"Schulden waren ein, aber auch das Geld der Vormoderne?" (267) Mit dieser Frage - eigentlich eine Feststellung, wenn man ihre Argumentation bedenkt - schließt Maria Weber ihre Studie über das "Schuldenmachen" im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Augsburg ab. Der Satz bietet einen nützlichen - wenn auch etwas unorthodoxen - Einstieg in die Betrachtung des Buches und verweist auf die vielfältigen Diskurse, zu denen es beiträgt, und die Fragen, die es aufwirft. Schuldenmachen: Eine soziale Praxis in Augsburg (1480 bis 1532) ist eine wesentliche Erweiterung der Forschung zum vormodernen Finanzwesen, zeigt aber gleichzeitig die Herausforderungen auf, mit denen diese Forschung noch immer konfrontiert ist.
Die Möglichkeit, dass Schulden als Geld dienten oder dienen konnten, impliziert zwei Einsichten, die das Herzstück von Webers Werk bilden. Zum einen verweist sie auf die Allgegenwärtigkeit und Vielschichtigkeit von Schulden. Andererseits spielt sie auf die Knappheit und Instabilität von Bargeld an. Wissenschaftler haben argumentiert, dass beides zusammenhängt, und dass der weit verbreitete Rückgriff auf Schulden ein Versagen der politischen Ökonomie widerspiegele. Den staatlichen Behörden fehlten die Mittel, um stabile Münzen in ausreichender Menge zu prägen, um das Wirtschaftsleben zu unterstützen, so dass die Wirtschaftsakteure gezwungen waren, für Konsum, Produktion und Lebensunterhalt Schulden zu machen. Weber trennt die beiden Themen, um zu zeigen, dass die vormoderne Verschuldung weitaus komplexer war, als der Begriff allein vermuten lässt, und dass die Probleme der Münzprägung weniger ausschlaggebend waren als gemeinhin angenommen.
Um in diesen Diskurs einzusteigen und ihn zu revidieren, untersucht Weber die Protokollbücher des Augsburger Stadtgerichts zwischen 1480 und 1532. Die Auswahl ist durchaus treffend. Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert entwickelte sich Augsburg zu einem europäischen Industrie-, Handels- und Finanzzentrum, was Richard Ehrenberg vor langer Zeit als "das Zeitalter der Fugger" bezeichnete. Im gleichen Zeitraum erließ der Stadtrat eine Reihe von Dekreten und Verordnungen, die Schuldenstreitigkeiten und -beschlüsse an sich zogen. In einer Stichprobe von 11 Jahren entdeckt Weber nicht weniger als 11.200 Fälle im Zusammenhang mit Schulden, eine Zahl, die sie auf etwa 30.000 Verfahren mit 80.000 namentlich genannten Personen für den gesamten Zeitraum hochrechnet, ein außergewöhnliches Ergebnis, das jedoch mit anderen lokalen Studien übereinstimmt.
Um dies zu verstehen, ordnet Weber ihre Arbeit in den historiografischen Kontext ein, wobei sie die neuere englische und französische Forschung berücksichtigt, den belgischen, niederländischen und italienischen Historikern, deren Arbeiten heute zu der Spitze des Feldes gehören, jedoch weniger Aufmerksamkeit schenkt. Sie widmet sich mit lobenswerter Sorgfalt ihren Quellen, deren Kontext und Inhalt, und untersucht auch die Struktur und Funktion des Gerichts selbst. Es sorgte für eine geordnete Regelung von Schuldstreitigkeiten, sogenannten "Spielregeln", ein selbstbewusster Verweis auf die Institutionentheorie von Douglass North, auf die sich diese Studie stark stützt.
