Ein Vorzug dieses Sammelbandes besteht in der Beschränkung der Thematik auf die Zeit der letzten Ptolemäer bei gleichzeitiger Beachtung einer universalhistorischen Perspektive. Die Endphase der Ptolemäer zählt zu den Schwerpunkten der wissenschaftlichen Tätigkeit des vielseitigen Trierer Althistorikers Heinen, dessen weitere Arbeitsgebiete beispielsweise Studien zum Hellenismus und zur "Antike am Rande der Steppe" im nördlichen Schwarzmeerraum sowie vor allem die Leitung des Projektes "Forschungen zur antiken Sklaverei" der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sind.
Erfreulich ist die Aufnahme der Tübinger Dissertation Heinens ("Rom und Ägypten von 51 bis 47 vor Christus", 13-153) in den Sammelband. Heinen verdeutlicht, dass Caesar trotz der Zuneigung zu Kleopatra VII. selbstverständlich seine eigenen Vorteile und die Interessen Roms zu wahren wusste (135). Gleichwohl habe Kleopatra es verstanden, Caesar für ihre Ziele einzuspannen. Mit Caesars Abreise aus Alexandreia sei freilich eine Epoche der Geschichte Ägyptens zu Ende gegangen, weil die Zeit der Hofkamarilla und der Eunuchen beendet war.
Ein heikles Problem erörtert Heinen in dem Kapitel "Caesar und Kaisarion" (154-175), in dem er ausführlich der von Carcopino bereits 1937 vertretenen These widerspricht, dass Kaisarion ein Sohn des Marcus Antonius gewesen sei. Diese Frage ist deshalb wichtig, weil Carcopino behauptet hat, Caesar habe Kleopatra als Werkzeug eines "Macht- und Staatsdenkens" aus römischer Sicht gebraucht. Nach Prüfung aller einschlägigen Quellen kommt Heinen zu dem Ergebnis, dass Antonius nicht Vater des Kaisarion war.
Gewissermaßen ein Parergon sind Heinens Ausführungen über "Onomastisches zu Eiras", der Kammerzofe Kleopatras VII. Er zeigt, dass der Name der Eiras von Eirene ("Frieden") abgeleitet werden kann, aber nach den vorliegenden Quellen nicht zu entscheiden ist, ob Eiras eine Jüdin war.
In den Sammelband ist auch eine Rezension aufgenommen worden (182-190). Es handelt sich um das Werk von Holger Sonnabend: "Fremdenbild und Politik. Vorstellungen der Römer von Ägypten und dem Partherreich in der späten Republik und frühen Kaiserzeit", Frankfurt am Main 1986. Es ist bemerkenswert, dass Heinen bei der Abfassung von Besprechungen die gleiche Sorgfalt wie bei der Publikation von Aufsätzen und Büchern walten lässt.
In dem folgenden Beitrag "Vorstufen und Anfänge des Herrscherkultes im römischen Ägypten" (191-243) wendet sich Heinen nicht nur an ein Fachpublikum, sondern auch an die Nachbardisziplinen. Er behandelt ein weites Feld von der Entstehung staatlicher Strukturen in Ägypten bis in die römische Kaiserzeit und betont, dass bereits um 400 v. Chr. Lysander in Samos kultische Ehrungen erhielt, freilich nicht als "vollgültiger Gott" gefeiert wurde. Alexander der Große bestand demgegenüber darauf, dass er in der Oase Siwa als Sohn des Gottes Zeus-Ammon anerkannt wurde. Diese Form einer "göttlichen Stellung" Alexanders sei von Ptolemaios I. gefestigt worden. Vorstufen des Kaiserkultes seien auch kultische Ehren für römische Magistrate im hellenistischen Osten gewesen. Dementsprechend folgert Heinen mit Recht, dass der "römische" Herrscherkult in Ägypten Fuß gefasst habe, bevor die Region römisch geworden sei. Heinen sieht hierin gleichsam Voraussetzungen für die Integration des Octavian-Augustus in den Herrscherkult in Ägypten und zeigt darüber hinaus, dass bereits Caesar und Marcus Antonius eine "religiöse Überhöhung" erfuhren, die sie mit ptolemäischen Formen der Vergöttlichung der Herrscher verbunden hat. Zudem erweitert Heinen seine Ausführungen zum ägyptischen Herrscherkult durch Interpretation einer Stele aus Arsinoe, die bezeugt, wie ptolemäische und römische Komponenten "mit dem Tierkult in Ägypten" verbunden wurden (244-257).
Eine wichtige Ergänzung zu seinen Erläuterungen zum Herrscherkult bietet Heinen mit seinem sozialgeschichtlichen Beitrag zu dem Thema "Hunger, Not und Macht. Bemerkungen zur herrschenden Gesellschaft im ptolemäischen Ägypten" (258-287). Er zeigt, wie in den "makedonisch-griechisch geprägten Staatsaufbau" in Ägypten, in dem die "Freunde" (der Könige), die Truppen und die Verwaltung die Stützen der Regierung bildeten, auch die Priester sich eingeschoben haben, denen es gelang, ihre traditionelle Rolle in der Gesellschaft sogar auszubauen.
In den abschließenden Kapiteln (288-333) analysiert Heinen Politik und Herrschaft der Kleopatra VII. Er widerspricht mit Recht Ausführungen in den Quellen und in der Forschung sowie Darstellungen in modernen Medien, die ein Zerrbild der Königin liefern. Es ist ihm gelungen, "eine nüchterne Analyse" durch Rekonstruktion der politischen Handlungsmöglichkeiten Kleopatras vorzunehmen. Er verdeutlicht aber auch am Beispiel des Pompeius, dass Klientelherrscher "Macht über Leben und Tod führender Römer" infolge der römischen Bürgerkriege gewinnen konnten. Zudem zeigt er, dass Kleopatra keine gegen Rom gerichtete Politik verfolgte. Ziel ihrer Bindung an Marcus Antonius sei es gewesen, als Klientelkönigin eine Integration in das römische Imperium zu erreichen (325). Gerade hierdurch sei freilich Marcus Antonius zum "willfährigen Diener" der Kleopatra abgestempelt worden.
Heinens Kleopatra-Studien sind eine Bereicherung für die Forschung. Dank gebührt auch Wolfgang Schuller für die Aufnahme der Beiträge in den vorliegenden Sammelband.
Heinz Heinen: Kleopatra-Studien. Gesammelte Schriften zur ausgehenden Ptolemäerzeit (= Xenia. Konstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen; Heft 49), Konstanz: UVK 2009, 364 S., 11 s/w-Abb., 2 Kt., ISBN 978-3-87940-818-4, EUR 39,00
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