Rezension über:

Gaëlle Rioual (ed.): Basilius Minimus. In Gregorii Nazianzeni orationes IV et V commentarii. Cum indice graecitatis a Bernard Coulie et Bastien Kindt confecto (= Corpus Christianorum. Series Graeca; 90), Turnhout: Brepols 2019, LXXIX + 266 S., ISBN 978-2-503-58341-9, EUR 230,00
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Rezension von:
Raphael Brendel
München
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Raphael Brendel: Rezension von: Gaëlle Rioual (ed.): Basilius Minimus. In Gregorii Nazianzeni orationes IV et V commentarii. Cum indice graecitatis a Bernard Coulie et Bastien Kindt confecto, Turnhout: Brepols 2019, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 2 [15.02.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/02/34490.html


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Gaëlle Rioual (ed.): Basilius Minimus. In Gregorii Nazianzeni orationes IV et V commentarii

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Basilios Minimos, Bischof von Caesarea in Kappadokien unter Kaiser Konstantin VII., verfasste zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt (wohl zwischen 945 und 959) ein Kommentarwerk zu den meisten Reden und einigen theologischen Briefen des Gregor von Nazianz. Bislang liegt von dem größten Teil seines Werkes nicht einmal eine Edition vor und die wenigen Teilausgaben sind meist nur auf einem Teil der handschriftlichen Grundlage aufgebaut und somit unzureichend, so dass Riouals Edition der Kommentare zu den Reden 4 und 5, den beiden Reden gegen Kaiser Julian, schon allein deshalb eine Lücke füllt.

Die umfangreiche Einleitung (VII-LXXIX) ist in fünf Abschnitte untergliedert: Im ersten (VII-XVII) wird das Wenige, das über die Person des Basilios bekannt ist, zusammengestellt, wobei die Identifikation mit einigen gleichnamigen Zeitgenossen plausibel widerlegt wird. Der zweite (XVII-XXX) nimmt das Gesamtwerk des Basilios in den Blick, als das nur die Kommentare zu Gregor und ein Brieffragment gelten; weitere Werke seien ihm nicht zuzuweisen. [1] Der dritte Abschnitt (XXX-XLVI) behandelt speziell die Kommentare zu den Reden 4 und 5 und diskutiert eingehend die älteren Editionen, im vierten (XLVI-LXV) wird die Überlieferung (85 Handschriften mit den Werken des Basilios, fünfzehn enthalten die Kommentare der Reden 4 und 5 oder Teile davon) vorgestellt. Zuletzt werden die Prinzipien von Edition und Übersetzung dargelegt (LXV-LXXIII). Ein kurzer Anhang (LXXIV-LXXV) bietet eine Edition der nicht von Basilios stammenden Marginalscholien der Handschrift Paris Coisl. 236 mit Übersetzung. Es folgen die bibliographischen Abkürzungen (LXXVI-LXXIX).

Die Edition (1-145, 3-83 zu Rede 4, 85-145 zu Rede 5) bietet den griechischen Originaltext, eine diesem gegenübergestellte französische Übersetzung und kommentierende Anmerkungen, die meist philologische Probleme in Zusammenhang mit dem Text und dem Verhältnis zu seiner Vorlage behandeln, aber auch auf historische Fragen eingehen. Unter den Registern (147-264) stammen die Verzeichnisse der Personen- und Ortsnamen (149-151), der Bibelstellen (152-153) und der Quellenpassagen (154-167) von Rioual; der vollständige Wortindex (168-264) ist das Werk von Bernard Coulie und Bastien Kindt.

Da Basilios in seinen Kommentaren vorwiegend Erklärungen zu grammatikalischen und wortgeschichtlichen Details bietet und seine historischen Notizen nicht sehr tiefschürfend sind, ist er keine wesentliche Quelle für die Zeit Kaiser Julians. Dennoch gibt es einige Passagen, die sein Werk für Altertumswissenschaftler interessant machen und von denen einige hier kurz vorgestellt werden, zumal wenn sich Ergänzungen gegenüber dem (insgesamt guten) Kommentar Riouals ergaben.

