Das äußere Erscheinungsbild des schmalen Bandes, den Sally Anne Hickson in der Reihe Women and Gender in the Early Modern World im Ashgate Verlag vorgelegt hat, sollte nicht über den gewichtigen Inhalt hinweg täuschen: Der Autorin ist es gelungen, die Wahrnehmung von Isabella d'Este (1474-1539), der vor allem aufgrund ihrer profanen Patronage berühmten Markgräfin von Mantua, bedeutend zu erweitern. Durch die sorgfältige Aufarbeitung von Quellen und Monumenten wird nun erstmals ihre religiöse Kunstpatronage sichtbar, ebenso wie ihre Beziehung zur 'lebenden Heiligen' Beata Oseanna Andreasi (1449-1505), die für die Stadt Mantua eine genauso wichtige Rolle spielte wie für die Dynastie der Gonzaga.
Die Spanne der Studie umfasst die gesamte erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit einem Ausblick auf die Witwenschaft von Isabellas Enkelin, Isabella Gonzaga d'Avalos (1537-1579), die nach tridentinischem Modell dann selbst begann, als 'heilige Fürstin' zu leben, um so endgültig religiöse, staatspolitische und dynastische Interessen zu vereinen. Das erste Kapitel des Bandes gibt einen Überblick über das religiöse Leben von Frauen um 1500 in Mantua. Vorbildlich dafür war die grundlegende Studie zu den 'lebenden Heiligen' im Italien der Renaissance von Gabriella Zarri - ein so faszinierendes Feld, das von der kunsthistorischen Forschung bislang wenig oder nur für prominente Heilige wie Caterina da Siena rezipiert wurde. [1] Die auch außerhalb von Klostermauern intensiv gelebte Frömmigkeit bot Frauen die Möglichkeit, eigenständige Positionen außerhalb der Ehe zu beziehen und sakralen wie profanen Ordnungsinstanzen auszuweichen. Ihr Kult konnte so mächtig werden, dass gerade politische Körperschaften die Nähe zu 'heiligen Frauen' suchten, um an deren Einfluss zu partizipieren. An den Höfen sind es vor allem die Fürstinnen, die durch den Kontakt zu diesen sowie Klöstern und Pfarrkirchen ein dichtes Netz an Klientelbeziehungen ausbildeten und eine eigene Form von Öffentlichkeit herstellten.
Innerhalb dieser Netzwerke gehörten der Austausch von Geschenken und die aktive Patronage für Kunstwerke selbstredend dazu. Diese Artefakte sind aber nicht immer von den berühmtesten Künstlern ihrer Zeit ausgeführt worden, wie etwa für das Studiolo von Isabella d'Este, sondern häufig von weniger bekannten Akteuren. Unter der von Hickson gewählten Perspektive erhalten einige Mantuaner Werke allerdings eine neue Relevanz. Aus der spirituellen Freundschaft zwischen Isabella und Margherita Cantelma (gestorben 1532), Herzogin von Sora, resultiert zum Beispiel die gemeinsame Darstellung als Stifterinnen auf dem Gemälde von Francesco Bonsignori Die Anbetung der Beata Oseanna Andreasi (1519, Museo della Città, San Sebastiano, Mantua); auch die Gründung und Errichtung des heute verlorenen Augustinerinnen-Klosters Santa Maria della Presentazione in tempio geht auf die beiden Fürstinnen zurück. Die ersten Bewohnerinnen waren dort nicht allein Nonnen, sondern auch aristokratische Witwen, die, wie zuvor Cantelma, sich einem religiösen Leben verschrieben hatten; eine Form des Zusammenlebens, das man ebenso in karitativ tätigen Laienschwesternschaften der Zeit wiederfindet, die ihrerseits als Mäzeninnen in Erscheinung treten konnten. [2]
