Die Reihe, in der die hier vorgestellte Studie publiziert wurde, dürfte auch fachlich Interessierten nicht unbedingt bekannt sein. Sie wird von Eberhard Krüger seit 1988 in loser Reihenfolge herausgegeben und umfasst Themen zur neueren und Zeitgeschichte, sowie zu sozialen und agrarwirtschaftlichen Themen.
Von der äußeren Erscheinung - einer im Copyshop gebundenen Magisterarbeit nicht unähnlich, in gelben Kartons immerhin fadengeheftet, aber mit der Schreibmaschine getippt - sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn das Thema "Regionalforschung" wird ja nicht häufig in der Iranistik behandelt. Zuerst muss man mit Krüger fragen, wo sonst in der Region es eine florierende Regionalforschung gibt (1), d.h. die Beschäftigung mit verschiedenen, unten noch spezifizierten Themen regionaler Bedeutung oder aber regionaler Provenienz. Krüger hat nun 22 iranische Zeitschriften, die sich mit Regionalforschung befassen, beginnend mit den 1980er Jahren und endend in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts zusammengetragen und kommentiert. Er verweist im Vorwort zum einen auf die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Zeitschriften, die jedem, der Ähnliches versucht hat, nur zu vertraut sein dürften, und zum anderen auf die Problematik der universitären Situation, die die Abfassung seiner Arbeit wie auch die Herausgabe der Reihe überhaupt erschwert habe und erschwere. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass die untersuchten Zeitschriften nicht vollständig vorliegen.
Bei einer annotierten und kommentierten Bibliographie - als solche kann die vorliegende Arbeit bezeichnet werden - ist die Vorgehensweise notwendig selektiv; umso mehr trifft dies natürlich auf eine Rezension derselben zu. Trotzdem. Worum geht es bei den Zeitschriften? Zuerst bleibt festzuhalten, dass die meisten Zeitschriften von offizieller Seite - in knapp der Hälfte der Fälle vom "Ministerium für Islamische Rechtleitung" (Vezārat-e Eršād-e Eslāmī) - herausgegeben werden. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass diese uninteressanter als die anderen sein müssten. So vermittelt beispielsweise die ebenfalls unter ministerieller Ägide publizierte Zeitschrift "Farhang-e Bām-e īrān" (Kultur des Daches Irans) durchaus interessante Aspekte der neu geschaffenen Provinz Čahār Maḥāll va Baḫtīyārī, wie die Rolle der Nomadenföderation der Baḫtīyāren, die in dieser Provinz natürlich eine wichtige Rolle spielen, religiöse Traditionen derselben, sowie ihre materielle Kultur. Auch baugeschichtlich interessante Denkmäler werden beschrieben, ebenso wie verschiedene lokale Größen; Gegenwartsprobleme wie Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Familienfragen bleiben nicht außen vor (124-127). Wie diese Themen zeigen, sind derartige lokale Zeitschriften durchaus als Quelle für iranbezogene Studien zu verwerten, obwohl selbstverständlich auch Themen behandelt werden, die nur für die lokale Leserschaft interessant sein dürften.
Hervorzuheben sind die auch international nicht unbekannten "Geographischen Forschungen" (Taḥqīqāt-e Ǧoġrāfīyāʾī), sie werden von Krüger nicht zu Unrecht am ausführlichsten behandelt (12-50), denn sie sind die wohl wichtigste geographische Zeitschrift Irans, in der auch regionale Themen behandelt werden. Wichtige Themen hierbei: Wirtschaftsgeographie, Agrarwirtschaft und Viehzucht, Wasserwirtschaft, Umweltschutz und vieles mehr. Fast willkürlich herausgegriffen als Beispiel einer privaten initiierten Zeitschrift: "Gīlān Zamīn" (Gīlānland), die in der Stadt Rašt in der Nähe des Kaspischen Meers entsteht (88-91). Derartige Zeitschriften brauchen selbstverständlich eine Leserschaft, deshalb werden auch allgemeine kulturelle Themen wie Musik und Dichtung, die mit der Region nichts zu tun haben, behandelt. Dieses Problem stellt sich für alle einschlägigen Periodika, die nicht von staatlichen Institutionen gefördert werden, und die Grenzen zwischen "Kulturzeitschrift" und "Zeitschrift für Regionalforschung" ist mithin oft fließend. Immerhin, auch in "Gīlān Zamīn" werden Themen wie die Bedeutung der Frauen für die Landwirtschaft, Regenbeschwörungen, Hochzeitsbräuche und weiteres dargelegt.
Zum Abschluss diskutiert Krüger sozusagen als Kontrast noch "Kunst und Volk" (Honar va Mardom, 133-138), eine Zeitschrift, die in der Schahzeit unter der Ägide des Kulturministeriums erschien (und 2003 in Teheran eine Wiederbelebung erfuhr, allerdings ist der Titel natürlich sehr nahe liegend) und ebenfalls regionale Themen behandelte.
Im Anhang werden schließlich noch 62 "Forschungsstätten Islamischer Wissenschaften in Qum [sic]" aufgelistet, die Krüger aus einer Publikation "Führer der Forschungseinrichtungen der Islamischen Wissenschaften", die leider nicht weiter bibliographisch spezifiziert wird, entnommen, übersetzt sowie mit einem längeren Vorwort versehen hat. Diese beeindruckende Liste zeigt, dass in Qom erhebliche Aktivitäten entfaltet werden; allerdings zieht Krüger das Resümee, dass die dort Beschäftigten vom Personal der iranischen Universitäten abgetrennt seien und die Einrichtungen im wesentlichen als Versorgungsunternehmen dienten (153).
Krüger bietet in seiner annotierten Bibliographie Einblicke in eine Form zeitgenössischer iranischer Forschung, die gemeinhin nicht wahrgenommen wird und, wie eingangs angedeutet, allgemein wenig präsent ist. Man kann sich wohl die Frage stellen, ob die Beschäftigung mit den in diesen Zeitschriften behandelten Themen nicht neue, unbekannte Aspekte der Gesellschaft Irans eröffnet. Jedenfalls dürfte die Sammlung der Zeitschriften im Münchener "Institut für Geschichte und Kultur des Nahen Orients" deutschlandweit ziemlich einzigartig sein, und auch im "RLG Union Catalog" sind nur sehr wenige der von Krüger vorgestellten Zeitschriften zu finden. Interessierte sollten ihn nach dem Preis seiner Bibliographie fragen.
Eberhard Krüger: Regionalforschung im Iran. Periodika: Ein Literatur- und Kulturbericht (= Münchner Materialien und Mitteilungen zur Irankunde; Bd. 7), Bielefeld: Two-Step Communications 2006, 164 S., ISSN 0935-9796
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