Rezension über:

Ewald Frie: Friedrich II. (= rowohlts monographien; 50720), Reinbek: Rowohlt Verlag 2012, 157 S., ISBN 978-3-499-50720-5, EUR 8,99
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Rezension von:
Brigitte Meier
Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/O.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Brigitte Meier: Rezension von: Ewald Frie: Friedrich II., Reinbek: Rowohlt Verlag 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 9 [15.09.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/09/21223.html


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Ewald Frie: Friedrich II.

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Der 300. Geburtstag des preußischen Königs Friedrich II. am 24. Januar 2012 wird nicht nur im Land Brandenburg ausgiebig gefeiert, sondern er stellt auch für die Historikerzunft eine Herausforderung dar. Friedrich II. mit seinen vielen Ecken und Kanten lässt sich gut vermarkten. Der Medienrummel hätte ihm sehr gefallen. Schließlich nutzte er schon zu seiner Zeit die Medien sehr zielgerichtet für seine Zwecke und das, wie auch dieses Jubiläum wieder zeigt, mit nachhaltiger Wirkung.

Ähnlich wie 1912 ist auch das Jubiläum 2012 ein willkommener Anlass, diesen preußischen König als Aufklärer, Musiker, Philosophen, Feldherrn, Staatsmann, "Ersten Diener seines Staates", verständnisvollen Landesvater oder gar als Liebenden zu feiern. Eine Vielzahl von Biografien, Monographien, Tagungsbänden, Lexika, Ausstellungskatalogen usw. trägt dem Rechnung (siehe: http://www.friederisiko.de). All diese Arbeiten spiegeln den Zeitgeist und die spezifische Sichtweise der Autoren. Auch daran hat sich seit 1912 wenig verändert. Von der absoluten Verherrlichung Friedrichs ganz im Stile der Konservativen des 19. Jahrhunderts (Gerd Heinrich) bis zur modernen Gefühlspolitik (Ute Frevert) findet sich eine breite Palette von Biografien, die diesen dritten preußischen König auf spezifische Art und Weise würdigen.

Die hier vorzustellende kurze Biografie von Ewald Frie, einem Historiker, der ohne Frage zu den Besten der Zunft zählt und der mit seiner Marwitz-Biografie gezeigt hat, wie innovativ Lebensbeschreibungen sein können, weckt die Neugier der Leser schon durch die spartanischen Überschriften seiner Kapitel. "Er", "Ich", "Küstrin", "Rheinsberg, Sanssouci und das Neue Palais", "Schlesien", "Preußen", "Polen und das Reich" und "Off" - diese präzise Wortwahl spiegelt die inhaltliche Schwerpunktsetzung ebenso wie den Stil der Darstellung.

"Er" informiert kurz und bündig über die wichtigsten Fakten: Lebensdaten, Kriege, Bauten, Werke und Literatur. "Ich" gewährt Einblicke in die Selbstdarstellung Friedrichs II. sowie in die Sichtweise der Zeitgenossen und der Historiker auf das 18. Jahrhundert. Die aktuelle Diskussion der Moderne kurz reflektierend, leider ohne auf Heinz Dieter Kittsteiners Arbeiten zu diesem Thema einzugehen, kommt Frie zu folgendem Resümee: "Wenn wir aufhören, eine mit Max Weber und Karl Marx sehr eng definierte Moderne als Messlatte an Menschen des 18. Jahrhunderts anzulegen, können wir davon ablassen, Widersprüche zu entdecken, wo Zeitgenossen gar keine sahen, und bewegungslose Tradition zu diagnostizieren, wo Zeitgenossen unter dramatischer Bewegung litten. [...] Wir können das 18. Jahrhundert als eine unsichere Zeit wahrnehmen, in der Fortschritt als regulative Idee diskutiert wurde, aber noch nicht etabliert war" (21). Dieser Prämisse folgend, sieht Ewald Frie den preußischen Herrscher Friedrich II. eben nicht als König "der Widersprüche" (Theodor Schieder), sondern "als ein[en] auf sich selbst gestellte[n], den Launen der Fortuna, des Schicksals, ausgesetzte[n] Mensch[en]" (ebenda).