Primär für philologische Fragen von Interesse sind die Fälle, in denen Basilios, der die Notizen mit Zitaten aus Gregor einleitet, einen abweichenden Text bietet (4,14 = 14-15 mit Anm. 19; 4,21 = 18-19 mit Anm. 24; 4,54 = 40-41 mit Anm. 68-69; 4,61 = 44-45 mit Anm. 75; 4,64 = 46-47 mit Anm. 83; 4,66 = 48-49 mit Anm. 89; 4,71 = 52-53 mit Anm. 96; 4,75 = 56-57 mit Anm. 106; 4,92 = 66-67 mit Anm. 131; 4,97 = 70-71 mit Anm. 145; 5,11 = 96-97 mit Anm. 23; 5,31 = 110-111 mit Anm. 52; 5,34 = 114-115 mit Anm. 58; 5,44 = 120-121 mit Anm. 73; 5,49 = 184-185 mit Anm. 84; siehe auch 4,6 = 10-11 mit Anm. 12; 4,57 = 42-43 mit Anm. 71) oder auf andere Lesarten hinweist (4,73 = 54-55 mit Anm. 100). Gut sind die zurückhaltenden Folgerungen aus der Tatsache, dass eine teilweise als unecht geltende Passage Gregors in 5,26 (106-107 mit Anm. 43) auftaucht. Sprachgeschichtlich interessant sind etwa seltene Begriffe (4,21 = 18-19 mit Anm. 29; 4,35 = 26-27 mit Anm. 42; 5,1 = 86-87 mit Anm. 5) und die Bemerkung zu tyrannos 5,23 (104-105).

4,32 (24-25 mit Anm. 38, wo die PLRE nicht genannt wird) werden der praefectus Orientis Magnentius und der quaestor Magnus als Opfer des Gallus genannt, doch heißt ersterer korrekt Domitianus. Eine genaue Prüfung der Überlieferung könnte vielleicht die Ursache des Irrtums ermitteln. Eine simple Verwechslung mit dem Usurpator Magnentius liegt nahe, aber auch eine Vermengung der beiden Namen des quaestor (Montius Magnus) oder ein Einfluss des vollen Namens des Usurpators (Magnus Magnentius) wäre möglich.

4,67 (50-51 mit Anm. 91) und 4,68 (50-51) bemerkt Basilios, dass Libanios, von Hesiod inspiert, in der Rede für Julian dessen Regierung als goldenes Zeitalter verherrliche, wofür Rioual das Fehlen von Belegen vermerkt und so auf die allgemeine Darstellung bei Libanios verweist. Hier ließe sich ergänzen, dass Hesiods Name in zwei unter Julian gehaltenen Reden des Libanios (14,31; 16,46; ohne namentliche Nennung 16,50) auftaucht.

4,94 (66-67 mit Anm. 135) nennt als Christenverfolger Diokletian, Maximinus und Maximus, wobei es sich mit Blick auf die Vorlage Gregor (4,96) um Maximianus (eher Galerius als Herculius) und Maximinus Daia handeln müsste. Laut Basilios ist jedoch Maximus der letzte der drei, dessen deformierter Körper zudem auf den Porträts zu erkennen sei (was bei Gregor, auf den er sich dafür beruft, fehlt). Denkbar wäre, dass eine griechische Fassung der Passage bei Eutropius über das Aussehen des Herculius (9,27,1) in Verbindung mit einer chronikalischen Tradition wie bei Malalas (der Perioden des Mehrkaisertums als einander folgende Regierungen der einzelnen Kaiser ansieht und zudem Herculius, Galerius und Maxentius vermengt) die Angabe erklärt.

Die zu 5,24 (104-107 mit Anm. 38) geäußerte Vermutung, Basilios könnte Ammianus oder vielmehr Eunapios oder Johannes Antiochenus gelesen haben, ist schon deshalb problematisch, da es keine weiteren Parallelen gibt. Zudem bleibt die einzige (über die Befürchtungen der Perser) allgemein und wird eher eine auf Basis von Gregor vollzogene Umdeutung von Libanios (18,268; 18,276; 24,5) sein. Gegen Johannes Antiochenus als Quelle spricht zudem, dass die einzige mögliche Anspielung (79, Anm. 161) auf den in seiner Einordnung problematischen salmasischen Johannes zurückgeht. Für eine Herkunft aus Eunapios könnte man lediglich das vage Indiz anführen, dass dieser Autor in die konstantinische Exzerptsammlung aufgenommen wurde und somit Basilios bekannt gewesen sein könnte.

Ein negatives Ergebnis folgt aus 5,27 (108-109) über das Begräbnis Julians in Tarsos. Da Basilios nicht auf das Grab des Maximinus Daia, den er 4,94 (66-67) erwähnt, hinweist, ist anzunehmen, dass er das Werk des Philostorgios, der die Parallele hervorhebt, nicht gelesen hat.

Eine eingehendere Untersuchung dürfte 5,14 (98-99) erfordern, wonach die Unfähigkeit von Carus und Valerianus das Scheitern ihrer Perserzüge und ihren Tod bedeutete, was bei Carus im Gegensatz zur antiken Tradition steht. Hier ist der Einfluss einer Tradition um Malalas, dessen Bericht (12,34-36) einige Notizen bietet, auf denen solche Behauptungen aufbauen könnten, denkbar.

