Klosterbücher haben Konjunktur. Für weite Teile Deutschlands liegen sie mittlerweile in gedruckter Form vor [1], und die zuletzt erschienenen haben die Messlatte für solche Unternehmungen außerordentlich hoch gelegt. [2] Sie wurde - so viel steht fest - durch die hier vorzustellenden zwei Bände des Klosterbuchs Schleswig-Holstein und Hamburg (KBSHH) nicht gerissen. Mit seinem Erscheinen sind die vorreformatorischen Klöster, Stifte und Konvente im Norden der Republik auf einem durchweg hohen Niveau erschlossen.
Analog zu anderen Klosterbüchern wird auch das KBSHH durch einleitende Beiträge eröffnet, denen es sehr gut gelingt, das, was nachfolgend in Einzelartikeln zu den geistlichen Einrichtungen präsentiert wird, systematisch zu bündeln: Auf eine konzeptionelle Einführung in das Gesamtwerk durch die Herausgeber (I.13-19) folgt zunächst ein überaus fundierter und weitgespannter Überblick bisheriger Klosterforschungen für das Untersuchungsgebiet (I.21-53), der gleichfalls aus der Feder der beiden Herausgeber stammt. Oliver Auge stellt anschließend die "Genese der Klöster, Stifte und Konvente Schleswig-Holsteins und Hamburgs bis zur Reformation im Überblick" dar (I.55-71). Linda Maria Koldau widmet sich in ihrem Beitrag (I.73-83) der klösterlichen Musikkultur, wobei sie nach einer allgemeinen Einführung in das immer noch viel zu selten berücksichtigte Thema musikalische Quellen des Untersuchungsraums gesondert vorstellt. Die Bordesholmer Marienklage, verfasst von Johannes Reborch, dem Prior dieses ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts, ist nur eines der herausragenden Beispiele, auf die Koldau hier verweisen kann. Schließlich stellt Katja Hillebrand die bau- und kunstgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung der untersuchten Häuser dar (I.85-119), bevor Oliver Auge sich in zwei Beiträgen noch dem "Ende des mittelalterlichen Stifts- und Klosterwesens zwischen Elbe und Königsau im Zeitalter der Reformation" (I.121-131) sowie dessen Nachleben in vier Damenstiften (I.133-141) widmet.
Im Anschluss an diese überaus lesenswerten Einführungen werden dann in 59 Einzelartikeln die Klöster, Stifte und Konvente der ehemaligen Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, der Städte Lübeck und Hamburg sowie das Domstift Ratzeburg von den jeweiligen Anfängen bis zur Reformation vorgestellt. Die Entscheidung, auch Ratzeburg mit aufzunehmen (II.395-464), ist nachvollziehbar, führt aber zu der ungewöhnlichen Konstellation, dass nun sowohl das Mecklenburgische Klosterbuch [3] als auch das KBSHH als Referenz für Ratzeburg dienen können. Beide Artikel - die mit Enno Bünz und Katja Hillebrand noch dazu die gleichen Verfasser haben - sind lesenswert und durch die je verschiedenen Akzentuierungen der zwei Klosterbücher auch nicht deckungsgleich. Die Entscheidung der Herausgeber, mit den Beginenhäusern auch solche Gemeinschaften zu erfassen, die nicht im engeren Sinne nach einer approbierten oder anerkannten Regel lebten, ist unbedingt zu begrüßen, stellten diese Einrichtungen doch einen prägenden Teil der zeitgenössischen vita religiosa dar. Ausgelassen wurde hingegen das Lübecker Heilig-Geist-Hospital.
Im Vergleich mit anderen Klosterbüchern legt das KBSHH besonderes Gewicht auf die Aspekte des religösen und geistigen Lebens in den Einrichtungen. Die eigenen Punkte "Schule und Lehrbetrieb" sowie "Personal" erweitern dabei die Erfassungsmatrix gegenüber den Vorgängerprojekten in aufschlussreicher Weise. Erfreulich kleinteilig sind zudem auch die bau- und kunsthistorischen Abschnitte gestaltet.
