Rezension über:

Björn Asker: I konungens stad och ställe. Länsstyrelser i arbete 1635-1735 (= Arkivvetenskapliga studier; Vol. 7), Uppsala: Stiftelsen för utgivande av Arkivvetenskapliga studier 2004, 468 S., ISBN 978-91-88366-17-7
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Otfried Czaika
Königliche Bibliothek Stockholm
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Otfried Czaika: Rezension von: Björn Asker: I konungens stad och ställe. Länsstyrelser i arbete 1635-1735, Uppsala: Stiftelsen för utgivande av Arkivvetenskapliga studier 2004, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 4 [15.04.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/04/12999.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Björn Asker: I konungens stad och ställe

Textgröße: A A A

Björn Asker, tätig am Landesarchiv von Uppsala und an der dortigen Universität, beschreibt in seiner Studie die Struktur und Arbeitsweise der schwedischen Provinzverwaltungen in den Jahren 1635-1735. Das schwedische Reich, das sich in den 1520er Jahren unter Gustav Vasa von der Kalmarer Union gelöst hatte, war zunächst außen- wie innenpolitisch schwach. Doch bereits während Gustav Vasas Regierungszeit hatte eine umfassende gesellschaftliche und politische Modernisierung begonnen, die sich über seine Söhne Erik XIV., Johan III. und Karl IX. sowie seine Enkel Sigismund III. und Gustav II. Adolf bis zur Tätigkeit des Reichsverwesers Axel Oxenstiernas und somit in das Zeitalter des Absolutismus fortsetzte. Der Umbau der schwedischen Staatsverwaltung, der zentrale Bereiche wie Militär, Finanzen, Handel sowie die Lokal- und Provinzialadministration betraf, ging bereits im 16. Jahrhundert oft rascher und effektiver vonstatten als in Mitteleuropa und bereitete die Grundlage für die mit Gustav II. Adolf begonnene Großmachtzeit Schwedens. Axel Oxenstierna reformierte durch die Regierungsreform 1634 und die Instruktion für die Landeshauptleute aus dem darauf folgenden Jahr die schwedische Staatsverwaltung. Im Zuge dessen wurde das schwedische Reich in Provinzen unter der Leitung von Landeshauptmännern eingeteilt. Diese fungierten als Statthalter des Königs - daher übrigens auch der Titel der Studie: Anstelle des Königs - "I konungens stad och ställe".

Asker zeichnet in seiner Studie nach, wie diese Verwaltungsreform in die Praxis umgesetzt wurde und welchen Modifikationen die Instruktionen der Landeshauptleute bei den späteren Reformen 1687 und 1734 unterworfen waren. In sieben Kapiteln befasst sich der Verfasser u.a. mit der Rolle der Landeshauptleute als politische Beamte, ihrem sozialen Hintergrund, der Organisation und Arbeit der Provinzialverwaltungen sowie deren Interaktion mit anderen Verwaltungsebenen. Asker beschreibt ausführlich, wie der Umbau der schwedischen frühneuzeitlichen Verwaltung im 17. und 18. Jahrhundert in der Theorie (den Instruktionen an die Landeshauptmänner) und der Praxis vonstatten ging.

Im Untersuchungszeitraum erhielten die Landeshauptleute mit der ihnen unterstehenden Verwaltung eine vitale Bedeutung für die Administration des schwedischen Reiches; sie bildeten das Bindeglied zwischen der Zentralverwaltung in Stockholm (insbesondere dem Kammerkollegium) und den Vögten auf der Lokalebene. Asker weist insgesamt eine zunehmende Professionalisierung der schwedischen Provinzialverwaltung nach. Diese belegt er beispielsweise daran, dass den Provinzverwaltungen sukzessive neue Aufgabenbereiche zufielen, ihre Arbeitsbelastung stieg, die ihnen unterstellte Administration wuchs, ein komplexes Regelwerk geschaffen wurde und der gesamte Verwaltungsprozess zunehmend einem Prozess der Verschriftlichung unterworfen wurde. Die Ausweitung der Befugnisse bezeugen u.a. auch die Reformen der Provinzialverwaltungen 1687 und 1734: Während die Instruktion von 1635 die Wirtschaft- und Finanzverwaltung nur knapp tangiert, sind diese ein zentrales Thema der späteren Instruktionen (128). Wie sehr die schwedische Finanzverwaltung durch die verschiedenen Reformen im 17. Jahrhundert effektiviert wurde, belegt zudem die Schaffung neuer administrativer Funktionen, wie z.B. die des Landfiskalen gegen Ende des 17. Jahrhunderts (360).

