Münzen bilden ein wichtiges Medium der Selbstdarstellung. Nicht zuletzt die in den vergangenen Jahren unternommenen Anstrengungen zur Neukatalogisierung der seleukidischen Münzen [1] haben zu neueren Untersuchungen der Kommunikationsstrategien hellenistsicher Könige geführt, mit deren Hilfe sie ihre Herrschaft zu stabilisieren versuchten. [2] In diese Reihe gesellt sich der vorliegende Band, der im Kern aus einer 2010 abgeschlossenen Dissertation hervorgegangen ist. Erickson möchte beweisen, "that the Seleukids developed an ideology that was based on a concept of Seleukid power and Seleukid right to rule deriving both from Seleukid military success and the king's personal support from divine powers. This book attempts to illustrate how the Seleukid kings tried to institutionalise and utilise charismatic kingship into something more than just rule by the king but rather rule by charismatic dynasty and family." (3). Dieser an sich nicht sehr neue Ansatz [3] wird in der angelsächsischen Forschung erst seit Kurzem verstärkt vertreten [4] und ist bisher noch nicht konsequent auf die frühen Seleukiden angewandt worden.
In der introduction wendet sich Erickson zunächst grundlegenden Aspekten zu, wobei die Frage nach den Personen(gruppen), die für die Gestaltung der Münzen zuständig waren, ein Kernproblem berührt, das Erickson wie folgt treffend zusammenfasst: "Our understanding of the inner workings of the Hellenistic mints is extremely limited. [...] we have no direct evidence for how Seleukid coins were designed, [...]" (10f., vgl. auch 166). Auch wenn Erickson im Folgenden versucht deutlich zu machen, dass manche Entscheidungen eine zentrale Planung am königlichen Hof widerzuspiegeln scheinen, so bleiben alle Überlegungen letztlich doch nur eine Indizienkette. Etwas sichereren Boden betritt man in Bezug auf die Rezipienten, auch wenn die Bedeutung des Militärs hier meines Erachtens von Erickson unterschätzt wird. [5]
In Kapitel 1 (Creation of an empire) werden die Münzen Seleukos' I. analysiert, wobei Erickson herausarbeitet, wie sich der erste Seleukide zunächst an Alexander anlehnte, dann aber zunehmend die eigene Sieghaftigkeit betonte und in beiden Fällen vor allem auf Zeus zurückgegriffen habe, wobei der Zeus Aetophoros Alexanders nach der Schlacht bei Ipsos durch einen Zeus Nikephoros ersetzt worden sei. Die kurz zuvor kreierte Darstellung eines gehörnten Reiters auf einem gehörnten Pferd stelle Seleukos dar, der damit nicht nur an Alexander angeknüpft habe, sondern vor allem auch an mesopotamische Traditionen. Während sich Erickson in diesem Punkt ganz klar innerhalb der Forschung positioniert, bleiben seine anschließenden Ausführungen zu den Medusa/Stier-Münzen eher vage.
Kapitel 2 (The creation of a Seleukid deity) wird dominiert von den Apollondarstellung der Münzen Antiochos' I. Zunächst wird die Herausbildung der Abstammungslegende von Apollon rekonstruiert, wobei ein Datum zwischen 287 und 276 v.Chr. am wahrscheinlichsten sei (65). In Kleinasien lassen sich ab etwa 300 v.Chr. Hinweise auf ein Interesse der Seleukiden an Apollon nachweisen (75) und nach der Schlacht von Kurupedion und der damit einhergehenden direkten Kontrolle über griechische Städte könnte eine Abstammung von Apollon für ein griechisches Publikum propagiert worden sein (77). Aber nach Erickson könne dieser griechische Kontext allein - ebenso wenig wie Anschlussmöglichkeiten an syrische Traditionen - die Präferenz für Apollon vollständig erklären. Vielmehr ergebe sich ein rundes Bild erst mit Blick auf Mesopotamien, wo die Entsprechung von Apollon, Nabû, unter anderem eine wichtige Rolle für die Herrschaftslegitimation gespielt habe, die sich beispielsweise im akitu-Fest manifestierte. Wird man nicht zuletzt auch wegen des Borsippa-Zylinders die Bedeutung von Nabû kaum unterschätzen dürfen, so sind die anschließenden Überlegungen zum persischen Kontext von Apollon nicht unproblematisch. Die Argumentation fußt vor allem auf den TRKMW-Stateren und den achaimenidischen Prägungen, die auf der Rückseite einen Krieger mit Bogen zeigen, der zuweilen als Großkönig interpretiert wird. Damit läge eine Identifizierung des Bogen tragenden Apollon mit dem Großkönig nahe. Dem in der Forschung vorgebrachten Argument, dass die Nacktheit der Apollondarstellung eher gegen eine Identifizierung mit dem Großkönig spräche, versucht Erickson u.a. damit zu begegnen, dass "I do not believe that this would have precluded some Iranians from interpreting the message of this coinage as a Greek king ruling over Iranian lands" (94). Es ist sicher nicht völlig falsch, dass einige die Darstellung so interpretiert haben könnten, aber damit ist nichts über die Intention des Bildes gesagt. Der anschließende Vergleich mit parthischen Münzen dürfte ebenfalls nicht tragfähig sein.
