Rezension über:

Thomas Pratsch: Theodora von Byzanz. Kurtisane und Kaiserin (= Kohlhammer Urban Taschenbücher; 636), Stuttgart: W. Kohlhammer 2011, 153 S., 15 s/w-Abb., ISBN 978-3-17-019919-4, EUR 17,90
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Rezension von:
Martina Hartmann
Monumenta Germaniae Historica, München
Redaktionelle Betreuung:
Martina Giese
Empfohlene Zitierweise:
Martina Hartmann: Rezension von: Thomas Pratsch: Theodora von Byzanz. Kurtisane und Kaiserin, Stuttgart: W. Kohlhammer 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 7/8 [15.07.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/07/20914.html


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Thomas Pratsch: Theodora von Byzanz

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In der bekannten 'gelben' Reihe des Kohlhammer Verlages, in der Biographien in einer gut lesbaren und auch für Studenten als Einstiegslektüre geeigneten Darstellung publiziert werden, ist dies eine der ersten Biographien einer spätantik-frühmittelalterlichen Herrscherfrau, was grundsätzlich zu begrüßen ist, auch wenn Mischa Meier 2002 in seiner Besprechung der englischen Monographie über Theodora von Evans die Frage aufgeworfen hat, ob die Quellen über sie dafür ausreichen [1].

Die Lektüre des Buches von Thomas Pratsch aber gerät - unabhängig von dieser Frage - sehr bald zum Ärgernis, und das aus verschiedenen Gründen: Zunächst behandelt er das byzantinische Reich im 6. Jahrhundert und die Quellen zur vielleicht berühmtesten Kaiserin von Byzanz (Einleitung, 9-15). Schon dieses Kapitel ist mühsam zu lesen, denn Erläuterungen von Begriffen wie 'Monophysitismus' oder 'Prostitution im frühen Byzanz' sind nicht etwa sinnvoll in die Darstellung eingearbeitet, sondern unterbrechen als - auch optisch hässliche und störende - schwarz eingerahmte 'Lesekästchen' wie Lexikon- oder Wikipedia-Artikel die Darstellung. Die auch sonst misslungene Integration von Photos in die Darstellung führt fallweise sogar dazu, dass das Unterkapitel "Version irriger Quellen" (!) auf einer einzigen Seite (31) mit mehr Zeilen als sonst üblich zusammengequetscht wurde, weil im Anschluss daran ein Bild und ein 'Kästchen' folgen.

Inhaltlich arbeitet Pratsch nur die gängigen, aus Prokop bekannten Klischees ab, wobei beispielsweise die Diskussion über die Entstehung der Werke Prokops in einer saloppen Fußnote (15 Anm. 2) erledigt wird. In diesem ersten Kapitel wäre etwa der einschlägige Aufsatz von Mischa Meier zu berücksichtigen gewesen [2]. Kapitel 2 "Die Schauspielerin und Kurtisane" (16-34) behandelt das Vorleben der Kaiserin, Kapitel 3 "Theodora als Ehefrau" (35-48) und Kapitel 4 "Die Politikerin" (49-79) dann Theodora an der Seite Justinians, ohne dass hier die Rolle der Kaiserinnen in Byzanz im Hinblick auf Repräsentation, politische Macht und so weiter in irgendeiner Form thematisiert würden. Kapitel 5 (80-110) gilt dann der Restitutio Imperii und behandelt Justinians Rückeroberungskriege in Nordafrika und in Italien, wobei zu Theodora nur auf Seite 99 die Stelle aus Prokop über ihren Tod am 28. Juni 548 zitiert wird. Im Anschluss an diese Mitteilung werden dann diese Kriege weiter abgehandelt - auf Grundlage welcher Literatur bleibt unklar - und auf Seite 108 wird das für den Stil von Pratsch charakteristische Fazit gezogen: "Welche Rolle spielte nun Theodora im Rahmen der justinianischen 'Restitutio Imperii'? Darüber lässt sich nicht viel und mit Sicherheit sagen"! Während Pratsch in Kapitel 5 auf Seite 99, wie erwähnt, Propoks Mitteilung über Theodoras Tod zitiert hat, wird diese Tatsache auf Seite 108 und in Kapitel 6 "Das Ende" (110-116) nochmals erwähnt, aber ohne auf das Zitat (99) und die Erwähnung ihres Todes Bezug zu nehmen. Es sieht so aus, als seien die Kapitel in großem zeitlichen Abstand voneinander verfasst worden und ohne das vorherige noch einmal zu lesen. Kapitel 7 trägt dann den Titel "Nachleben und Rezeption" und bezieht auch Opern und historische Romane mit ein.

