KOMMENTAR ZU

Christoph Schäfer: Rezension von: Christian Koepfer / Florian Wolfgang Himmler / Josef Löffl (Hgg.): Die römische Armee im Experiment, Berlin: Frank & Timme 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 7/8 [15.07.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/07/20949.html


Von Ruben Moor

"Sind die Augsburger Beiträge um einen wissenschaftlichen Charakter bemüht, so verlieren sich die Experimente der Regensburger Mitherausgeber des Bandes leider in vergleichsweise banalen Beobachtungen, die eindrucksvoll methodische Defizite deutlich machen."
Der Autor der Rezension stellt hier "wissenschaftlichen Charakter" von Beiträgen "banalen Beobachtungen" gegenüber. Ist nicht denkbar, dass in einem Feldversuch die Fülle an für sich genommen banalen Beobachtungen zu neuen Erkenntnissen führen kann? In diesem Sinne wäre der Versuch, Banales von Bedeutsamen zu trennen, in einer Phase der Beobachtung und Dokumentation eines Experiments nicht nur verfälschend sondern sogar anmaßend, weil hier systematisch Annahmen in die Betrachtung fließen, die ein experimenteller Archäologe möglicherweise gerade hinterfragt wissen will.

Gleiches gilt für die "methodischen Defizite": Hier unterstellt der Autor der Rezension pauschal Unvermögen an einer Stelle, wo sich eigentlich die sehr viel spannendere Frage stellt: Was ist die geeignete Methode, um eine jahrtausende von Jahren alte Welt Experimenten und Beobachtung zugänglich zu machen? Darf man Methodik in einem experimentellen Forschungsbereich als allgemein bekannt und erprobt annehmen?

Anstatt anzuerkennen, welchen Beitrag Die römische Armee im Experiment liefert, um diese Herausforderungen anzugehen, folgen Abwertungen des Werks teils gänzlich ohne sachlichen Bezug.

Dass ein Titel "flapsig" sei und ein Abschnitt "skurril anmutet" sagt nichts über die Qualität des Inhalts aus und hilft dem interessierten Leser wenig.

Die Beobachtung, welch zentrale Bedeutung einem unscheinbares Halstuch in praktischen Belangen zukommt, ignoriert oder missversteht der Autor der Rezension ganz und gar. Stattdessen wird schlicht zitiert mit Ausrufungszeichen und "sic", ohne überhaupt Aussagen zu treffen. Die These, dass es sich um triviale Erkenntnisse ohne Mehrwert handle, wagt der Autor zurecht nicht, wird gerade in diesem Abschnitt doch die neue Perspektive deutlich, die die experimentelle Archäologie eröffnet. Im gleichen Maße wie der Experimentator seine historischen These am eigenen Leib erprobt, erhält der Leser hier die Chance in neuer Detailtiefe in eine vergangene Welt einzutauchen.

"Hier hätten vor allem die Herausgeber, aber auch einige Autoren in der 'Historik' des eingangs zitierten Johann Gustav Droysen besser auch den §19 gelesen, in dem er unterscheidet zwischen faulen und fruchtbaren historischen Fragen. Ernsthafte Experimentalarchäologie achtet auf diesen Unterschied."
Welche Ernsthaftigkeit ist gemeint, wenn von "Ernsthafter Experimentalarchäologie" die Rede ist? Der Verweis auf die Existenz "fauler und fruchtbarer historischer Fragen" fördert nicht das Verständnis dessen, was gute Archäologie bedeutet.

Für Rezensionen gibt es die vom Autor vielbeschworene Methodik: Dazu gehört, die Ansätze des Werkes nachzuvollziehen und in strikter Sachlichkeit darüber zu urteilen. Stattdessen finden sich pauschale, unspezifische Verweise auf Wissenschaftsmethodik, um in geradezu aristotelischer Manier den Entdeckergeist, der den Forschungen zugrundeliegt, zu diskreditieren.


REPLIK

Von Christoph Schäfer

Der Kommentar von Ruben Moor entspricht weder in Form noch Inhalt den Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Diskurses. Da er allerdings die an sich zurückhaltende Rezension frontal angeht und von Anmaßung spricht, sind einige Bemerkungen vonnöten, um ihm zunächst den Unterschied zwischen der Fachwelt und dem von ihm bemühten "interessierten Leser" als Zielgruppe zu erläutern: Rezensionen wissenschaftlicher Werke in den Organen der jeweiligen Disziplinen richten sich an die Fachwelt. Sie werden von Fachleuten für Fachleute geschrieben und stellen einen Teil des Fachdiskurses dar. Daher ist hier sowohl Lob wie Kritik zu finden. Auch die von ihm attackierte Rezension enthält beides. Hiermit ist Moor offenbar nicht vertraut.

Seine Vorstellung, eine Fülle von banalen Beobachtungen könne gleichsam von selbst zu bedeutsamen neuen Erkenntnissen führen, ist - gelinde gesagt - naiv. Hätte er den empfohlenen § 19 von Droysens Historik tatsächlich rezipiert, wäre er nicht zu einer solchen Aussage gelangt.

Moor behauptet, der Autor der Rezension wage zurecht nicht die These, dass es sich bei der experimentell ermittelten Erkenntnis, ein Halstuch wie das focale könne bei Kälte ein "Wärmefaktor" gewesen sein und, wenn die Sonne dem Eigentümer auf den Kopf schien, auch als Sonnenschutz fungiert haben, um triviale Erkenntnisse ohne Mehrwert handle. Zunächst erstaunt, dass Moor glaubt, sich in den Rezensenten hinein versetzen zu können. Tatsächlich hat letzterer nur aus Höflichkeit darauf verzichtet, genau das zu schreiben, was Moor vermisst.
Und dass bestimmte Passagen expressis verbis zitiert werden, liegt daran, dass der Rezensent den Lesern den tatsächlichen Wortlaut bieten möchte, weil sonst manch einer ungläubig staunen würde ob solcher "Erkenntnisse". Moor sei überdies gesagt, das lateinische "sic" dient in wissenschaftlichen Texten dazu, wörtliche Zitate aus einer Quelle zu unterstreichen, die mehr aussagen als jeder Kommentar.

Im übrigen ist "Entdeckergeist" kein Ersatz für solide Methoden und innovative Fragestellungen, die eine Relevanz für den Forschungsdiskurs besitzen.