In Kapitel 3 (Continuity and rebellion) wird einerseits die weitere Entwicklung der Apollondarstellungen bis zur Herrschaft Seleukos' IV. skizziert und andererseits ein Blick auf weitere Götterdarstellungen sowie die Prägungen von Usurpatoren geworfen. Die Übernahme der Apollondarstellungen von den Münzen Antiochos' I. durch dessen Nachfolger diente sicher der Herrschaftsstabilisierung, was letztlich auch für die Darstellungen gilt, die die königliche Sieghaftigkeit und die Nähe zum Militär betonen. Der Blick auf die Prägungen der Usurpatoren zeigt, dass sich diese häufig dezidiert von den seleukidischen Vorbildern absetzten.
Das vierte Kapitel (A new start?) ist der Münzprägung Antiochos' IV. gewidmet, dessen westliche Silbermünzen statt Apollon ab 173/2 v.Chr. wieder Zeus Nikephoros zeigen. In Anlehnung an Anokhin [6] wird neben dem Rückbezug auf Seleukos I. ein starker Bezug zum Ptolemäerreich, dessen Tetradrachmenrückseiten in der Regel den Adler Zeus' zeigen, und der Anspruch des Seleukiden auf diesen Teil des ehemaligen Alexanderreiches betont. Damit wird argumentativ ein anderer Weg beschritten als hinsichtlich der Apollondarstellungen. Analog hätte nämlich Hinweisen zur Bedeutung von Zeus bzw. Ba'al für die Herrschaftslegitimation im syrischen Raum nachgegangen werden können.
Eine kurze conclusion, die auch einen Ausblick auf die nachfolgenden Seleukidenherrscher umfasst, sowie ein Index runden die Arbeit ab. Obwohl viele Abbildungen von schlechter Qualität sind, die eingeschlagene Interpretationslinie im letzten Kapitel nicht konsequent verfolgt wird und sich andererseits gelegentlich der Eindruck aufdrängt, dass sich Erickson von seinem Ansatz an der ein oder anderen Stelle zu weit mitreißen lässt, stellt die Arbeit einen begrüßenswerten Beitrag zu den Legitimationsbestrebungen der frühen Seleukiden dar.
Anmerkungen:
[1] Arthur Houghton / Catharine Lorber: Seleucid Coins, Lancaster / London 2002 und 2008.
[2] Siehe etwa Artem Anokhin: Antiochos IV of Syria and Ptolemaic Symbolism: An Example of Anti-Ptolemaic Propaganda, in: Krzysztof Nawotka / Volker Grieb / Agnieszka Wojciechowska (eds.): Proceedings of the Workshop 'Alexander the Great and Egypt: History, Art, Tradition' Worclaw, Wiesbaden 2014, 357-367 und Panagiotis P. Iossif / Catharine C. Lorber: Celestial Imagery on the Eastern Coinage of Antiochus IV, in: Mesopotamia 44 (2009), 129-146.
[3] Siehe etwa Hans-Joachim Gehrke: Der siegreiche König. Überlegungen zur hellenistischen Monarchie, in: AKG 64 (1982), 247-277.
[4] Etwa von Boris Chrubasik: Kings and Usurpers in the Seleukid Empire. The Men who would be King, Oxford 2016.
[5] Hier hätte man beispielsweise auch François de Callataÿ: For whom were royal Hellenistic coins struck? The choice of metals and denominations, in: Achim Lichtenberger / Katharina Martin / H.-Helge Nieswand / Dieter Salzmann (Hgg.): Bildwert. Nominalspezifische Kommunikationsstrategien in der Münzprägung hellenistischer Herrscher. Kolloquium vom 17.-18. Juni 2010 in Münster, Bonn 2014, 59-77 heranziehen können.
[6] Siehe Anm. 2.
Kyle Erickson: The Early Seleukids, their Gods and their Coins, London / New York: Routledge 2019, XIV + 189 S., 46 s/w-Abb., ISBN 978-0-415-79376-6, GBP 115,00
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