Rezension über:

Elena Fasano Guarini: Repubbliche e principi. Istituzioni e pratiche di potere nella Toscana granducale del '500 - '600, Bologna: il Mulino 2010, 292 S., ISBN 978-88-15-13886-6, EUR 26,00
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Rezension von:
Tobias Daniels
Bochum / Innsbruck / Pavia
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Daniels: Rezension von: Elena Fasano Guarini: Repubbliche e principi. Istituzioni e pratiche di potere nella Toscana granducale del '500 - '600, Bologna: il Mulino 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 11 [15.11.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/11/18847.html


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Elena Fasano Guarini: Repubbliche e principi

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Elena Fasano Guarini, Ordinaria an der Universität Pisa und Altmeisterin der Geschichte von Florenz im Übergang von der Republik zum Großherzogtum Toskana sowie dem Verhältnis zwischen Stadt und "Contado" im florentinischen Herrschaftsgebiet, legt mit diesem Band - gemäß der italienischen Wissenschaftstradition - eine wohl durchkomponierte thematische Auswahl einiger ihrer Aufsätze vor, die dem begriffs- und ideengeschichtlichen Ansatz der so genannten "Cambridge School" verpflichtet sind. Gegenstand des Sammelbandes ist das ideengeschichtliche Fortwirken des florentinischen Republikanismus im Florenz des 16. Jahrhunderts, wobei Machiavelli und (der in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft - auch aufgrund fehlender Übersetzungen - weniger erforschte) Guicciardini die heimlichen Hauptprotagonisten sind.

Von den insgesamt sechs Beiträgen fallen die ersten beiden, mit weiterem Fokus angelegten Aufsätze in eine Sektion "Persistenze e trasformazioni di un modello ideale", dann wird die Blende auf "Uomini, esperienze e scritture politiche" verengt.

Der erste Aufsatz (27-90) behandelt das Wechselspiel zwischen Niedergang und Fortleben der republikanischen Idee im Italien des 16. Jahrhunderts. Ausgehend von der Beobachtung, dass das wirkmächtige Konzept eines gleichzeitigen Niedergangs Italiens und des Republikanismus ein reduktives Paradigma sei, welches Schicksale einzelner Stadtstaaten wie Florenz verabsolutiere und auf dasjenige Italiens übertrage, plädiert die Autorin dafür, das Fortleben republikanischer Ideale im Florenz des Prinzipats neu zu bewerten und dabei auch und vor allem auf Zwischentöne in der politischen Sprache der Zeit zu hören sowie die politischen Ideen mit den persönlichen Dispositionen und Lebenswelten der Autoren zu korrelieren. Wie diese Forderung, ist es auch ganz im Sinne der Schule von Skinner und Pocock, dass Fasano Guarini über den Tellerrand der "kanonischen Autoren" Machiavelli und Guicciardini hinausschaut und die weniger untersuchten "fuorusciti" (56) thematisiert, diejenigen, die im Medici-Prinzipat keinen Platz fanden und im Exil Ideale des Republikanismus weiterhin kultivierten. Programmatisch wendet die Autorin den Blick denn auch von Florenz ab und Städten wie Lucca, Genua oder Venedig zu, um das differenzierte Fort- und Nachleben des Republikanismus zu verdeutlichen. Dabei wird sein "Mythos" als Ideal entlarvt, das nicht überzeitlich war, sondern im Lauf des 16. Jahrhunderts divergierenden Verständnissen und Interpretationen unterlag.

In ganz ähnlicher Weise behandelt Fasano Guarini in dem zweiten Aufsatz (91-120) die Frage, wie bei einem Set von florentinischen Chronisten und Staatstheoretikern das Verhältnis von der Entität Stadt zu jener der Territorialherrschaft - vor und nach der Erfahrung des Verlustes der territorialen Integrität durch den Italienzug Karls VIII. (1494) - beurteilt wird. Ergeben sich schon im Vergleich von Machiavelli und Guicciardini klare Unterschiede, so scheint in Werken Filippo Nerlis und Bernardo Segnis die enge kausale Verbindung zwischen städtischer Freiheit, innerem Frieden und Beherrschung des Umlandes verloren gegangen zu sein. Doch Fasano Guarini konterkariert diese vermeintliche Logik, indem sie aufzeigt, dass bei dem "fuoruscito" und "antico repubblicano" (110) Jacopo Nardi wie dann auch bei den offiziösen, von Herzog, später Großherzog Cosimo I. in den Dienst genommenen Geschichtsschreibern Benedetto Varchi, Giovan Battista Adriani und schließlich Scipione Ammirato die republikanischen Traditionen im Verständnis des Stadt-Land-Verhältnisses nicht nur fortlebten, sondern in den neuen "mito principesco" (120) Eingang fanden.

