sehepunkte 21 (2021), Nr. 7/8

Pat Wheatley / Charlotte Dunn: Demetrius the Besieger

Biografische Werke über hellenistische Könige sind zahlreich in der modernen Forschung. Durch diese Biografien kann man Schlussfolgerungen über verschiedene Aspekte der hellenistischen Monarchie und des hellenistischen Staatswesens ziehen, Phänomene interpretieren und Parallelen ziehen. Demetrios Poliorketes, einer der ersten hellenistischen Herrscher, der gleichzeitig als einer der Diadochoi und der erste der Epigonoi betrachtet werden kann, war zweifelsohne ein bedeutender Akteur in der Entwicklung des hellenistischen Königtums nach dem Tod Alexanders des Großen. Deshalb waren frühere Untersuchungen über seine Person - wie der entsprechende Abschnitt von Claude Wehrli [1] - wegweisend für die Forschung. Aspekte wie die Entstehung der hellenistischen Monarchie, die hellenistischen Herrscherkulte, die Beziehungen zwischen König und Polis, die Einführung der Porträts lebendiger Herrscher auf Münzen, militärische Entwicklungen in der Flotte und der Belagerungsführung sowie viele andere Themen, sind Bereiche, in denen Demetrios einen tiefen Eindruck hinterließ.

Aber wie die beiden Autoren der vorliegenden Arbeit in ihrer Einleitung angemerkt haben, gab es bisher keinerlei neuere ausführliche und umfassende Biografie ausschließlich über Demetrios Poliorketes (3-4). Mit Recht kann man zustimmen, dass die zeitlich letzte Biografie mit einem Fokus auf dem Leben des Demetrios von Eugenio Manni [2] veraltet ist und eine neue Monografie für die Forschung notwendig war. Eine Untersuchung der Lebensereignisse und des Einflusses des Demetrios ist außerdem bislang nur teilweise erfolgt, durch die Untersuchungen über das Leben seines Vaters Antigonos Monophthalmos [3] und seines Sohnes Antigonos Gonatas. [4]

Die beiden australischen Forscher verfolgen mit ihrem Buch, das eine überarbeitete und kombinierte Version ihrer beiden Dissertationen ist, das Ziel, diese Forschungslücke zu schließen. Die Dissertation von Pat Wheatley von der University of Western Australia (1998) bezieht sich auf das Leben des Demetrios bis 306 v. Chr. und die Dissertation von Charlotte Dunn [5] behandelt die Jahre nach 301 v. Chr. bis zum Tod des Demetrios.

Wenn man sich mit hellenistischer Geschichte beschäftigt, besteht das Hauptproblem darin, dass die Quellenlage äußerst fragmentarisch, verworren und unzuverlässig ist. Wegen der politischen Polarisierung jener Zeit ist sie zudem bisweilen widersprüchlich. Seit dem 19. Jh. hat eine komplizierte Rekonstruktion mit zahlreichen chronologischen Querverbindungen und Vermutungen stattgefunden, die oft nur schwer nachvollziehbar sind. Die Autoren geben eine treffende Beschreibung ab, wenn sie diesen enormen Aufwand bezüglich der Biografie des Poliorketes als "Tolkienian quest" (vii) bezeichnen.

Anders als bei den meisten Königen verfügt die Forschung im Falle des Demetrios über eine umfangreiche literarische Quelle, nämlich die von Plutarch verfasste Biografie. Die Problematik besteht aber darin, dass die Darstellung des Demetrios bei Plutarch eher einer Konstruktion um die entsprechende Moralstudie Plutarchs über Staatsmänner folgt als einer kohärenten Beschreibung der Ereignisse (5-7). Zudem ist der Demetrios Plutarchs durch die Analogie mit Marcus Antonius teilweise als ein philosophisches Konzept zu verstehen. Die Autoren erkennen dieses Problem und versuchen durchaus, sich in ihrem Buch von diesem Bild zu befreien und durch die Analyse der freundlich und feindlich gesinnten Quellen über Demetrios die tatsächliche historische Person zu untersuchen. Die Autoren leisten eine ausgezeichnete Arbeit in ihrem Versuch, durch das Labyrinth der zahlreichen Fragmente und verstreuten Quellen (Diodoros, Iustinus, Athenaios, Inschriften, Münzen, u.a) zu navigieren und das Material zu entschlüsseln (ein Beispiel dieser Arbeit bieten die 65-68).

Das Buch besteht aus 28 Kapiteln, die das Leben des Demetrios chronologisch darstellen. Die Kapitel 1-16 beschäftigen mit der Zeit des Demetrios im Schatten seines Vaters, Antigonos Monophthalmos, und die Kapitel 17-27 enthalten seine Zeit als Alleinherrscher. Die Autoren bieten einen kohärenten und plausiblen Bericht, der das Leben des Demetrios rekonstruiert. Sie versuchen, mehrere chronologische und geografische Details zu bestimmen und bieten ausführliche bibliografische Referenzen in den Fußnoten an. Das ist auch einer der großen Vorteile des Buches. Dass die Autoren sich mit diesen Themen intensiv beschäftigt haben, bestätigen auch die 23 Aufsätze, die beide publiziert und im Literaturverzeichnis aufgeführt haben.

