Rezension über:

Verena Villiger / Jean Steinauer / Daniel Bitterli: Im Galopp durchs Kaiserreich. Das bewegte Leben des Franz Peter König 1594 - 1647, Baden: hier + jetzt. Verlag für Kultur und Geschichte 2006, 295 S., ISBN 978-3-03919-030-0, EUR 32,80
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Rezension von:
Maria-Elisabeth Brunert
Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V., Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Maria-Elisabeth Brunert: Rezension von: Verena Villiger / Jean Steinauer / Daniel Bitterli: Im Galopp durchs Kaiserreich. Das bewegte Leben des Franz Peter König 1594 - 1647, Baden: hier + jetzt. Verlag für Kultur und Geschichte 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/12929.html


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Verena Villiger / Jean Steinauer / Daniel Bitterli: Im Galopp durchs Kaiserreich

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Franz Peter König genannt von Mohr, ein 1594 geborener, eidgenössischer Söldner in venezianischen und spanischen, hauptsächlich aber in kaiserlichen Diensten, war ein widersprüchlicher Mensch. Wahrscheinlich verließ er seine Heimatstadt Fribourg/Freiburg bereits mit fünfzehn Jahren, doch hat er sich bis zu seinem Tod 1647 auch während der bewegten Phasen seines Lebens, das ihn nach Italien, Böhmen, an den Rhein, zum Bodensee, nach Paris und Brüssel führte, nie völlig von ihr gelöst. Karrierebewusst, geschickt in der Vermehrung seines Vermögens, war er ein rücksichtsloser Kriegsunternehmer und stolz auf seinen sozialen Aufstieg zum kaiserlichen Obristen (1630), Gouverneur der Festung Lindau (Ende 1631) und zum Schultheiß seiner Geburtsstadt (1645). Er erregte den Unmut seiner Mitbürger, indem er in der Fastenzeit Fleisch aß (216), war aber ein überzeugter Katholik, dessen mildtätige Stiftungen von großherziger Frömmigkeit zeugen (256).

Tyrannisch amtierte er als Gouverneur Lindaus und wurde von sittenstrengen Zeitgenossen eines losen Lebenswandels geziehen, hatte aber doch im päpstlichen Nuntius Ranuccio Scotti einen Fürsprecher und Freund, der von seiner Unschuld überzeugt war, als er 1634 des Hochverrats und anderer Delikte bezichtigt wurde (171, 175). Nicht zuletzt Scottis Einfluss war es zuzuschreiben, dass das etwas undurchsichtige Verfahren gegen ihn 1636 mit einer kaiserlichen Erklärung seiner Unschuld endete (181, 197). Prahlerisch bei seinen Berichten in die Heimat, lebte er gern auf großem Fuß, auch um seinen Rang als Freiherr zu dokumentieren, in den ihn der Kaiser 1631 erhoben hatte.

Repräsentationslust und Kunstsinn dokumentiert das monumentale Gemälde, das König 1631 bei dem Maler Samuel Hofmann in Auftrag gab: Es zeigt ihn in schwarzer Rüstung und mit goldverzierter, roter Schärpe auf einem sich aufbäumenden Rappen mit prunkvollem Zaumzeug. Das großformatige Ölgemälde gilt als frühestes Reiterbildnis der Schweizer Malerei (8) und war Anlass für die Kunsthistorikerin Verena Villiger vom Museum für Kunst und Geschichte in Freiburg, Dokumente über den Dargestellten in den Archiven von Freiburg, Bern, Luzern, Lindau, Wien, Prag, Brno/Brünn, Venedig und Turin aufzuspüren. Die beinahe achthundert Quellen wurden unter Leitung des Historikers Daniel Bitterli transkribiert. Neben einer Ausstellung und einem Quellenband ist die Biografie Franz Peter Königs Frucht dieser umfassenden Recherchen.

Den ersten Teil der im Prinzip chronologisch aufgebauten, reich bebilderten Lebensbeschreibung hat Villiger selbst übernommen (12-105). Es ist insofern der schwierigste Teil, als über Kindheit, Jugend und Berufsanfänge des späteren Obristen nur wenig bekannt ist. Villiger behilft sich, indem sie auf die Schauplätze dieser Lebensgeschichte eingeht. Dabei listet sie nicht selten unerhebliche Details auf, die in keiner Beziehung mehr zu Franz Peter König stehen. So ist zwar dankenswert, dass ein Kupferstich mit einer Stadtansicht Freiburgs nicht nur abgebildet, sondern auch erläutert wird, aber es ist überflüssig zu berichten, dass zwei der drei Frauen des Kupferstechers zänkisch waren (26). Auch bei der Darstellung des historischen Hintergrunds unterlaufen Fehler wie etwa die monokausale Rückführung des Dreißigjährigen Kriegs auf Kaiser Ferdinand II.: Sein Lebensziel sei die Bekämpfung des Protestantismus gewesen; "dadurch" habe er einen Konflikt "entfacht", der sich über ganz Europa ausbreitete und drei Jahrzehnte dauerte: "den Dreißigjährigen Krieg" (44).

