Rezension über:

Doris Behrens-Abouseif (ed.): The Arts of the Mamluks in Egypt and Syria - Evolution and Impact (= Mamluk Studies; 1), Göttingen: V&R unipress 2012, 351 S., ISBN 978-3-89971-915-4, EUR 160,00
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Rezension von:
Miriam Kühn
Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
Redaktionelle Betreuung:
Tilmann Kulke
Empfohlene Zitierweise:
Miriam Kühn: Rezension von: Doris Behrens-Abouseif (ed.): The Arts of the Mamluks in Egypt and Syria - Evolution and Impact, Göttingen: V&R unipress 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 10 [15.10.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/10/22385.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 12 (2012), Nr. 10

Doris Behrens-Abouseif (ed.): The Arts of the Mamluks in Egypt and Syria - Evolution and Impact

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Trotz des viel zitierten Booms der Mamlukenforschung [1] ist dieser Sammelband mit ausgewählten Aufsätzen zur Kunst- und Architekturgeschichte Ägyptens und Syriens unter Mamlukischer Herrschaft (1250-1517) ein lang erwartetes Desiderat. Ist in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme von Einzelstudien in Form von Monographien oder Beiträgen in Konferenz-, Sammelbänden [2], Ausstellungskatalogen [3] oder auch der Mamluk Studies Review [4] zu verzeichnen, fehlte bisher eine aktuelle, sich ausschließlich diesen Bereichen der Mamlukenforschung widmende Publikation.

Dem von Doris Behrens-Abouseif herausgegebenen Sammelband gelingt es, dem interessierten Leser einen Einblick in aktuelle Forschungsfragen und -methoden der materiellen Kultur-, Kunst- und Architekturgeschichte Mamlukischer Zeit zu vermitteln. [5] Neben 15 Aufsätzen ausgesuchter Vertreter des Fachs [6], erleichtern eine Einführung der Herausgeberin (13-20), zahlreiche Farbabbildungen, eine Karte des Mamlukischen Herrschaftsgebietes, eine Auflistung der Namen und Regierungsdaten der Sultane, ein Glossar und ein Index den Zugang. Nützlich für die vertiefende Lektüre ist eine thematisch sortierte Bibliographie ausgewählter Publikationen (325-337). [7]

Der Großteil der Beiträge geht auf die von Behrens-Abouseif 2009 an der SOAS in London veranstaltete Tagung "The Arts of the Mamluks in Egypt and Syria" [8] zurück. Bereits diese zeichnete sich dadurch aus, der im ersten Beitrag des Sammelbandes durch Nasser Rabbat (30-32) angemahnten Durchbrechung der monolithischen Wahrnehmung Mamlukischer Kunstproduktion nachzukommen.

Vertreten sind Aufsätze, die sich Metallarbeiten (Makariou und Juvin, Rogers), Glas (Ward), Keramik (Gayraud, Wade Haddon), Teppichen (Thompson), Handschriften (Tanindi), Architektur (Kenney, O'Kane, Loiseau, Abdulfattah/Sakr, Gonella, Baha Tanman) und gattungsübergreifenden Fragestellungen (Rabbat, Behrens-Abouseif) widmen.

Die Mehrzahl der Autoren beschäftigt sich mit Kunst- und Bauwerken der Bahri- (1250-1382), wenige vorwiegend mit denen der Burji-Periode (1382-1517: Thompson, Gonella, Tanindi, Loiseau). Deutlich wird, dass diese einfache Periodisierung der Mamlukischer Kunstproduktion nur bedingt hilfreich ist und diese weiter aufgefächert werden muss: Rabbat (21-35) arbeitet unter vier frühen Mamlukischen Sultanen (1260-1341) deutliche Unterschiede in deren visuellen Repräsentations- und Legitimationsstrategien heraus. Dieser Ansatz zur Deutung repräsentativer Mamlukischer Architektur wird auch von Abdulfattah und Sakr aufgegriffen. Interessante Anknüpfungspunkte an vormamlukische Palastbauten bietet die Deutung der Repräsentationsbauten auf den Zitadellen in Kairo und Aleppo unter dem Aspekt ihrer Sichtbarkeit (Gonella, Abdulfattah und Sakr).

Dem Großteil der Aufsätze ist gemein, dass sie ausgehend von einer Beschreibung und Analyse des Aufbaus, Dekors und der Inschriften der Kunstwerke oder Bauwerke, Fragen nach Auftraggebern, Handwerkern, Nutzungs- und Rezeptionskontexten stellen. Von den meisten Autoren werden dafür Mamlukische narrative Schriftquellen und Dokumente in ihre Überlegungen einbezogen. Ein gelungenes Beispiel für die Einbettung kunsthistorischer Betrachtunsgegenstände in einen weiteren kulturhistorischen Kontext ist etwa der Beitrag Loiseaus, der die gesellschaftlichen Bedingungen der Zunahme von Freitagsmoscheen im 15. Jahrhundert in Kairo untersucht (183-201).

