sehepunkte 13 (2013), Nr. 1

Alexandra W. Busch: Militär in Rom

Galt Rom in republikanischer Zeit aufgrund sakralrechtlicher Bestimmungen noch als militärfreie Zone, so führten die Wirrungen des 1. Jahrhunderts v. Chr. rasch zu einer Erosion dieser religiösen Bindungskräfte. Unter Augustus wurde die dauerhafte Anwesenheit von Militärpersonen in der Hauptstadt institutionalisiert, deren Zahl bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. auf bis zu 40.000 Mann anstieg.

In der vorliegenden Studie widmet sich Alexandra Busch der Präsenz von militärischen Einheiten im kaiserzeitlichen Rom (zwischen 27 v. Chr. und 312 n. Chr.) und ihrer Wirkung auf die Zivilbevölkerung. Wie in der Einleitung (13-16) dargelegt wird, bildet eine "Zusammenstellung der stadtrömischen Militärarchitektur und eine Untersuchung, wie die Bauten in das Stadtbild eingebunden waren, wie sie wirkten und von der städtischen Bevölkerung wahrgenommen wurden" sowie "eine entsprechende Betrachtung der Nekropolen, in denen die Soldaten bestattet wurden" (14) den Schwerpunkt der Arbeit. Neben epigraphischen und literarischen Quellen stützt sich die Arbeit in erster Linie auf die archäologischen Hinterlassenschaften in Rom. Besonderes Augenmerk gilt dabei aufgrund ihres guten Erhaltungszustandes bzw. der Menge des überlieferten Materials den castra praetoria und den Grabdenkmälern der equites singulares Augusti.

Den beiden Hauptkapiteln vorangestellt ist eine "Historische Einführung" (17-28), in der auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes neben der zeitlichen Entwicklung der Militärpräsenz in Rom auch Organisation und Stärke sowie Aufgabenbereiche und Funktionen der stadtrömischen Einheiten vorgestellt werden. Zudem wird deutlich, dass nicht-militärisches Auftreten der Soldaten im stadtrömischen Alltag sich in den antiken Quellen vielfach nur schwer greifen lässt.

Das nachfolgende Kapitel "Lager und Unterkünfte" (29-109) stellt, ausgehend von der Annahme, dass die Wahrnehmung der stadtrömischen Einheiten im Stadtbild in besonderer Weise durch ihre festen Unterkünfte bestimmt gewesen sei, das Kernstück der Untersuchung dar. Der Reihe nach werden die Lager der cohortes praetoriae, cohortes urbanae, equites singulares Augusti, der peregrini, die stationes und excubatoria der cohortes vigilum und die nur epigraphisch bzw. literarisch bezeugten Lager der Germani corporis custodes und der Flottensoldaten aus Misenum und Ravenna einem klaren Schema folgend vorgestellt: Der topographischen Analyse, die auch die jeweilige Einbettung in vorhandene urbane Strukturen beinhaltet, folgen Erörterungen zu Gestaltung und Außenwirkung (Umwehrung, Tore, Bauweise) sowie der Ausstattung (Innenbebauung, Lebensraum der Soldaten). Dem heterogenen Überlieferungs- und Dokumentationsstand entsprechend fallen die einzelnen Abschnitte mehr oder weniger umfangreich aus. Die von Busch vorgenommene Analyse zeigt deutlich, dass bei frühen Bauten wie etwa den castra praetoria Interesse daran bestand, durch die Errichtung des Lagers am Stadtrand und zudem außerhalb des pomerium auf die früheren sakralrechtlichen Bestimmungen sowie durch den Verzicht auf fortifikatorische Elemente auf die zivile Umgebung Rücksicht zu nehmen. Vergleiche mit Militärbauten außerhalb der Hauptstadt legen nahe, dass der stadtrömischen Bauweise von Lagern, etwa im Fall der "Spielkartenform" bei den castra praetoria, eine Vorbildfunktion zukam, andere Merkmale wie die Mehrstöckigkeit der Mannschaftsunterkünfte jedoch genuin stadtrömische Phänomene waren.

Im zweiten Kapitel (111-158) werden Lage und Gestaltung von Begräbnisplätzen und Grabdenkmälern der stadtrömischen Einheiten bzw. Soldaten untersucht. Gemessen an der Gesamtzahl der im Laufe von vier Jahrhunderten in Rom stationierten Soldaten ist die erhaltene bzw. überlieferte Anzahl an Grabdenkmälern gering; dabei sind diejenigen von Soldaten der cohortes praetoriae und der equites singulares Augusti überproportional im Fundmaterial vertreten. Im Stadtgebiet lassen sich nur wenige Orte mit größeren Ansammlungen von Soldatenbestattungen ausmachen; diese Begräbnisplätze sind dabei in der Regel in ein ziviles Umfeld eingebettet. Einzig der Nekropole der equites singulares Augusti an der Via Labicana kann aufgrund ihrer homogenen Belegung und Ausgestaltung der Charakter eines reinen "Soldatenfriedhofs" zugesprochen werden. Unter den Denkmalformen dominieren die Grabstelen, die mit Ausnahme derjenigen der equites singulares Augusti durchweg schlicht und unter weitgehendem Verzicht auf militärische Bildthemen ausgestaltet sind. Mit Blick auf die Rekrutierungsregionen der Soldaten kann aufgezeigt werden, dass in einzelnen Fällen provinziale Traditionen ihren Niederschlag in der Ausgestaltung der Grabdenkmäler fanden.

