sehepunkte 21 (2021), Nr. 6

Rezension: Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe 1684 - 1802

Seit seiner Gründung im Jahre 1917 durch den Historiker Paul Fridolin Kehr widmet sich das Projekt "Germania Sacra" der historisch-statistischen Beschreibung der Reichskirche und seiner Institutionen. Schon früh richtete sich in diesem Zusammenhang der Blick auf das Bistum Würzburg. Es war der Mediävist Alfred Wendehorst, der seit den 1960er Jahren nicht nur mehrere Studien zu Würzburger Stiften und Klöster veröffentlichte [1], sondern sich auch in drei Werken den Viten der Würzburger Bischöfe vom Frühmittelalter bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts annahm. [2] Die von ihm bearbeitete und bis 1978 publizierte Bischofsreihe endete jedoch mit dem Ableben des Würzburger Bischofs Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573 - 1617). Nachdem der Echter-Pontifikat somit für mehr als drei Jahrzehnte den vorläufigen Schlusspunkt dieser prosopographisch ausgerichteten Publikationsreihe bildete, führte sie der Würzburger Kirchenhistoriker Winfried Rommel mit drei weiteren Bänden zu Ende [3], wobei die beiden hier besprochenen Bände den Zeitraum von 1684 bis 1802, bzw. vom Beginn des Pontifikats Johann Gottfried von Guttenbergs bis zum Ableben des letzten Würzburger Fürstbischofs der Germania Sacra, Georg Karl von Fechenbach, thematisieren. Damit erschließen die beiden zu besprechenden Bände nicht nur Wirken und Leben von insgesamt zehn Fürstbischöfen, sondern nehmen gleichsam einen interessanten und durchaus ereignisreichen Zeitraum der Würzburger Diözesangeschichte in den Blick.

Bereits der Blick in das Quellen- und Literaturverzeichnis macht deutlich, dass die beiden Bände nicht nur auf einer breiten Literaturbasis fußen, sondern mithin das Ergebnis äußerst intensiver und gründlicher archivalischer Studien sind. Romberg schafft damit mehr als eine Synthese bereits bekannter Informationen, vielmehr vermag er es mit seinen Studien einen wichtigen Forschungsbeitrag zu leisten. Herausgegriffen von vielen möglichen Beispielen sei an dieser Stelle die Thematik der Würzburger Bischofswahlen. Hier gelingt es ihm, durch akribische Quellenarbeit Licht in das Dunkel der Machtkämpfe um die Besetzung der Kathedra des hl. Burkhart zu werfen. So kann Romberg für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eine "klare Frontstellung zwischen dem Familieninteresse des Hauses Schönborn und einer durchaus starken Opposition im Domkapitel" (Bd. 8, 36) nachweisen, die letztlich in einer alternierenden Herrschaftsfolge dieser beiden "klar profilierte[n] Macht- und Personenblöcke" (Bd. 8, 36) mündete, während in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Domkapitel Personalunionen mit dem benachbarten Hochstift Bamberg als Möglichkeit erschienen, "quasi in gegenseitiger Selbsthilfe die eigene politisch-militärische Schwäche mittels regionaler Blockbildung zumindest ein Stück weit aufwiegen zu können" (Bd. 18, 41).

Dass die einzelnen Bischofsviten nicht blockartig nebeneinanderstehen, sondern vielmehr auch pontifikatsübergreifende Entwicklungen sichtbar werden, ist jeweils dem zweiten Kapitel zu verdanken. Hier gelingt es Romberg in einer vorweg genommenen Synopse seiner Forschungsergebnisse, die großen Linien der Würzburger Diözesan- und Bischofsgeschichte im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert nachzuzeichnen. Insbesondere widmet er sich in diesem Zusammenhang den Auswirkungen der Westfälischen Friedensschlüsse auf das Würzburger Hochstift sowie den daraus entstehenden "Eigendynamiken" (Bd. 8, 32), der Reaktion auf außenpolitische Bedrohungslagen - zunächst durch das ludovizianische Frankreich, später durch das friderizianische Preußen - , der Ausformung einer frühneuzeitlichen Staatlichkeit, der Herrschaftspraxis im und der Reformfähigkeit des geistlichen Staates sowie Fragen nach Konfession und katholischer Aufklärung.

Das Herzstück der beiden Bände bilden jeweils die dritten Kapitel, in denen die einzelnen Pontifikate beleuchtet werden. Die Bischofsviten weisen dabei eine ähnliche Struktur auf: Eingerahmt von den chronologisch angelegten Betrachtungen zu Herkunft und Werdegang, Sedisvakanz und Bischofspromotion auf der einen und Tod, Begräbnis, Panegyrik auf der anderen Seite lässt sich eine Vielzahl an thematischen Rubriken finden, mit denen die einzelnen Pontifikate umfassend beschrieben werden. Die Untergliederung der einzelnen Pontifikate in weitestgehend gleiche Rubriken ermöglicht zwar eine gute Vergleichbarkeit, führt allerdings auch dazu, dass in den einzelnen Bischofsviten manche Kapitel nur wenige Zeilen lang sind (bspw. Bd. 8, 409). Dennoch: Romberg lässt kaum eine Facette der fürstbischöflichen Herrschaft und Existenz außen vor; er thematisiert in seinen Betrachtungen nicht nur landesherrliche Handlungsfelder, sondern geht auch dort, wo es ihm die Quellenlage ermöglicht, auf das geistliche Wirken der Würzburger Fürstbischöfe ein und beleuchtet deren familien- und dynastiepolitischen Beziehungsgeflechte und Patronageverhältnisse. So knüpft er an neuere Forschungen zu den Bischöfen der Germania Sacra an und diskutiert auf Höhe des aktuellen Forschungsstands.