Es wird aber auch deutlich, dass neben der Öffnung zu kulturhistorischen Diskursen weiterhin Grundlagenforschung nötig ist: So ist die Datierung von einzelnen Objekten, selbst von "Meisterwerken" wie dem Taufbecken Ludwig des Heiligen (25-26, 249), oder ganzer Material- (Keramik: Gayraud, Wade Haddon) und Objektgruppen (emaillierte Moscheeampeln: Ward 55-75) Gegenstand von Diskussionen. Auch der Nutzungskontext der Objekte ist in vielen Fällen nicht geklärt: Makariou und Juvin hinterfragen etwa die althergebrachte Deutung, dass die von ihnen besprochen "Koran-Ständer" der Aufbewahrung von Koranen dienten (37-53). Drängender stellt sich jedoch die Frage nach den Produktionszentren der Objekte in Syrien und/oder Ägypten, etwa für die von Wade Haddon vorgestellte Quarzfritte-Keramik (95-113). Auch die Fertigung der Objekte wirft viele Fragen auf: Thompson spricht sich in der spätmamlukischen Teppichherstellung (115-139) und Rogers bei Metallarbeiten der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (247-265) für Hofwerkstätten aus. Mamlukische Schriftquellen schweigen jedoch zu dieser Frage bzw. erwähnt al-Maqrizi lediglich die Suqs als Fertigungszentren. (249)

Das gewünschte Durchbrechen der singulären Wahrnehmung der Mamlukischen Kunst und Architektur [9] wird durch das Nachzeichnen und die Analyse der Interaktion mit Europa und anderen islamischen Reichen versucht (übergreifend Behrens-Abouseif; Europa: Rogers; Ilkhanidisches Reich: Wade Haddon; Osmanisches Reich: Tanindi, Baha Tanman). Für die Verbreitung einzelner Dekormotive und Bautypen werden dabei Handwerker (Rogers, Tanindi, Baha Tanman), Auftraggeber (Rabat, Tanindi) oder bewegliche Güter (Textilien: Wade Haddon) diskutiert.

Die Aufsätze von Kenney (141-161) und O'Kane (163-181) widmen sich einem Thema, das angesichts der Vielzahl Mamlukischer Bauaktivitäten und zahlreicher Verluste und Umbauten historischer Bausubstanz über die Jahrhunderte hinweg weitere Beachtung verdient: die quellenkritische Rekonstruktion heute nicht mehr erhaltener Bauwerke auf Grundlage von Quellenmaterial in Archiven und Museen. Die Rezeption Mamlukischer Kunst im 19. Jahrhundert wird kurz von Makariou und Juvin angesprochen (49-50).

Die nicht in diesem Sammelband vertretenen Konferenzbeiträge, etwa zum künstlerischen Austausch mit den Nasriden und Turkmenen, zu Tripoli und der arabischen Halbinsel hätten den Blick auf die Mamlukische Kunst- und Architekturgeschichte bereichert, hinterlassen aber in dieser Publikation für den Leser keine offensichtliche Lücke.

Nachdem nun dieser erste Sammelband zur Mamlukischen Kunst und Architektur seit 1984 [10] vorgelegt wurde, wird es Zeit, die nächste Ausstellung zur Mamlukischen Kunst seit 1981 [11] anzugehen. Zahlreiche neue wissenschaftliche Fragestellungen und Erkenntnisse wurden mit dieser Publikation vorgelegt.


Anmerkungen:

[1] Stephan Conermann: "Es boomt! Die Mamlukenforschung (1992-2002)", in: Stephan Conermann / Anja Pistor-Hatam (Hgg.): Studien zur Geschichte und Kultur der Mamlukenzeit. Zum Gedenken an Ulrich Haarmann (1942-1999). Schenefeld 2003, 1-70. Siehe aktuell auch das Annemarie Schimmel Kolleg for the History and Society during the Mamluk Era (1250-1517) an der Universität Bonn.

[2] Mahmoud Haddad - Arnim Heinemann et al. (eds.): Towards a Cultural History of the Mamluk Era, Würzburg 2010.

[3] Stefano Carboni (ed.): Venice and the Islamic World, 828-1797, Ausst. Kat., New York / Paris / New Haven u.a. 2007.

[4] http://mamluk.uchicago.edu/

[5] Der Forschungsstand Ende der 1990er Jahre ist bei Jonathan Bloom: "Mamluk Art and Architectural History: A Review Article", in: Mamluk Studies Review 3 (1999), 31-58 und Donald Whitcomb: "Mamluk Archaeological Studies: A Review", in: Mamluk Studies Review 1(1997), 97-106 nachzulesen. Neuere Überlegungen zur Archäologie finden sich bei Bethany J. Walker: "From Ceramics to Social Theory: Reflections on Mamluk Archaeology Today", in: Mamluk Studies Review 14(2010), 109-157. 2003 gab Conermann in seinem Beitrag "Es boomt! Die Mamlukenforschung (1992-2002)" ebenfalls einen kurzen Forschungsstand wieder (54-61).

[6] Inhaltsverzeichnis unter: https://opacplus.bsb-muenchen.de/cgi-bin/redirect?app=webOPAC&location=http://bvbr.bib-bvb.de:8991/F?func=service&doc_library=BVB01&doc_number=024698893&line_number=0001&func_code=DB_RECORDS&service_type=MEDIA

[7] Siehe für die weiterführende Recherche auch die Mamluk Bibliography Online: http://mamluk.lib.uchicago.edu/index.html

[8] http://h-net.msu.edu/cgi-bin/logbrowse.pl?trx=vx&list=h-islamart&month=0906&week=d&msg=Szjz1Rvccrw1hFoq/FgHzw&user=&pw=medieval%26month%3D0906%26week%3Dd%26msg%3DVZarCMRzu1gAMCKx8ZW0Pg%26user%3D%26pw%3D&ei=q3NAUMfMIsTCtAbTqIGoBw&usg=AFQjCNH8EHpOX_1UExCGOJIAwjbfvJh16w

[9] Siehe dazu auch Bloom 1999.

[10] Muqarnas 2 (1984).

[11] Esin Atıl: Renaissance of Islam: Art of the Mamluks, Ausst. Kat. Washington, Washington, D.C. 1981.

Miriam Kühn