Interessant sind auch die Ausführungen zur Rekrutierung und Herkunft der Landeshauptleute: Zu Beginn des Untersuchungszeitraums dominierte der Adel bei der Besetzung des Amtes eines Landeshauptmannes; der Kreis der Landeshauptleute bildete seinerseits auch die Rekrutierungsbasis für die Mitglieder des Reichsrates. Bis ca. 1700 sank der Anteil adliger Landeshauptleute markant, stieg danach jedoch wieder, was sich allerdings in erster Linie durch neue Nobilitierungen erklären lässt und nicht dadurch, dass die alten Eliten ihren ehemaligen Einfluss wiedererlangten. Auch als Rekrutierungsbasis für den Reichsrat verlor die Gruppe der Landeshauptleute im Untersuchungszeitraum an Bedeutung.

Ein besonderes Verdienst der Arbeit ist, dass Asker seine Thesen und Ergebnisse durchgängig in den erweiterten Rahmen der Frühneuzeitforschung stellt; dies geschieht sowohl durch den ereignisgeschichtlichen Vergleich mit anderen europäischen Territorien (27-36) als auch theoretisch durch die maßgebliche Anknüpfung an Max Webers Untersuchungen zur frühneuzeitlichen Verwaltung in seinem Werk "Wirtschaft und Gesellschaft". Damit bietet Asker einen wertvollen Konnex zur internationalen Forschung. Ein Blick in den Fußnotenapparat und das Literaturverzeichnis belegt denn auch, dass Asker mit etwas aufwarten kann, was in der schwedischen humanistischen Forschung heute beileibe nicht mehr gang und gäbe ist, nämlich einer Rezeption historischer Literatur, die in den großen Wissenschaftssprachen publiziert wurde. Neben Arbeiten in den germanischen Sprachen Skandinaviens kann sich Asker zudem auf Studien in englischer und deutscher Sprache stützen und seine Ausführungen somit methodisch absichern und kontextualisieren.

Die Ergebnisse der Studie mögen zwar nicht bahnbrechend neu sein, da sie im Großen und Ganzen das bestätigen, was auch schon andernorts formuliert worden ist, nämlich dass sich der Umbau der Staatsverwaltung im frühneuzeitlichen Schweden schneller und effektiver vollzog als andernorts in Europa. Asker kann dies jedoch dank eines umfassenden und bisher nur höchstens ansatzweise bearbeiteten Quellenmaterials mit einer Fülle neuer Fakten und verschiedener Entwicklungsstränge dokumentieren. Seine Arbeit ist somit ein durchweg gelungenes Werk. Methodische Anknüpfung, Quellenbasis und Untersuchung lassen kaum zu wünschen übrig. Trotz des höchst lobenswerten Bemühens, sich der europäischen Frühneuzeitforschung zu stellen, hätte das analytische Spektrum dieser Studie jedoch noch durch die Aufnahme des Konfessionalisierungsparadigmas erweitert werden können. Denn Askers Material belegt u.a. auch eindrücklich, dass der frühneuzeitliche schwedische Staat gerade auf Kosten der Kirche expandierte und während des 17. Jahrhunderts z.B. die kirchliche Rechtsprechung der weltlichen einverleibte oder immer mehr Pastorate direkt dem König unterstellt wurden (44-46). Hier hätten sich Deutungsoptionen erschlossen, die nicht nur den zentralen Untersuchungsgegenstand, sondern durch eine vergleichende Gegenüberstellung der schwedischen Verhältnisse mit mittel- und nordeuropäischen Entwicklungen auch den übergreifenden Diskurs über die Konfessionalisierung bereichert hätten.

Die vorliegende Arbeit ist entsprechend dem Serientitel durch die Profession des Verfassers und die von ihm benutzten Quellen, jedoch auch durch den Untersuchungsgegenstand eine "archivwissenschaftliche Studie": Durch Oxenstiernas Verwaltungsreformen wurde auch das schwedische Archivwesen begründet, indem den Provinzialverwaltungen auferlegt wurde, ihre verschiedenen Aufgaben zu dokumentieren und die Verwaltungsakten zu archivieren. Auch wenn diesen Bestimmungen manchmal nur ansatzweise gefolgt werden konnte, so wurde hiermit der Grundstein dafür gelegt, dass die Verwaltung des frühneuzeitlichen Schwedens im europäischen Vergleich exzeptionell gut dokumentiert ist.

Askers Arbeit ist über den selbst gestellten Anspruch des Verfassers hinaus ein im besten Sinne gelehrtes Werk zur schwedischen Geschichte der frühen Neuzeit, das lediglich durch die Rezeption des Konfessionalisierungsparadigmas ein Mehr an Substanz gewonnen hätte.

Otfried Czaika