Im Anschluss an die Zusammenfassung (125-127) folgen eine Zeittafel (128f.) und ein Glossar, in dem der 'comes largitionum' neben dem 'Komes' (!) steht und auch ansonsten nicht ersichtlich ist, nach welchen Kriterien Begriffe groß oder klein geschrieben werden. Im Quellen- und Literaturverzeichnis gibt es zunächst die Unterabteilung "Quellen in Textausgaben", wobei die im Text erwähnte Chronik des Victor von Tunnuna fehlt, dann folgt das Unterkapitel "Quellen in Übersetzungen", was wohl "Quellen in Übersetzung" heißen soll. Dann folgt das Literaturverzeichnis, das man nur als dürftig und unzureichend bezeichnen kann. Neben der Monographie von McClanan über die frühen byzantinischen Kaiserinnen wurden die einschlägigen Aufsätze von Brubaker (2005), Foss (2002) und Harvey (2001) nicht berücksichtigt [3].

Den Eindruck geringer Sorgfalt erweckt auch das Personen-, Sach- und Ortsregister: Hier begegnen lateinische Ortsnamen neben heutigen ('ad Decimum' unter 'A' neben 'Dekimon' unter 'D'), mit 'Theudibert' ohne weiteren Zusatz ist der merowingische Frankenkönig Theudebert I. gemeint, der Ostgotenkönig Wittiges, der in Kapitel 5 häufig begegnet, wurde gar nicht ins Register aufgenommen und nur Gelimer hat es, warum auch immer, zu der Erläuterung "König der Vandalen" gebracht. Hinter 'Innocentius' verbirgt sich ein bei Prokop erwähnter Befehlshaber der Reiterarmee Justinians im Gotenkrieg und so weiter. Auch die Abbildungen wirken mehr als zufällig. Bei der auf Seite 54 (Abbildung 8) gebotenen Portraitbüste wird behauptet, es handele sich um die "Gotenkönigin Amalasuntha", als Abbildungsnachweis findet sich auf Seite 146 die Angabe "unbekannt". Die in den Kapitolinischen Museen in Rom zu bewundernde, lebensgroße Portraitbüste stellt aber vermutlich die Kaiserin Ariadne dar und nicht die Ostgotenkönigin. Der Stil des Buches ist, wie schon angedeutet, schwer verdaulich.

Was Hartmut Leppin in seiner 2011 erschienenen großen Justinian-Biographie über die Kaiserin Theodora auf wenigen Seiten schreibt und in literaturgesättigten Fußnoten belegt, ist dem Buch von Pratsch um Klassen überlegen. [4] Auch vom Standpunkt der gender-Forschung kann man nur bedauern, dass hier eine Chance vertan wurde, diese interessante Persönlichkeit in einer angemessenen Monographie zu würdigen, und dem Verlag muss man den Vorwurf machen, den Band nicht angemessen lektoriert zu haben.


Anmerkungen:

[1] Mischa Meier: Rezension zu: James Allan Evans, The empress Theodora. Partner of Justinian, Austin 2002, in: H-Soz-u-Kult, 30.10.2002, URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=1876.

[2] Mischa Meier: Zur Funktion der Theodora-Rede im Geschichtswerk Prokops (BP 1, 24, 33-37), in: Rheinisches Museum für Philologie 147 (2004), 88-104.

[3] Mischa Meier: Rezension zu: Paolo Cesaretti: Theodora. Herrscherin von Byzanz. Aus dem Italienischen von Roland Pauler, Düsseldorf / Zürich 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 2 [15.02.2005], URL: http://www.sehepunkte.de/2005/02/5828.html; Anne Laura McClanan: Representations of Early Byzantine Empresses. Image and Empire (= The new Middle ages), New York 2002; Leslie Brubaker: The Age of Justinian: Gender and Society, in: Michael Maas (ed.): The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005, 427-447; Clive Foss: The empress Theodora, in: Byzantion 72 (2002), 141-176; Susan Ashbrook Harvey: Theodora the "Believing Queen": A Study in Syriac Historiographical Tradition, in: Hugoye 4, 2 (2001), 209-234.

[4] Hartmut Leppin: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart 2011. Vgl. dazu die Rezension von Fabian Schulz, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 6 [15.06.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/06/20652.html.

Martina Hartmann