Egon Rheinberger - wer den Namen noch nie gehört hat, muss sich keine Vorwürfe machen, selbst dann, wenn er professioneller Kunsthistoriker oder professionelle Kunsthistorikerin ist. Bei Egon Rheinberger handelt es sich um einen Bildhauer und später Architekten aus Liechtenstein, der seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule, dann der Akademie in München bekam und später vor allem für seinen Landesherrn, den Fürsten von Liechtenstein, arbeitete. Bekannter ist in jedem Fall Josef Rheinberger, der Organist und Komponist (sein Onkel) sowie der Name des Herausgebers Hans Jörg-Rheinberger, einer der wichtigen deutschen Wissenschaftshistoriker und -theoretiker, der hier sein Fachgebiet wechselt und sich der Familiengeschichte widmet. Er ist der Enkel des Künstlers. Unterstützt wird er dabei von Caren Reimann und Michael Zimmermann.
Rheinberger selber liefert Biografisches und konzentriert sich dabei auf die Münchener Zeit vor der italienischen Reise, dabei die schwierige Situation betonend, die der Akademiekünstler in einem historischen Moment zu gewärtigen hat, im dem der Klassizismus der Akademie am Markt immer weniger ankommt. Im Gefolge dann die ausführliche Darstellung der italienischen Reise durch Reimann, die detailliert eine ganze Reihe von Zeichnungen nach Kunstwerken aus den italienischen Zentren identifiziert. Rheinberger zeigt sich hier als Historist, der die Frührenaissance eher goutiert als Hochrenaissance und Barock, und der offenbar deutlich im Hinblick auf eine zu dem Zeitpunkt noch geplante bildhauerische Aktivität in München abzielt. Auch wenn er dieses Ziel später nicht mehr verfolgen sollte: Historistisch inspiriert bleibt seine künstlerische Aktivität auch in seiner späteren, mehr architektonisch orientierten Tätigkeit. Dass Florenz zu Rheinbergers bevorzugtem Ort wird, ist nicht ungewöhnlich, dass er Bozen aber interessanter findet als Verona und Padua, dürfte wohl etwas mit seiner alpenländischen Herkunft zu tun haben. Zimmermann ordnet im Anschluss Rheinbergers Aktivität in das Spektrum des Münchener Kunstlebens zwischen Akademie und Sezession ein.
Das Buch ist ausgesprochen schön gestaltet. Mit Leinenansatz, Fadenbindung, aufgeklebtem Titel und in ungewöhnlichem Querformat. Das ist im Handling ungewohnt, dem menschlichen Blickfeld aber besser angepasst, außerdem geeigneter für die Reproduktion meist querformatiger Abbildungen und (ein Argument für Raumoptimierer) platzsparend im Bücherschrank. Eine solche fast schon bibliophile Kostbarkeit lässt sich auch der online-Liebhaber gefallen - auch wenn er nicht unterlassen kann darauf hinzuweisen, dass der Name des weitgehend unbekannten Künstlers sicherlich stärker im allgemeinen Bewusstsein zu verankern wäre, wenn seine Werke auch irgendwie in die elektronischen Netze eingespeist würden.
Hans-Jörg Rheinberger (Hg.): Egon Rheinberger. Die Italienreise 1897, Schaan: edition eupalinos 2020, 201 S., ISBN 978-3-9521318-7-9
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