Die Einzelartikel sind - je nach Quellenlage - in folgender Weise grob geliedert, wobei die Binnendifferenzierung dieses Schema noch deutlich vertieft: Auf eine "Übersicht" (1) zu Namen, Lage und historischen Eckdaten der jeweiligen Häuser folgt ein umfassender Überblick ihrer "Geschichte" (2), der Fragen ihrer institutionellen Einbindung, ihrer wirtschaftlichen Ausstattung und Praxis, des vor Ort gepflegten religiösen Lebens und vieles mehr umfasst. Im Abschnitt "Archäologie, Bau- und Kunstgeschichte" (3) werden, sofern möglich, Baubeschreibung ebenso wie Bauanalysen geboten; ausführlich wird das vorhandene oder rekonstruierbare Inventar vorgestellt. Abschnitte zu Siegeln (4) und den Archivalien sowie der Literatur (5) runden die durchweg auf aktuellem Forschungsstand abgefassten Artikel ab. Verzichtet wurde auf eine systematische Berücksichtigung späterer Phasen der Nachnutzung; Informationen hierzu flossen aber in nicht wenigen Fällen dennoch mit in die Artikel ein. Sämtlich sind sie reich und aussagekräftig bebildert. Eigens erstellte Karten können gute Eindrücke der wirtschaftlichen Verflechtungen der Klöster und Stifte mit ihrer Region vermitteln.
Jedem Kloster, Stift oder Konvent wurde ein eigener, nach der Lokalität alphabetisch platzierter Artikel zugewiesen. Bestanden an einem Ort mehrere Einrichtungen, sind diese separat und wieder in alphabetischer Reihe behandelt. Eine Ausnahme wurde nur für die fünf Beginenkonvente der Hansestadt Lübeck gemacht, die in einem einzigen Abschnitt (I.741-762) behandelt werden. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar, trägt aber vor allem im Abschnitt zur Baugeschichte nicht zur Übersichtlichkeit bei, zumal auch Querverweise auf die Lübecker Beginenkonvente in anderen Artikeln des KBSHH sich mal auf einzelne Häuser beziehen (II.13), mal auf deren Gesamtheit (II.86).
Beschlossen wird das Werk durch einen Anhang, der zunächst das idealtypische Gliederungsschema mit sämtlichen Unterpunkten präsentiert. Es folgen eine Gesamtbibliographie derjenigen Quellen und Literatur, die in mehr als zwei Artikeln zitiert wurden, ein hilfreiches Glossar zu verwendeten Fachbegriffen, eine Liste der Bischöfe von Haithabu, Hamburg, Lübeck, Oldenburg und Ratzeburg als kirchenorganisatorischen Verantwortungsträgern in den behandelten Territorien, eine nach den verschiedenen geistlichen Gemeinschaften gegliederte Übersicht der erfassten Niederlassungen, Auflistungen der Autorinnen und Autoren sowie ein Abkürzungsverzeichnis. Auf Register wurde leider verzichtet.
Das nun vorliegende KBSHH füllt nicht nur in seiner Gesamtheit eine Lücke der Forschung, sondern kann auch in der Fülle seiner Details den wissenschaftlich Arbeitenden ebenso wie dem nur interessierten Nutzer als fundiertes, aktuelles und vor allem auch ansprechendes Instrumentarium dienen, um das reichhaltige kulturelle Erbe der vita religiosa in Schleswig-Holstein und Hamburg zu erschließen. Es erleichtert regionalhistorische ebenso wie übergreifend-vergleichende Forschungen und kann - gerade weil materielle Zeugnisse der Klöster, Stifte und Konvente oftmals fast gänzlich verloren sind - hoffentlich auch dazu beitragen, mit dem noch Bestehenden sorgsam umzugehen.
Anmerkungen:
[1] Ralf Lusiardi: Regionale Klosterbücher in diachroner und komparativer Perspektive, in: Von der Ostsee bis zum Mittelmeer. Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte für Wolfgang Huschner (Italia Regia; 4), hgg. von Sebastian Roebert / Antonella Ghignoli / Cornelia Neustadt / Sebastian Kolditz, Leipzig 2019, 377-389.
[2] Ralf Lützelschwab: Rezension von: Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, Rostock 2016, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 6 [15.06.2019], URL: http://www.sehepunkte.de/2019/06/29780.html
Jan Ulrich Büttner: Rezension von: Josef Dolle (Hg.): Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Bielefeld 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 1 [15.01.2013], URL: http://www.sehepunkte.de/2013/01/22075.html
[3] Enno Bünz / Katja Hillebrand: Ratzeburg, Prämonstratenser, Säkularkanoniker, in: Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, hg. von Wolfgang Huschner [u.a.], Rostock 2016, 651-714.
Oliver Auge / Katja Hillebrand (Hgg.): Klosterbuch Schleswig-Holstein und Hamburg. Klöster, Stifte und Konvente von den Anfängen bis zur Reformation, Regensburg: Schnell & Steiner 2019, 2 Bde., 1599 S., 781 Farb-, 307 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-2896-9, EUR 120,00
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