Zusammenfassend unterstützen die Autoren für die Jahre 322-310 argumentativ die sogenannte "High Chronology" (Kapitel 4: Demetrius in Syria 315-312 BC; Kapitel 5: The Battle of Gaza, Kapitel 6: The Aftermath of Gaza, Kapitel 7: Demetrius in Babylonia). Die Autoren sprechen sich somit gegen die Datierung von Edward M. Anson [6] aus. Aspekte der hellenistischen Kriegsführung sind in Kapitel 4 über die Schlacht von Gaza und besonders in Kapitel 13 über die Belagerung von Rhodos untersucht worden. Die Autoren lehnen in diesem Zusammenhang Interpretationen ab, die den Beinamen Poliorketes (Belagerer) als eine Art von Spottruf gegen Demetrius auffassen, da Demetrius nie Rhodos eingenommen hat (150, 191).

Die Aufenthalte des Demetrios in Athen und die dazugehörenden Ehrungen, die ihm Athen zukommen ließ, ist eine weitere wichtige und gut dokumentierte Etappe im Leben dieses Königs, die ein Schlaglicht auf viele Aspekte wirft. Einerseits erlauben diese Ereignisse Einblicke in die Entwicklung des hellenistischen Königtums, nicht nur im Bereich der nach den Autoren mehr politisch als religiös motivierten Vergöttlichung der Könige (Kapitel 15: The Mysteries and the League; Kapitel 19: Demetrius and Athens. Again; Kapitel 22: Demetrius the Living God), sondern auch in die Beziehungen zwischen dem hellenistischen König und der Polis. Andererseits ist diese Phase seines Lebens besonders zentral für das Verständnis der Psychologie und Mentalität des Demetrios selbst. Zudem legen die Autoren besonderen Wert auf die Frauen im Leben des Demetrios, Phila (29-34, 329, 388-391) und Lamia (163-171).

Ein Schlusskapitel (Conclusion, 437-439) zieht eine kurze Zusammenfassung, in der die Autoren eine Beurteilung des Vermächtnisses des Demetrios abgeben. Leider ist diese Zusammenfassung die einzige problematische Stelle des Buches, die seinem Wert nicht genüge tut und mehr als eine Art Epilog denn als ein Schlussfolgerungskapitel fungiert. Ein ausführlicherer Überblick über alle Ansätze, die in den vorausgegangenen Kapiteln intensiv untersucht wurden, wäre hier möglich gewesen, um eine umfassende Beurteilung der Laufbahn und Herrschaft des Demetrios abzugeben. Bezüglich der Kriegsführung hätte beispielsweise darauf hingewiesen werden können, dass Demetrios für die problematische und erratische Kriegsführung der antigonidischen Faktion vor 301 v. Chr. nicht verantwortlich war und er nicht die alleinige Schuld für seine zahlreichen, unbeendeten und unkonzentrierten Unternehmungen, wie in Babylonien und in Griechenland, trägt, da die Entscheidungen in den Händen des Monophthalmos lagen. Seine einerseits bemerkenswerten aber anderseits auch problematischen Leistungen nach dem Tod des Vaters heben seine tatsächlichen Führungsqualitäten besser hervor, die die Autoren generell positiv bewerten.

Es folgen ein Appendix über die Entstehung und das Schicksal des Kolosses von Rhodos (443-448) und eine chronologische Liste von Lebensereignissen des Demetrios Poliorketes (449-451), wie sie die Autoren rekonstruiert haben. Eine umfangreiche Bibliografie und ein Index runden das Werk ab. Sehr positiv ist auch der Schriftstil der Autoren, der die Lektüre der schwierigen chronologischen Debatten deutlich vereinfacht.

Alles in allem wird die Arbeit von Wheatley und Dunn für Wissenschaftler und Studierende, die sich mit der hellenistischen Geschichte und den Antigoniden beschäftigen, von höchstem Interesse sein und verdient besondere Anerkennung.


Anmerkungen:

[1] Claude Wehrli: Antigone et Démétrios, Genève 1968.

[2] Eugenio Manni: Demetrio Poliorcete, Roma 1951.

[3] Siehe: Richard A. Billows: Antigonos the One-Eyed and the Creation of the Hellenistic State, Berkeley / Los Angeles / Oxford 1990 und das oben genannte Buch von Wehrli.

[4] William W. Tarn: Antigonus Gonatas, Oxford 1913; leider noch nicht befriedigend in der neueren Forschung ersetzt.

[5] Charlotte M. R. Dunn: Conquest, Kingship, Calamity: Demetrius Poliorketes After Ipsus, University of Otago 2017.

[6] Edward M. Anson: The Dating of Perdiccas' Death and the Assembly at Triparadeisus, in: Greek, Roman, and Byzantine Studies 43 (2002), Nr. 3, 373-390.

Rezension über:

Pat Wheatley / Charlotte Dunn: Demetrius the Besieger, Oxford: Oxford University Press 2020, XII + 496 S., 16 s/w-Abb., 7 Kt., ISBN 978-0-19-883604-9, GBP 100,00

Rezension von:
Charalampos Chrysafis
Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Augsburg
Empfohlene Zitierweise:
Charalampos Chrysafis: Rezension von: Pat Wheatley / Charlotte Dunn: Demetrius the Besieger, Oxford: Oxford University Press 2020, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 7/8 [15.07.2021], URL: https://www.sehepunkte.de/2021/07/34561.html


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