Erwähnenswert ist noch 4,73 (54-57 mit Anm. 102-103, wo aber die neuere Spezialforschung fehlt), eine der wenigen Erwähnungen der Stiermünzen Julians. 4,86 (62-63) demonstriert, wie sich das Ansehen von Herodot und Thukydides von Gregor bis Basilios gewandelt hat.

Anlass zu wesentlicher Kritik ergab sich nicht. Die möglichen Literaturergänzungen sind minimal [2], die wenigen Anmerkungen eher Verbesserungsvorschläge als Korrekturen [3] und bedeutungslose Kleinigkeiten gegenüber der gelungenen Editionsleistung, die dadurch noch gesteigert wird, dass es sich um die Dissertation Riouals handelt. [4] Deren Auszeichnung mit dem Preis der Classical Association of Canada [5] ist verdient und man erwartet mit Interesse den zweiten Teil ihrer Studien, der im Verlauf des Jahres 2021 ebenfalls bei Brepols erscheinen soll.


Anmerkungen:

[1] Zu den Randscholien des Basilios Monachos zu Zosimos (XVIII, Anm. 51) siehe noch Anthony Kaldellis, Byzantine readings of ancient historians, London 2015, 47-64 (insbesondere 50-53 mit 63-64, Anm. 13-18).

[2] Zwei nützliche Werke fehlen: Stefano Trovato, Antieroe dai molti volti. Giuliano l'Apostata mel Medioevo bizantino, Udine 2014; Marie-Madeleine Hauser-Meury, Prosopographie zu den Schriften Gregors von Nazianz, Bonn 1960. Nicht zitiert, aber in der Dissertation (Anm. 4) erfasst ist Friedhelm Lefherz, Studien zu Gregor von Nazianz, Diss. Bonn 1957 (zu Basilios 137-138 mit 250, Anm. 19-22). Zu Constantius II. bei Gregor von Nazianz (9, Anm. 9) wäre jetzt auf Notker Baumann, Götter in Gottes Hand. Die Darstellung zeitgenössischer Kaiser bei Gregor von Nazianz, Münster 2018, 21-102 zu verweisen und der 93, Anm. 14 zitierte Aufsatz von Sebastian Brock findet sich auch in seinen Syriac perspectives on late antiquity, London 1984, Nr. X.

[3] Zu bemerken ist lediglich, dass Julians Schulgesetz keinen Ausschluss christlicher Kinder vom Unterricht bedeutete (so aber XXXII) und dass der Querverweis 81, Anm. 162 sich auf 4,74 (nicht 4,79) bezieht. Weitere Druckfehler: L, Anm. 194 "Lampros" (Lambros) und 59, Anm. 110 "Kurman" (Kurmann). Korrekt, aber falsch im Quellenregister (166) eingeordnet ist Soz. 5,2,10. Im Personenregister hätte noch vermerkt werden können, dass Sokrates (151) den Philosophen, nicht den Kirchenhistoriker meint. Allgemein hätte es die Nützlichkeit der Register erhöht, wenn noch die Seite und eventuell die Anmerkung vermerkt worden wäre; zudem wäre im Quellenregister zu unterscheiden gewesen, ob Basilios oder erst der moderne Kommentar auf eine Passage verweist. Stellenweise ist die Zitation von Quellen unnötig umständlich, da für die Ausgaben byzantinischer Historiker eine übermäßig lange Form (etwa XII, Anm. 29 und öfter) und für die Reden von Julian (23, Anm. 34; 162-163) und Themistios (51, Anm. 90; 167), nicht aber die des Libanios (163), der Titel statt der üblichen Nummerierung verwendet wird. Ein neuer Höhepunkt sonderbarer Worttrennungen durch Textverarbeitungsprogramme ist: "Sch-midt" (XXIV, Anm. 75).

[4] Lire Grégoire de Nazianze à l'époque byzantine. Édition critique, traduction et analyse des Commentaires de Basile le Minime aux Discours 4 et 5 de Grégoire de Nazianze, Diss. Université Laval (Québec) und Université de Fribourg 2017 (online unter https://corpus.ulaval.ca/jspui/bitstream/20.500.11794/28347/1/33290.pdf). Weitere Publikationen: XIV, Anm. 36 und LXXVIII.

[5] https://www.corpuschristianorum.org/post/2019/05/20/dr-ga%C3%ABlle-rioual-awarded-cac-prize-for-best-phd-dissertation.

Raphael Brendel