An eine Zusammenfassung der Ergebnisse in deutscher (159-162) und italienischer Sprache (163-166) schließen sich ein detaillierter Gesamtplan der castra praetoria (167) sowie Tabellen mit statistischen Angaben zu Truppenstärken, Begräbnisplätzen sowie der Formen- und Bildersprache der Grabdenkmäler (168-172) an. Ein Personen-, Sach- und Ortsregister (173-176), ein Quellenregister (176-183) und ein Abbildungsverzeichnis (184) beschließen den Band.

Buschs Arbeit bietet eine gründliche Analyse des zur Verfügung stehenden archäologischen Materials und einen guten Überblick zu den Lagern, Begräbnisplätzen und Grabdenkmälern der stadtrömischen Soldaten. Gestützt werden die Ausführungen durch eine aussagekräftige Bebilderung und eine Reihe von Karten, welche die zeitliche Entwicklung und geographische Verteilung der Lager und Nekropolen veranschaulichen. [1] Auch die Vergleiche mit Militärbauten außerhalb Roms tragen dazu bei, die Ergebnisse der Studie in einen größeren Kontext einzubetten. Zudem gelingt es Busch durch die getrennte Betrachtung der Einheiten, Unterschiede herauszuarbeiten und diese dann wieder sinnvoll in einer vergleichenden Gesamtbetrachtung zusammenzuführen.

Hinter der archäologischen Auswertung der Lager, Begräbnisplätze und Grabdenkmäler bleibt jedoch das in der Einleitung formulierte Ziel, "das vielfältige kulturelle Erscheinungsbild des Militärs in der Stadt zu erfassen" (13), deutlich zurück. Das mag daran liegen, dass mit Ausnahme der Grabreliefs keine stadtrömischen Reliefdarstellungen in die Untersuchung einbezogen wurden. Der Verzicht auf Siegessäulen und Triumphbögen kann unter methodischen Gesichtspunkten wegen der dortigen Darstellung von Legionären und Auxiliarsoldaten vertretbar sein. Andere Reliefs, auf denen durchaus Soldaten stadtrömischer Einheiten abgebildet sind, hätten die Überlegungen zu Rezeption und Wirkung militärischer Präsenz auf eine breitere Basis stellen können. [2] Das gleiche gilt für eine intensivere Auswertung und Interpretation der (zugegeben wenigen) zur Verfügung stehenden literarischen Quellen.

Mit Blick auf den als kulturanthropologisch definierten Ansatz der Arbeit und die weitreichenden Fragen nach der möglichen Wirkung militärischer Präsenz in Rom und nach dem Verhältnis zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung bleibt festzuhalten, dass diese nur zu einem geringen Teil, das heißt bezogen auf die Standlager, Nekropolen und Grabdenkmäler der stadtrömischen Einheiten, beantwortet werden können. Hinsichtlich der Analyse der archäologischen Befunde ist zu betonen, dass mit Buschs Untersuchung eine exzellente und seit längerem benötigte Gesamtbetrachtung zur Verfügung steht, die für jede weitere Beschäftigung mit den Lagern, Unterkünften und Begräbnisplätzen der stadtrömischen Einheiten den Ausgangspunkt bilden wird.


Anmerkungen:

[1] Teile des Bildmaterials sind in einen Online-Katalog ausgelagert, der über die URL http://www.arachne.uni-koeln.de/drupal/ zugänglich ist (dort allerdings nicht - wie in den Benutzerhinweisen angegeben - über den Menüpunkt 'Publikationen', sondern direkt über 'Palilia').

[2] Auf den Forschungsstand wird durchaus verwiesen (13 Anm. 6); als Beispiel für die Darstellung von Soldaten stadtrömischer Einheiten sei an dieser Stelle nur auf das Cancelleria-Relief verwiesen. Das Schlachtenrelief vom Konstantinsbogen (Abb. 2) wird in der Untersuchung zwar zu illustratorischen Zwecken herangezogen, aber hinsichtlich seiner Bildsprache und möglichen Wirkung auf den Betrachter nicht weiter thematisiert.

Rezension über:

Alexandra W. Busch: Militär in Rom. Militärische und paramilitärische Einheiten im kaiserzeitlichen Stadtbild (= Palilia; Bd. 20), Wiesbaden: Reichert Verlag 2011, 184 S., zahlr Abb., ISBN 978-3-89500-706-4, EUR 29,90

Rezension von:
Peter Probst
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Empfohlene Zitierweise:
Peter Probst: Rezension von: Alexandra W. Busch: Militär in Rom. Militärische und paramilitärische Einheiten im kaiserzeitlichen Stadtbild, Wiesbaden: Reichert Verlag 2011, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 1 [15.01.2013], URL: https://www.sehepunkte.de/2013/01/21783.html


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