Diese Düsseldorfer Dissertation hat sich das Ziel gesetzt, anhand von einem Dutzend sehr bekannter und in der historischen wie kunsthistorischen Forschung vielfach behandelter Bilddarstellungen des 11. und 12. Jahrhunderts einen grundsätzlichen Wandel in der Darstellungsweise von Herrscherbildern aufzuzeigen, den man knapp als "Profanisierung der Bildthemen" (so der ursprüngliche Titel der Arbeit) benennen kann. Diesen Versuch unternimmt sie in drei Etappen: Die erste betrachtet Herrscherbilder in liturgischen Handschriften der spätottonisch-frühsalischen Epoche, die zweite den Teppich von Bayeux, die dritte ausgewählte Chronikillustrationen des 12. Jahrhunderts.
So vielversprechend das Vorhaben auf den ersten Blick erscheint, die Durchführung ist doch wenig überzeugend. Zunächst zu Äußerlichkeiten: Die Darlegungen des Autors sind voller überflüssiger Wiederholungen und sprachlicher Eigenwilligkeiten, die bei der Lektüre recht störend wirken. Eine Quellenangabe wie "Gregorii I. Registri, ed. Ludwig M. HARTMANN (MGH Epp. Greg. 2, Berlin 1957)" im Literaturverzeichnis (370), in der allein sich mindestens vier Fehler finden, dürfte niemals so stehen bleiben, und auch andere bibliographische Angaben sollte man nicht ungeprüft übernehmen. Man mag solche Einwände als kleinlich abtun, aber erfahrungsgemäß lässt ein schlechter äußerer Eindruck auch auf inhaltliche Mängel schließen.
So auch in diesem Fall: Die Behandlung der ottonisch-salischen Herrscherbilder erschöpft sich letztlich in einer Zusammenstellung von verschiedenen Meinungen der bisherigen Literatur zum Thema, mit dem keineswegs neuen Ergebnis, dass diese Darstellungen zwar von manchen modernen Historikern auf bestimmte historische Ereignisse (sprich: Krönungen) bezogen wurden, im Grunde aber gerade keine Historienbilder sind. Die Erzählung des Teppichs von Bayeux wird mit anderen Quellen zu den Ereignissen von 1066 verglichen, was zu der wenig überraschenden Erkenntnis führt, dass hier ein tatsächliches historisches Geschehen geschildert wird, wobei aber auch diese Darstellung, ebenso wie die anderen, unvollständig und parteiisch ist. Im dritten Teil wendet der Autor viel Mühe auf, um nachzuweisen, dass die von ihm (ohne erkennbares Prinzip) ausgewählten Illustrationen von Geschichtswerken des 12. Jahrhunderts bestimmte historische Personen in bestimmten historischen Situationen darstellen - als ob das in diesen Fällen irgendwer bezweifelt hätte. Und der dazu begangene methodische Weg der "codeximmanenten Bestimmung" (337 f. u. ö.) heißt letztlich nicht mehr, als den zum Bild gehörigen Text in der jeweiligen Handschrift zu lesen. Die Qualität der beigefügten Abbildungen ist übrigens so erbärmlich, dass man die zugehörigen Beschreibungen und Interpretationen teilweise gar nicht nachvollziehen kann, doch wird man das kaum dem Autor anlasten.
Die größten Bedenken stellen sich jedoch ein, wenn man die Auswahl der behandelten Bilder betrachtet. Ist es sinnvoll, den Teppich von Bayeux, auf dem "626 Menschen, 190 Pferde, 35 Hunde, 37 Schiffe, 33 Gebäude sowie 37 Bäume oder Baumgruppen" (141 f.) dargestellt sind, mit dem Bild eines einsam thronenden Königs im etwa gleichzeitigen Schaffhauser Pontifikale (Abb. 7b) unter derselben Kategorie zusammenzufassen? Ist jedes Bild, in dem (auch) ein Herrscher vorkommt, schon ein Herrscherbild? Wenn man aber einen so weit gefassten Begriff des Herrscherbilds akzeptiert, dann kommt man zwangsläufig auf einen viel wichtigeren Einwand: Neben den relativ wenigen vom Autor gewürdigten Bildern gibt es schließlich zahlreiche andere, die dem postulierten Entwicklungsmuster keineswegs entsprechen. Schon die vom Autor selbst herangezogenen Handschriften bieten Beispiele für "unhistorische" Herrscherbilder noch im 12. Jahrhundert, ebenso wie das gängige, auch von ihm benutzte Standardwerk zu den "Kaisern und Königen in Bildern ihrer Zeit" [1]. Für spätere Jahrhunderte gilt das genauso.