Begrüßenswert ist hingegen, dass Villiger einen Überblick über die erhaltene Korrespondenz des Söldners mit seiner Heimatstadt gibt. Der Spitzenwert ist 1633 mit fünfzehn Briefen erreicht (70). Diese oft detaillierten Berichte bildeten für die Freiburger Stadtväter eine wichtige Informationsquelle über die militärischen und politischen Entwicklungen und geben dem Historiker wertvolle Einblicke in die Lebensumstände Franz Peter Königs: in sein Geschäftsgebaren, seine Erlebnisse am Kaiserhof und in die Beziehungen zu seinem Förderer, dem General Graf Rambold Collalto. Königs Briefe an Collalto thematisieren eher die negativen Seiten des Söldnerlebens: mangelnde Verpflegung, Organisationsprobleme, "das blanke Chaos" im Heerlager (133).

Auch Daniel Bitterli bedient sich in dem von ihm verantworteten Abschnitt (106-183) der Briefe des Freiburgers an den Rat seiner Heimatstadt und andere Adressaten, um Königs Tätigkeiten und Befindlichkeit als Kriegsunternehmer und Kriegskommissar, als Rekonvaleszent nach einer Schussverletzung in Bad Pfäfers, als Stadtkommandant von Lindau und Eroberer von Kempten im Allgäu zu schildern. Das gelingt aufgrund der quellengestützten Darstellung mit großer Anschaulichkeit, sodass es unnötig und unpassend ist, wenn sich Bitterli der Stilmittel des Kolportageromans bedient [1] und immer wieder einmal ein "pikantes Detail" (183) in den Vordergrund rückt. Deplatziert wirkt auch der Titel "Im Galopp durchs Kaiserreich", denn das Streben nach populärer Darstellung sollte nicht zulasten der historischen Richtigkeit gehen. Die Autoren hätten also besser die unkorrekte Bezeichnung "Kaiserreich" gemieden.

Besser als Bitterli ist es Jean Steinauer beziehungsweise seinem Übersetzer Hubertus von Gemmingen gelungen, den letzten Lebensabschnitt des Obristen in einem adäquaten Stil zu beschreiben (184-256). Freiburg rückt als Lebensumfeld Königs nun wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung. Neben dem Erwerbszweig des Söldnerdienstes spielte der Handel mit Käse eine Rolle und daher auch die Salzeinfuhr großen Stils, an der auch König beteiligt war. Diese Wirtschaftsbeziehungen, Königs Aufstieg im städtischen Patriziat, der Tod seines jüngeren Bruders sowie Franz Peters eigener Tod und sein Nachlass stehen im Mittelpunkt dieses letzten Abschnitts.

Die drei Autoren betrachten das Leben Königs, ohne die Fülle der Aspekte durch eine leitende Fragestellung zu systematisieren. Der Leser erfährt nicht, inwieweit Königs Leben typisch oder exzeptionell war für einen Mann aus Freiburg oder aus der Schweiz, oder ob es exemplarisch auf das Söldnerwesen verweist. Zwar werden Königs Brüder, die ebenfalls dem Kaiser als Söldner dienten, in die Betrachtung einbezogen, doch fehlt eine vergleichende Auseinandersetzung mit ähnlichen Lebensläufen [2] ebenso wie eine methodische Reflexion der Frage, bis zu welchem Grad eine hauptsächlich auf Briefen und Sachzeugnissen basierende "Biografie" (11) das Wesen einer Person erfassen kann.

Der mit Anmerkungen sowie einem Orts- und Personenregister versehene Band hinterlässt deshalb einen zwiespältigen Eindruck, birgt aber zweifellos vielfache Möglichkeiten, "das bewegte Leben des Franz Peter König" in vergleichender Perspektive näher zu analysieren und für weitergehende Fragestellungen nutzbar zu machen.


Anmerkungen:

[1] Zum Beispiel: "[...] wie im Roman: eine Flucht, die vermutlich im Bett einer Obristenwitwe ausgeheckt wurde."(106)

[2] Angeboten hätte sich u .a.: Söldnerleben am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Lebenslauf und Kriegstagebuch 1617 des hessischen Obristen Caspar von Widmarckter, hrsg. und bearb. von Holger Th. Gräf. Mit Beiträgen von Sven Externbrink und Ralf Pröve (=Beiträge zur hessischen Geschichte 16), Marburg an der Lahn 2000.

Maria-Elisabeth Brunert