Ebenso wertvoll wie diese beiden magistralen und übergreifenden, sind die Einzelstudien des zweiten Abschnitts. Zunächst geht es (123-154) um die Entwicklung von Machiavellis Staatstheorie, von seinem Früh- bis zu seinem Spätwerk: Sie war republikanischen Traditionen und Sprachen verpflichtet, doch Machiavelli überschritt deren Grenzen im Zuge seiner persönlichen politischen Entwicklung mehr und mehr.

Eng thematisch anschließend, zeigt die Autorin dies in einem Beitrag zu Verschwörungen (155-207) nochmals exemplarisch auf: Machiavelli übernahm in seinen "Discorsi" das republikanische interpretatorische Modell zu Verschwörungen ("congiure contro alla patria" versus "congiure contro al principe", eine Opposition, die jener klassisch republikanischen zwischen "vivere libero" und "tirannia" entspreche; 171), um den Rahmen dieser Systematik in seinem historiographischen Werk jedoch zu sprengen. Nicht mehr die moralistische Bewertung interessiert ihn dort, sondern die Funktionalität von Verschwörungen als Mittel der Politik.

Der fünfte Aufsatz fällt stärker personengeschichtlich aus: Es geht um die Frage, wie sich politische Akteure der florentinischen Republik in den Prinzipat fügten. Beispiel ist Francesco Guicciardini in seiner letzten Lebensphase 1537 (dem Jahr, in dem Cosimo de' Medici zum Herzog erhoben wurde) bis zu seinem Tod (1540). In der klassischen Frage, warum sich Guicciardini, der entscheidend mithalf, die Republik zu Grabe zu tragen, so sehr in Cosimo getäuscht habe (er war davon ausgegangen, dass dieser die republikanischen Traditionen mehr beibehalten werde), tritt die Autorin dafür ein, die politische Übergangssituation, mehr als bisher geschehen, als offen anzusehen (223 und 228). Andererseits zeigt sie auf, welche Rolle Guicciardini in der neuen Ordnung einnahm: Der Autor der "Storia d'Italia" zog sich nicht völlig aus der Politik zurück, er wurde verstärkt als Jurist und in administrativen Aufgaben tätig; für Fasano Guarini ein Beispiel der - bekanntermaßen für den Prinzipat charakteristischen - "Bürokratisierung" des florentinischen Patriziats.

Eine andere Form der Anpassung an die politischen Gegebenheiten im frühen Prinzipat wählten die "Hofhistoriographen" Varchi und Adriani, die im letzten Aufsatz (247-279) verglichen werden: Varchi war ein klassischer "homo novus": Die Karriere des Literaten aus Montevarchi, der zu Zeiten der Republik randständiger politischer Beobachter, niemals aber einflussreich war, beginnt erst mit Cosimo und gründet auf seinem literarischen Können (Fasano Guarini macht auch hier republikanische Elemente aus). Gegenbeispiel ist Adriani, über den wenig Biographisches bekannt ist. Den Grund dafür, dass sein Geschichtswerk, im Gegensatz zu Varchis, zu seinen Lebzeiten unpubliziert blieb, sieht die Autorin weniger in dessen Inhalt als in seinem Stil, der offenbar den im Prinzipat zunehmenden Leseransprüchen an Literarizität und Glorifizierung nicht mehr genügte.

Die Aufsätze sind allesamt weniger archivalienerschließend, sie stellen vielmehr scharfsinnige Interpretationen dar, die sowohl für die Ideengeschichte als auch für die Forschungen zur florentinischen Historiographie des 16. Jahrhunderts von großem Belang sind. Ihre Neuedition in vorliegendem Sammelband erweist sich zum einen als sinnvoll angeordnet: Für den Leser ergibt sich ein synergetisches Verständnis der Leitidee (mithin auch eine Interpretationsgeschichte des frühen Prinzipats); zum anderen hat die Autorin es verstanden, diese und auch die Entstehungskontexte der Studien in einer elegant retrospektiven Einleitung (7-24) so darzulegen, dass sich der Sammelband auch als Lektüre zur Wissenschaftsgeschichte der "Cambridge School" empfiehlt.

Tobias Daniels