Vor diesem religiösen Hintergrund erscheint auch Isabellas Engagement, für ihren Sohn den Kardinalshut zu gewinnen und ihre Töchter als Nonnen in die lokalen Klöster zu geben, eher verständlich; denn sie schob ihre Kinder keineswegs ab, wie oft vermutet, sondern stärkte auf diese Weise die dynastischen Verbindungen zum Klerus. Um diese Beziehungen deutlicher zu vermitteln, setzt die Autorin einen besonderen Akzent auf die Karrieren der beiden Gonzaga-Schwestern in den jeweiligen Klöstern und untersucht, welche Rolle diesen im religiösen Leben von Mantua zukam. Damit erhalten wir wertvolle Einsichten in ein Forschungsfeld, das äußerst interessante Ergebnisse hervorgebracht hat: Klöster werden einerseits als weibliche Handlungsräume aufgezeigt - und nicht nur als Gefängnisse; anderseits werden die Grenzen dieser Spielräume im Aushandeln von Bedingungen mit der männlichen Sphäre der Macht in Klerus und Familie evident. [3]
Weiterhin verfolgt die Studie die religiöse Patronage von Margherita Paleologa (1510-1566), der letzten Erbin der byzantinischen Kaiserfamilie, die nach langem Hin und Her den Thronfolger Federico Gonzaga geheiratet hatte. Diese bislang für den Mantuaner Hof wenig berücksichtigte Figur erscheint - nach dem Tod ihres Gemahls - gerade durch ihre aktive Religiosität als plausible Wahl für die gemeinsame Regentschaft mit Kardinal Ercole Gonzaga, seinerseits Sekretär des Trienter Konzils und damit aktiv an der katholischen Reform beteiligt. Überdies zeigt die Autorin die Vorbildfunktion von Vittoria Colonna für die Regentin auf und die damit verbundene Rezeption von Werken Michelangelos, die als Kopien Eingang in die Mantuaner Sammlungen fanden.
Die Studie von Sally Ann Hickson bereichert durch die gewählte Perspektive die Einsicht in die dichten dynastischen und religiösen Netzwerke in der Frühen Neuzeit, an denen Frauen ganz wesentlichen Anteil hatten. Durch das konkrete Beispiel leistet sie einen wertvollen Beitrag für die Geschichte und Kunstgeschichte am Mantuaner Hof, der sich eben nicht nur humanistischen Idealen verschrieben hatte, sondern selbstverständlich auch der Religion. Somit geht die Untersuchung über eine partikulare Analyse hinaus und veranschaulicht überzeugend das Potential historischer Frauen- und Geschlechterforschung.
Anmerkungen:
[1] Gabriella Zarri: Le sante vive: profezie di corte e devozione femminile tra '400 e '500 (= Sacro santo; Bd. 2), Turin 22000; vgl. z.B. Paola Tinagli: "A 'living saint' and her chapel", in: Dies.: Women in Italian Renaissance Art. Gender, Representation, Identity, Manchester / New York 1997, 167-171; Catherine E. King: "Living Saints", in: Dies.: Renaissance Women Patrons. Wives and Widows in Italy c. 1300-1550, Manchester / New York 1998, 212-226.
[2] Anabel Thomas: Art and Piety in the Female Religious Communities of Renaissance Italy. Iconography, Space and the Religious Woman's Perspective, Cambridge 2003; Nicholas Terpstra: Cultures of Charity: Women, Politics, and the Reform of Poor Relief in Renaissance Italy (= I Tatti Studies in Italian Renaissance History), Cambridge, Mass. (u.a.) 2013.
[3] Gabriella Zarri / Gianna Pomata (a cura di): I monasteri femminili come centri di cultura fra rinascimento e barocco (= Biblioteca di storia sociale; 33), Rom 2005; Kate J. P. Lowe: Nuns' Chronicles and Convent Culture in Renaissance and Counter-Reformation Italy, Cambridge 2003; Silvia Evangelisti: Nuns: a history of convent life, 1450-1700, Oxford (u.a.) 2007; Cordula van Whye (ed.): Female monasticism in early modern Europe: an interdisciplinary view (= Catholic Christendom, 1300-1700), Aldershot 2008; Sabine Plakolm-Forsthuber: Florentiner Frauenklöster: von der Renaissance bis zur Gegenreformation, Petersberg 2009; Sharon T. Strocchia: Nuns and Nunneries in Renaissance Florence, Baltimore 2009.
Sally Anne Hickson: Women, Art and Architectural Patronage in Renaissance Mantua. Matrons, Mystics and Monasteries (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2012, XI + 192 S., 21 s/w-Abb., ISBN 978-1-4094-2752-0, GBP 60,00
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