Es gelingt Romberg auch, bisherige Bischofsportraits überzeugend und quellennah zu retuschieren. So setzt er etwa kritisch mit dem historiographischen Verdikt der mangelnden Reichstreue Christoph Franz' von Hutten (reg. 1724 - 1729) auseinander und vermag es nachzuweisen, dass der Würzburger Bischof in seinem Handeln eher "den vorgegebenen Kontinuitäten der Würzburger Bündnisdiplomatie in Reich, Kreis und Verband der Kreisassoziation" (Bd. 8, 419) folgte. Dem Pontifikat des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755 - 1779) attestiert Romberg einen "weitaus stärkere[n] strukturkonservative[n] Zug" (Bd. 18, 378) als ihn die Forschung bisher angenommen hat. Die für den Seinsheim-Pontifikat prägenden Reformen des Bildungssektors sowie Veränderungen im Bereich der Frömmigkeitspflege interpretiert er dabei als reines Instrumentarium zur "Verbesserungen der eigenen Landestraditionen" (Bd. 18, 378). Für die Regierungszeit Karl Philipps von Greiffenclau (reg. 1749 - 1754) betont Romberg im Gegensatz zur bisherigen (für den Greiffenclau-Pontifikat allerdings auch nur rudimentären) Forschung die in "systemischer Weise" (Bd. 18, 229) auftretende Verschuldungsproblematik.

Abgerundet werden beide Publikationen jeweils mit einem Orts- und Personenregister - ein Sachregister gibt es leider nicht - sowie Abbildungen der Fürstbischöfe. Mit den beiden Bänden hat Winfried Romberg eine strukturierte, gut lesbare, quellengesättigte und gehaltvolle Zusammenschau über Leben und Wirken Würzburger Fürstbischöfe vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum Ende des Alten Reiches vorgelegt. Gerade vor dem Hintergrund einer immer umfangreicher werdenden Quellenfülle im 18. Jahrhundert ist dies eine nicht zu unterschätzende Leistung. Einige Pontifikate, wie etwa jener Anselm Franz' von Ingelheim (reg. 1746 - 1749) oder auch Karl Philipps von Greiffenclau (reg. 1749 - 1754), werden durch die Studien Rombergs erstmals von der modernen Historiographie breit beleuchtet und in einer Gesamtschau erschlossen. Wer sich mit der Geschichte des Würzburger Bistums bzw. mit den Würzburger Fürstbischöfen im Untersuchungszeitraum befassen will, für den stellen die Bände eine unverzichtbare Lektüre und einen sehr guten Ausgangspunkt für weitere Studien dar.


Anmerkungen:

[1] Alfred Wendehorst: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 4: Das Stift Neumünster in Würzburg (= Germania Sacra. Neue Folge; 26). Berlin / New York 1989; ders.: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 5: Die Stifte in Schmalkalden und Römhild (= Germania Sacra. Neue Folge; 36). Berlin / New York 1996; ders.: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 6: Die Benediktinerabtei und das Adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg (= Germania Sacra. Neue Folge; 40). Berlin / New York 2001.

[2] Alfred Wendehorst: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 1: Die Bischofsreihe bis 1254 (= Germania Sacra. Neue Folge; 1). Berlin 1962; ders.: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 2: Die Bischofsreihe 1254 bis 1455 (= Germania Sacra. Neue Folge; 4). Berlin 1969; ders.: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, Teil 3: Die Bischofsreihe 1455 bis 1617 (= Germania Sacra. Neue Folge; 13). Berlin / New York 1978.

[3] Neben den beiden hier besprochenen Werken vgl. Winfried Romberg: Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684 (= Germania Scara. Dritte Folge 4. Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg; 7) Berlin 2011.

Rezension über:

Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1684 bis 1746 (= GERMANIA SACRA. Dritte Folge 8. Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg; Bd. 8), Berlin: De Gruyter 2014, XIV + 648 S., ISBN 978-3-11-030537-1, EUR 164,95

Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1746 bis 1802 (= GERMANIA SACRA. Dritte Folge 18. Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg; Bd. 9), Berlin: De Gruyter 2020, XVII + 686 S., ISBN 978-3-11-068296-0 , EUR 159,95

Rezension von:
Jan Turinski
Bistum Mainz
Empfohlene Zitierweise:
Jan Turinski: Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe 1684 - 1802 (Rezension), in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 6 [15.06.2021], URL: https://www.sehepunkte.de/2021/06/34882.html


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