Umgekehrt gibt es auch schon in der vorausgehenden Zeit Darstellungen, die der vom Autor gegebenen Definition eines Historienbildes, das sich auf ein bestimmtes, genau datierbares historisches Ereignis bezieht, durchaus entsprechen. Man denke nur an die Prachtevangeliare aus Echternach oder der Reichenau, die Begebenheiten aus dem Leben Jesu schildern - nach damaligem Verständnis sehr wohl historische und oft auch auf den Tag genau datierbare Vorgänge. Wer ein wenig sucht, findet darin sogar Herrscher in bestimmten historischen Situationen abgebildet, etwa Herodes beim Kindermord von Bethlehem. Und wenn der Autor das Krönungsbild im erwähnten Schaffhauser Pontifikale ausdrücklich einer bereits fortgeschritteneren Entwicklungsstufe der Historisierung zuordnen will (121, 137, 348), dann übersieht er, dass ein ganz ähnlicher Bildtypus schon 100 Jahre vorher im Sakramentar von Ivrea vorhanden ist [2]. Warum werden derlei Darstellungen völlig ignoriert? Vielleicht gibt es dafür tatsächlich Gründe, doch würde sie der Leser dann gerne erfahren. So aber scheint es, dass sie dem Autor einfach nicht in sein Konzept passen, ebenso wenig wie die jüngeren nicht-historischen Herrscherbilder. Unter der Hand gibt er das wohl selber zu, wenn er am Ende seiner Ausführungen schreibt: "Damit erfüllen die Buchmalereien den Hauptzweck für diese Dissertation, der darin besteht, aufzuzeigen, dass sich die im frühen Hochmittelalter vollzogene Historisierung der Herrscherbilder empirisch darstellen und belegen lässt" (342 f.). Kurzum: Die Auswahl der Quellen erscheint insgesamt allzu zweckgerichtet und letztlich alles andere als repräsentativ.
Der Autor ist mit der von ihm postulierten "Historisierung der Herrscherbilder" in seiner Arbeit vielmehr einigen anderen Phänomenen auf die Spur gekommen, anscheinend ohne es so recht zu bemerken. Zum einen ist der Wechsel der Gattungen viel stärker zu berücksichtigen. Natürlich kann man von einer Chronikillustration viel eher als von einem liturgischen Prachtcodex erwarten, dass darin vorkommende Herrscher in historischen Situationen abgebildet werden. Zweitens wäre da ein Vorgang, den man als die "Entstehung des Ereignisbildes" benannt hat - in einem Beitrag, der im vorliegenden Buch bezeichnenderweise nirgends erwähnt wird [3]. Es ist anscheinend überhaupt ein neuer Bildtyp, der im Lauf des 11. und 12. Jahrhunderts entsteht; eine Entwicklung, von der zwangsläufig auch die Herrscherdarstellungen erfasst werden. Beide Phänomene hängen wohl mit einem dritten zusammen, das der Autor in einem Ausblick noch kurz andeutet, das aber nicht nur in der "Entsakralisierung der Memorialkultur" (363) besteht, sondern in einem grundlegenden geistesgeschichtlichen Wandel, den man gemeinhin als eine zunehmende Rationalisierung der Weltwahrnehmung beschreibt.
So bringt die Lektüre des Buchs insgesamt nur einen sehr bescheidenen Gewinn. Am ehesten von Nutzen sind darin noch die Zusammenfassungen der bisherigen Forschungsmeinungen und die Interpretationen der einzelnen Bilder, beides aber gerade nicht wegen eventueller origineller Gedanken, sondern als Erschließungshilfe zur bisherigen Literatur. Das jedoch kann eigentlich nicht die Aufgabe einer wissenschaftlichen Qualifikationsschrift sein.
Anmerkungen:
[1] Percy Ernst Schramm / Florentine Mütherich: Die deutschen Kaiser und König in Bildern ihrer Zeit 751-1190, München, 2. Aufl., 1983.
[2] Schramm / Mütherich Nr. 108.
[3] Claudia Annette Meier: Chronikillustrationen im hohen Mittelalter: zur Entstehung des Ereignisbildes im Bild-Text-Bezug, in: Hochmittelalterliches Geschichtsbewußtsein im Spiegel nichthistoriographischer Quellen, hg. von Hans-Werner Goetz, Berlin 1998, 357-375; vgl. jetzt auch dies.: Chronicon Pictum. Von den Anfängen der Chronikenillustration zu den narrativen Bilderzyklen in den Weltchroniken des hohen Mittelalters, Mainz 2005.
Benjamin Bussmann: Die Historisierung der Herrscherbilder. ca. 1000-1200 (= Europäische Geschichtsdarstellungen; Bd. 13), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, 394 S., ISBN 978-3-412-35705-4, EUR 54,90
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