Um seine Herrschaft auf Dauer zu erhalten, durfte ein römischer Kaiser sich nicht nur auf militärischen und sonstigen Zwang stützen, sondern musste die Unterstützung durch die Eliten in der Hauptstadt und vor allem in den einzelnen Provinzen gewinnen. Die Kommunikation zwischen Kaiser und Eliten steht daher im Zentrum gegenwärtiger Forschungen zur römischen Kaiserzeit. Im Kontext dieser Forschungen hat Christian Ronning ein intelligentes und weiterführendes Buch zur lateinischen Panegyrik vorgelegt. Die Auswahl der von ihm untersuchten Texte aus traianischer und konstantinischer Zeit folgt gewissermaßen dem Modell der spätantiken Auswahlsammlung der gallischen Panegyrici latini, die dem Panegyricus des Plinius als programmatischem Grundmodell Reden aus tetrarchisch-konstantinscher Zeit gegenüberstellte. Dass Ronning sich bei letzteren auf zwei konstantinsche panegyrische Reden, nämlich Paneg. Lat. V aus dem Jahre 311 und Paneg. Lat. XII aus dem Jahre 313, beschränkt, liegt daran, dass gerade zu diesen beiden Reden detaillierte Untersuchungen bisher fehlen, und ist schon angesichts des gewählten methodischen Vorgehens einer detaillierten Analyse geboten. Beide Reden behandeln einen kaiserlichen Adventus, so dass sich interessante Bezüge herstellen lassen. Zusammenhänge zwischen diesen Reden und dem übrigen Corpus der lateinischen Panegyriker werden dabei stets berücksichtigt, besonders deutlich etwa im Abgleich der Aussagen des Redners von 313 mit dem Panegyricus des Nazarius aus dem Jahre 321, während Bezüge zum Osten etwas sparsamer, vor allem aber in den einleitenden Bemerkungen zu Dio von Prusa und zu den Vorschriften Menander Rhetors berücksichtigt werden. Ronning beschreibt ausführlich den Weg des panegyrischen Genres in der lateinischen Rhetorik bis zu Plinius und geht nach seiner Behandlung des Panegyricus des Plinius in einer detaillierten Überleitung ausführlich auf die Redner der tetrarchischen und konstantinschen Zeit ein. Vor allem würdigt er die sozialgeschichtlich, für die Beziehung zwischen provinzialen Eliten und einem in die Provinz verlegten tetrarchischen Kaiserhof so aufschlussreiche Figur des Eumenius. Insofern sind die Einzelanalysen der drei ausgesuchten Reden in eine chronologisch und vor allem systematisch gut abgerundete Darstellung des Genres eingefügt.
Die Leistung des Plinius sieht Ronning unter anderem darin, dass ihm statt einer einfachen Dankesrede durch verschiedene Mittel wie etwa der grundsätzlichen Kritik an der Aufrichtigkeit von Herrscherlob eine programmatische Neudefinition des Verhältnisses zwischen Kaiser und dem Senat gelungen sei. Durch diese Neudefinition konnte Plinius ein Modell entwickeln, das einem Senator die Wahrung der eigenen Position und Würde erlaubte. Den gallischen Panegyrikern ging es dagegen eher um die Formulierung ungleich konkreterer Forderungen nach Unterstützung für den von ihnen vertretenen Interessentenkreis. Besonders deutlich ist dies für die V. (VIII.) Rede, bei der das Wohl von Augustodunum im Vordergrund steht. Regionalen gallischen Interessen dient auch der XII. (IX.) Panegyrikus von 313, der vor dem Hintergrund einer drohenden Verlegung des Interessenschwerpunktes vom Rhein nach Rom abgehalten wurde und aus diesem Grund die kurzfristige Rückkehr des Kaisers nach Trier im August 313 enthusiastisch begrüßt.
