel formuliert (10).

In acht Haupt- und zahlreichen Unterkapiteln widmet er sich Aufstieg und Niedergang der Ptolemäerin, wobei der letzte Abschnitt des Buches der umfangreichen Rezeptionsgeschichte gewidmet ist. Angehängt sind ein umfassender Anmerkungsapparat, Literaturverzeichnis, Personen- und Ortsregister sowie die Abbildungsnachweise.

Hervorstechendes Merkmal der Biographie ist in der Tat ihre Berücksichtigung der Forschungsdiskussionen, wobei Schäfer niemals trocken die verschiedenen Positionen wiedergibt, um sich letztlich für eine zu entscheiden. Stattdessen schildert er äußerst lebendig das im Einzelnen vielfach kontrovers diskutierte Leben und Wirken der letzten Ptolemäerin, was sicherlich zu einer positiven Aufnahme der Biographie auch im Kreise der Laien führen wird.

So entlarvt Schäfer unter Rückbezug auf aktuelle Forschungen beispielsweise Kleopatras Auftritt vor Caesar im Teppich als Mär (58f.); ebenso den Brand der berühmten Bibliothek von Alexandria während des Bellum Alexandrinum (66-69). Gleiches gilt für die romantische Nilkreuzfahrt, welche Kleopatra und Caesar unternommen haben sollen (82-84), und die 'Landschenkungen' des Antonius im Osten (151-161, 179-181) wie auch die Perlen trinkende (186) und an Menschen tödliche Versuche durchführende Kleopatra (234). Allerdings berücksichtigt Schäfer nicht nur die neuesten Publikationen und Quellenfunde, sondern dringt in einigen Fällen auch zu völlig neuen Erkenntnissen vor. Am anschaulichsten zeigt sich dies bezüglich seiner Behandlung des Selbstmordes der Kleopatra (244-248). Hier beherrscht nach wie vor die Kobra am Busen der Königin das Bild in unseren Köpfen (und interessanterweise auch den Klappentext des Buches!). Schäfer kann plausibel nachweisen, dass Kleopatra diesen Mythos bewusst konstruiert hat, um von der Nachwelt als Nea Isis verehrt zu werden. Getötet hat sie sich sicherlich nicht mit Hilfe einer Schlange, sondern wohl eher mit einer Injektion in den Arm.

Im Rahmen der Diskussion der Bildnisse der Ptolemäerin (254-266) geht Schäfer auch auf die jüngst von Bernard Andreae neu angefachte Kontroverse um die Identifizierung der Venus vom Esquilin als Darstellung der Kleopatra ein. Hierbei nimmt Schäfer zwar keine eindeutige Position ein, kategorisch ausschließen will er die Venus als Abbild der Kleopatra allerdings nicht.

Was Kleopatras Politik anbelangt, so stellt Schäfer über das ganze Buch hinweg (bes. 134-137, 217f., 252) immer wieder - und sicherlich zu Recht - fest, dass diese von den sachlichen Interessen der Königin bestimmt wurde, nicht von ihrer Sexualität. Gleiches gilt für ihren langjährigen Partner Marcus Antonius. Während Historiker wie Peter Brunt Antonius die Schuld am Untergang der römischen Republik attestieren [1] und andere wie Dietmar Kienast in Octavian/Augustus den selbstlosesten Machthaber der gesamten (!) Geschichte sehen [2], wird Antonius bei Schäfer als entscheidungskräftiger und fähiger Politiker charakterisiert, welcher sich letztlich der Skrupellosigkeit des Octavian nicht gewachsen zeigte (141, 183, 191, 195, 198, 211f.); eine Sicht, welche schon von Ronald Syme in seiner "Roman Revolution" glaubwürdig vertreten wurde. [3]

Diskussionswürdig ist die kurze Skizze der Politik des Antonius unmittelbar nach Caesars Ermordung (112-115). [4] Anders als Schäfer es schildert, vermied Antonius in dieser Zeit noch den Eindruck, dass er "in Caesars Fußstapfen zu treten" (112) gedachte. Was die berüchtigte Leichenrede des Antonius für Caesar angeht, so ist herauszustellen, dass zumindest einige der Caesarmörder schon vor der Zeremonie ihre Häuser befestigt und Rom verlassen hatten. Insofern war die Reaktion der plebs absehbar - ganz abgesehen vom umstrittenen Charakter der Rede des Antonius! Im Übrigen wissen wir durch eine Notiz bei Nikolaos von Damaskus (17,48), dass die Mutter Octavians, Atia, mit der Inszenierung des Schauspiels (testamentarisch) beauftragt worden war; Antonius hielt nur die Rede. Ferner handelt es sich bei der angeblichen "Freistellung von Abgaben für Kreta" (113) durch Antonius aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Erfindung Ciceros. [5]

Auch wenn man im Einzelnen nicht alle Ansichten von Schäfer teilen wird, so ist ihm mit seiner Biographie der letzten Ptolemäerin auf dem Thron von Ägypten doch ohne Zweifel eine hervorragende und flüssig zu lesende Studie gelungen, welche alle zukünftigen Forschungen zu Kleopatra nachhaltig beeinflussen wird.


Anmerkungen:

[1] P. Brunt: The Fall of the Roman Republic and Related Essays (Oxford 1988), 86.

[2] D. Kienast: Augustus. Prinzeps und Monarch, 3., erw. Aufl. (Darmstadt 1999), 517.

[3] R. Syme: The Roman revolution, 2., verb. Aufl. (Oxford 1952).

[4] Siehe zum Folgenden K. Matijević: Marcus Antonius: Consul - Proconsul - Staatsfeind. Die Politik der Jahre 44 und 43 v.Chr. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 11 (Rahden/Westf. 2006).

[5] J. T. Ramsey: The senate, Mark Antony, and Caesar's legislative legacy, CQ 44 (1994), 137.

Krešimir Matijević