Zu seinem Schicksal gehörten auch die traumatischen Erlebnisse 1730 auf der Festung Küstrin, die den Höhepunkt eines sich über Jahre zäh hinziehenden Vater-Sohn-Konflikts darstellten. Der klarsichtige achtzehnjährige Thronfolger wollte vor der strengen Erziehung und den hohen Erwartungen seines Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., ins Ausland fliehen. Da die Flucht von Friedrich nur halbherzig und dilettantisch vorbereitet worden war, scheiterte sie und gab Anlass für eine Vielzahl von Legenden und Spekulationen. Ewald Frie setzt sich mit diesen kritisch auseinander, um dem Leser ein halbwegs realistisches Bild von den Ereignissen zu zeichnen. Der Fluchtversuch eines Thronfolgers war ein Staatsakt und militärisch eine Desertion, die vor das Kriegsgericht gehörte. Der cholerische Vater witterte den Verrat staatlicher Interessen und verlangte die Todesstrafe für seinen erstgeborenen Sohn. Die Staatsräson ließ ihn so handeln. Der Aufschrei an den europäischen Höfen und die Stellvertreterhinrichtung - Katte sollte für Friedrich sterben - retteten Friedrich das Leben in dem Augenblick, als der Vater sicher war, dass er fortan einen gehorsamen Thronfolger haben würde. Die akribischen Forschungen von Jürgen Kloosterhuis zu diesem Thema ermöglichen heute auch eine andere Sichtweise auf die Hinrichtung des Kattes. Der völlig von der Außenwelt isolierte Friedrich konnte in seiner Zelle die Hinrichtung Kattes gar nicht wahrnehmen. Das war aus bautechnischen Gründen nicht möglich, wie Kloosterhuis nachwies. Dennoch sorgten nicht nur der kolorierte Kupferstich von 1740 (37) und die Legenden dafür, dass bis heute kaum Zweifel an dieser Darstellung der Ereignisse aufkamen. Das schwere Jugendtrauma, das Friedrichs Leben so nachhaltig prägte, bedarf wohl dieser Legende und "Sans, Souci." mit Komma und Punkt (Kittsteiner) würde sich nicht als Geheimsprache im Sinne "Ohne den Pietismus des Vaters lässt es sich vortrefflich leben" deuten lassen.

Friedrich durfte leben, und das tat er fortan aus vollen Zügen. Um seine Unterwürfigkeit dem Vater gegenüber zu beweisen und um mehr persönliche Bewegungsfreiheit zu erhalten, ließ er sich 1733 auf die Eheschließung mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern ein, die sein Vater ihm anstelle der gewünschten englischen Prinzessin ausgesucht hatte. Im Schloss Rheinsberg verbrachte er dann seine glücklichsten Thronprinzenjahre. Seine Gemahlin gehörte zu dem dort versammelten Kreis von Adligen, die sich ganz standes- und zeitgemäß mit Kunst, Musik, Literatur und Architektur beschäftigten. Friedrich vertiefte sich in die französische Aufklärung und träumte vom baldigen Herrscherwechsel. Als er 1740 endlich König wurde, wollte er Zeichen setzen. Ewald Frie beschreibt sehr gekonnt in den folgenden Kapiteln, wie sich Friedrich als europäischer Herrscher und pragmatischer Politiker etablierte, wie er das Glück immer wieder herausforderte und wie er sich sein königliches Ende vorstellte.

Der königliche Mensch wurde von seinen Untertanen geliebt, und so verwundert es auch nicht, dass sich die Medien schon 1786 dieses besonderen Königs annahmen. Mythen, Legenden, Anekdoten und Bilder sorgten dafür, dass Friedrich II. in aller Munde blieb und zwar so, wie er sich gern selbst gesehen hat, als treusorgender und gerechter Landesvater. Ewald Frie vermittelt in seiner Biografie hingegen ein differenzierteres Bild dieses preußischen Königs. Wer sich also auf unterhaltsame Weise über die wichtigsten Stationen des Lebens Friedrichs II. informieren möchte, dem sei dieses Taschenbuch wärmstens empfohlen. Anmerkungen, Zeittafel, Zeugnisse ausgewählter Persönlichkeiten verschiedener Jahrhunderte, eine sachlich geordnete Bibliografie und ein Namensverzeichnis erleichtern die gezielte Nutzung des Bandes.

Brigitte Meier