Bei der Analyse dieses Redners von 313, der als ein unmittelbar nach der Schlacht an der Milvischen Brücke verfasster Text einen einmaligen, aus gallischer Perspektive gegebenen Blick auf die Politik Konstantins erlaubt, gelingen Ronning wichtige Beobachtungen. Er zeigt souverän wie dieser anonyme Beobachter Anregungen aus der unmittelbaren Umgebung Konstantins aufgegriffen und mit der Formulierung eigener Ansprüche verbunden hat. Im Einzelnen erweist sich, dass die im Zusammenhang mit der Religionspolitik von 312 diskutierten einschlägigen Passagen des Textes sich durchaus besser verstehen lassen, wenn man sie aus den rhetorischen Kommunikationsstrategien heraus erklärt und nicht etwa als eine verlegene Stellungnahme zu einer (aufgrund unseres wirklichen oder vermeintlichen Wissens von der religionspolitischen Wende von 312 stets in den Vordergrund gestellten) wie auch immer gearteten Hinwendung Konstantins zum Christentum. Wenn der Panegyriker beispielsweise die engsten Beziehungen aufzeigt, die Konstantin unter Umgehung des sonst für die Vermittlung zwischen Jenseits und Diesseits zuständigen "Fachpersonals" - wie der Spezialisten für die Haruspizin - mit dem "höchsten Gott" verbinden, dann übernimmt der Redner die Selbstdeutung des Kaisers als ein übermenschliches, mit dem Jenseits direkt kommunizierendes Wesen, und zwar deshalb, weil diese Sicht der Dinge der provinzialen Perspektive durchaus entgegenkommen konnte. In dieser wurden die oft angreifbaren Mittelinstanzen für eventuelle Dysfunktionalitäten des Systems verantwortlich gemacht. Ein unmittelbar mit dem Jenseits kommunizierender Kaiser war zu größeren und direkteren Wohltaten in der Lage. Für die vieldiskutierte Frage der Beschreibung des Triumphes durch den Panegyriker von 313 zeigt Ronning nicht zuletzt aufgrund einer detaillierten Berücksichtigung des Programms des Konstantinbogens auf, dass er in seiner Beschreibung des Einzugs von 313 als einer gemischten Zeremonie ganz der von der Umgebung Konstantins vorgegebenen Deutung folgt. Der Adventus von 312 enthielt triumphale Aspekte, war aber selbst kein Triumph, weil es darum ging, eine taktvolle Balance zu halten, indem auf der einen Seite die Sieghaftigkeit Konstantins und seiner Truppen demonstriert, auf der anderen Seite aber die Befreiung Roms und nicht der Sieg über die stadtrömische Bevölkerung gefeiert wurde. Der Panegyriker von 313 bewältigt diese Vorgaben, indem er zunächst das triumphale Element vorausschickt und dann einen konventionellen Adventus beschreibt (341). Nazarius hingegen stellt acht Jahre später einen allegorischen Triumph der Tugend über das Laster dar und berücksichtigt auf diese Weise die Triumphelemente des Adventus. Es werden also von beiden Rednern verschiedene rhetorische Strategien im Umgang mit den am Kaiserhof zirkulierenden Themen gewählt.
Durch diese und andere immer wieder sehr richtige und scharfsinnige Betrachtungen, die auf dem hier gewährten knappen Raum nicht gewürdigt werden können, gelingt es Ronning einsichtig zu machen, wie die Panegyrik der Kaiserzeit funktionierte. Ein einheitliches Modell, etwa im Sinne einer genauen Umsetzung von durch den Kaiserhof vorgegebenen Themen, gibt es nicht. Herrscherpanegyrik wird als ein "flexibles Instrument in der der gesellschaftlichen Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen" (381) genutzt. Nur selten führt bei Ronning die Theorie, die mit der derzeit gepflegten Betonung von Kommunikation und Ritual operiert, zur Ablösung von der meines Ermessens nach doch etwas handfesteren, nicht nur, aber eben doch auch durch militärische und sonstige Gewalt bestimmten Realität, etwa in der gegebenen und für antike Verhältnisse doch nur eingeschränkt gültigen Definition (138): "Macht entsteht dort, wo kommunikative Kontakte gehäuft auftreten; und dort wird die Kommunikationsfrequenz besonders hoch sein, wo Machtzentren angesiedelt sind."
Insgesamt hat man es aber zweifelsohne mit einer hervorragenden und an neuen Erkenntnissen reichen Arbeit zu tun, die dringend zur Lektüre empfohlen wird.
Christian Ronning: Herrscherpanegyrik unter Trajan und Konstantin. Studien zur symbolischen Kommunikation in der römischen Kaiserzeit (= Studien und Texte zu Antike und Christentum; 42), Tübingen: Mohr Siebeck 2007, IX + 445 S., ISBN 978-3-16-149212-9, EUR 79,00
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