Der von Daniel Carey und Christopher Finlay herausgegebene Band beschäftigt sich mit der Herausformung der "financial revolution" nicht so sehr im englischen Kernland als vielmehr in den verschiedenen Teilen des ersten Britischen Empire.
Daniel Carey gibt in seinem einführenden Essay einen kurzen Überblick über das "Empire of Credit": Statt die Herausbildung Großbritanniens zum "fiscal-military-state" (John Brewer) in den Kontext von europäischer Kriegsführung und Hegemonialansprüchen zu stellen, betont er vielmehr den atlantischen Kontext der zu beobachtenden Entwicklungen und gibt einen kurzen Überblick über Veränderungen in England, Schottland, Irland und Amerika. Carey führt darüber hinaus in die beiden großen Themen des Buches ein, nämlich die zeitgenössischen Debatten um Hart- versus Papiergeld und die Entstehung der allgemeinen Staatsverschuldung.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil zur politischen Ökonomie im Großbritannien der Aufklärung beschäftigt sich Daniel Carey mit John Locke und dessen "hard money"-Position in den 1690er Jahren, als England von einer allgemeinen Geldentwertung betroffen war. Locke konnte sich mit seiner Auffassung gegen seinen Widerpart Lowndes durchsetzen und beeinflußte auch Schriftsteller in den amerikanischen Kolonien, wie Carey in einem Ausblick zeigen kann. Christopher Finlay geht es in seinem Aufsatz über David Humes Geldtheorie darum zu zeigen, wie hier die verschiedensten Themenfelder in Humes Philosophie verknüpft sind: die Herkunft von Staat und Gesellschaft, Völkerrecht, Humes Analyse des Handels sowie politische Geschichte und politische Theorie. Interessant ist Humes Auffassung, dass Papiergeld wohl im nationalen Handel Gebrauch finden kann, aber für den internationalen Handel, aufgrund fehlender rechtlicher Konventionen, ungeeignet sei. Stärkere Berücksichtigung findet der in Careys Einleitung geforderte atlantische Kontext in Paul Tonks Abhandlung über vier Angehörige der schottischen Aufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts: Patrick Colquhoun, John Sinclair, William Playfair und George Chalmers. Alle vier konservativen Denker setzten sich mit der Amerikanischen und der Französischen Revolution und dem Einsatz von Papiergeld in ihnen auseinander. Im Gegensatz zu zeitgenössischen Radikalen gelten ihnen aber weiterhin die Institutionen des britischen Staates, trotz wachsender Staatsverschuldung, als Garanten von politischer Stabilität und persönlicher Freiheit. Erst mit der Finanzpolitik Alexander Hamiltons werden die Vereinigten Staaten ähnlich positiv bewertet.
Im zweiten Teil des Bandes, "Change & Exchange in the British Empire", stehen die überseeischen Kolonien deutlicher im Fokus der Abhandlungen. Robin Hermann untersucht im Rahmen der Royal African Company (RAC) den Zusammenhang von "Money" und "Empire" und kommt zu dem Schluß, dass die RAC keine Überlebenschancen hatte, weil ihr politischer Auftrag, die Plantagen der Karibik mit Sklaven zu versorgen, und wirtschaftliche Realitäten, nämlich das ständige Fehlen von Hartgeld aus Edelmetall, in direktem Widerspruch standen. Die beiden anderen Beiträge dieses Teils beschäftigen sich mit den nordamerikanischen Kolonien. Hermann Wellenreuther versucht in einer ersten Skizze das Politische und das Ökonomische in Bezug auf die Amerikanische Revolution wieder zusammenzubringen, was die historische Forschung getrennt hätte. So argumentiert er in seinem Beitrag, dass die amerikanischen Kolonien schon weit vor 1775 ihre ökonomische Unabhängigkeit erreicht hätte, indem sie hauptsächlich Agrarprodukte nicht mehr ins Mutterland, sondern in den Mittelmeerraum exportiert hätten. Vielmehr sei das Mutterland ab Mitte des 18. Jahrhunderts von den Kolonien als Absatzmarkt für seine Manufakturprodukte abhängig gewesen. Roger Fechner setzt sich in einem anregenden Beitrag mit dem "Essay on Money" des schottischen Emigranten und Präsidenten von Princeton College, John Witherspoon, auseinander. Fechner kann nachzeichnen, wie Witherspoon in seinem Essay wie auch später in Ratschlägen an Alexander Hamilton seinen europäischen intellektuellen Hintergrund, nämlich die schottische Moralphilosophie, mit politischen Erfahrungen während der amerikanischen Revolution zusammenbringt und aus diesen seine "hard money" Politik entwickelt.
Der dritte Teil des Bandes ist Irland gewidmet. Charles Ivar McGrath zeichnet in dem ersten Beitrag nach, wie sich die irische Staatsschuld entwickelte. Er arbeitet überzeugend heraus, dass die Schaffung und Unterhaltung der Staatsschuld vor allem der Stabilisierung der protestantischen Elite diente. Die beiden anschließenden Aufsätze lassen sich als Ergänzungen zu McGrath lesen: Sean Moore argumentiert, dass der geistliche Stand der Gründung einer Nationalbank, die im Zusammenhang mit der Staatsschuld diskutiert wurde, heftigen Widerstand leistete, weil die Geistlichkeit mit dem Verleihen von Kleinstbeträgen ein einträgliches Einkommen hatte. Zudem sei dadurch eine Art von konfessioneller Schuldknechtschaft entstanden. C. Georg Caffentzis' Beitrag schließt insofern daran an, als er den Plan von George Berkeley für die Schaffung einer Nationalbank in den 1730er Jahren thematisiert, die jedoch von vielen gesellschaftlichen Gruppen abgelehnt wurde, so dass es noch nicht einmal zu einer Eingabe ans Parlament kam. Im letzten Beitrag dieses Teils widmet sich Kevin Barry dem Kontext von Maria Edgeworth's National Novels und kann zeigen, dass Edgeworth, ganz im Gegensatz zu ihren englischen Zeitgenossen, dem Goldstandard skeptisch gegenüberstand und dass goldene Guineamünzen im Kontext ihrer irischen Erzählungen vielmehr für Enteignung, Betrug und Verführung standen, während Papiergeld positiv gewertet wurde.
Der vorliegende Band bietet eine umfassende Diskussion der Problematik von Münz- und Papiergeld in den verschiedenen regionalen Kontexten des ersten Britischen Empire. Auch die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber einer Staatsverschuldung jenseits des Mutterlandes werden überzeugend herausgearbeitet. Der größere atlantische Kontext und dessen Bedeutung für die Herausbildung des fiscal-military-state wird jedoch in den meisten Beiträgen nur wenig berücksichtigt. Kritisch anzumerken ist auch, dass die Karibik und die dortige Plantagenwirtschaft mit ihren Kreditverhältnissen nur wenig Beachtung in dem Band findet. Den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des 18. Jahrhunderts und der ökonomischen Bedeutung der Zuckerinseln wird dies nicht gerecht. Möglicherweise könnte eine Untersuchung, die sich nicht so sehr auf theoretische Denker, sondern vielmehr auf wirtschaftshistorische Daten stützt, hier Abhilfe schaffen. Der vorliegende Band gibt auf jeden Fall Anregung, sich stärker mit der vermeintlichen Peripherie des "empire of credit" zu beschäftigen.
Daniel Carey / Christopher J. Finlay (eds.): The Empire of Credit. The Financial Revolution in Britain, Ireland and America, 1688-1815, Dublin: Irish Academic Press 2011, XVIII + 302 S., ISBN 978-0-7165-3415-0, EUR 35,00
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