Die Zahlen deuten auf das Ausmaß von Schulden hin, 11.200 Fälle über 11 Jahren allein. Das jährliche Volumen der Schuldenfälle vor dem Stadtgericht ist im Untersuchungszeitraum gestiegen. Die Zahl der Klagen wegen Nichtzahlung ging zurück, während die Zahl der Schuldanerkenntnisse zunahm, was Weber als Indiz sowohl für die weit verbreitete Akzeptanz von Schulden als auch für den verstärkten Rückgriff auf schriftliche Unterlagen wertet. Eine weitere Stichprobe ermöglicht die Identifizierung der Schuldner und Gläubiger in 37-50 Prozent der Fälle. Bei den meisten Schuldnern und Gläubigern, die vor Gericht erschienen, handelte es sich um arme oder mittelmäßig wohlhabende Handwerker und Krämer/innen. Frauen tauchen in 5-10 Prozent aller Fälle auf, eine überraschend bescheidene Zahl angesichts Webers Behauptung ihrer "Gleichstellung [...] im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit und Rechtsmündigkeit" (60). Auch hier deckt sich ihr Befund mit dem von Forschern, die an anderen Orten arbeiten: Die "Praktiken des Schuldenmachens [...] waren ein gesellschaftliches Breitenphänomen" (262).
Um diese Praktiken näher zu untersuchen, greift Weber auf eine qualitative Analyse von 328 Fällen zurück, und stellt fest, dass die modernen Begriffe "Geld" und "Kredit" die Komplexität des vormodernen Finanzwesens nicht angemessen erfassen. Ihre Beispiele zeigen, dass das vormoderne Münzgeld nicht in der gesamten vormodernen Gesellschaft gleichermaßen oder einheitlich als Recheneinheit, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel diente. Darüber hinaus enthalten die Augsburger Protokolle das Wort "Kredit" nicht, einen an sich anachronistischen Begriff, sondern verwenden nicht weniger als fünf verschiedene Bezeichnungen von Schuld-Kredit-Beziehungen (129, 132). Diese betrafen in der Regel bescheidene Summen, mehr als die Hälfte nicht mehr als 1 Gulden wert, und spiegeln die begrenzten Mittel der meisten Parteien vor Gericht wider. Sie zeigen trotz des gelehrten Diskurses deutlich, "[m]it der existierenden Vielfalt wussten die Menschen umzugehen [...]." (160).
Weber berücksichtigt auch Dokumente, die dem Gericht und seinen Protokollen untergeordnet sind. Verträge, Missive und Inventare regelten Machtverhältnisse, begrenzten Konfliktmöglichkeiten und wirkten prophylaktisch für die Zukunft. Sie leiten über zu einer Betrachtung von Sekundärmärkten, Gebrauchtwaren und Geldäquivalenten, die die Bedeutung von greifbarem, materiellem Eigentum im Schuldenmachen aufzeigen. Waren fungierten als Surrogate für Bargeld und ermöglichten den Zugang zu und die Teilnahme an Märkten. Wie Weber abschließend feststellt, ersetzten "die Praktiken des Schuldenmachens [...] das Münzgeld nicht, sondern ergänzten es" (266).
Schuldenmachen ist ein bemerkenswertes erstes Buch und ein wichtiger Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Finanzwesens. Durch die sorgfältige Untersuchung einer ungewöhnlich umfangreichen empirischen Datenbasis deckt die Autorin ein 'Meer' von Schulden auf. Dies ist keine Überraschung; Wissenschaftler sind in ganz Europa zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Doch es geht noch weiter. Woher stammt dieses Meer? Irgendwann musste Bargeld den Besitzer wechseln, es sei denn, das vormoderne Augsburg verfügte über ein vollständig treuhänderisches Finanzsystem. Wie die Frauen scheinen auch die Eliten vor dem Gericht unterrepräsentiert zu sein, was die Möglichkeit anderer, alternativer Institutionen der Verhandlung, Rechtsprechung und Streitbeilegung aufwirft. Wie kam es zu den Gezeiten des Meeres? Die Protokolle geben zu wenig Aufschluss über Finanzvermittler und -institutionen, die unzähligen Makler und Organisationen, die Kreditnehmer und Kreditgeber zusammenbrachten und das Kapital in Bewegung setzten. Dieses Buch fordert die Finanzhistoriker auf, sich mit diesen bisher weniger untersuchten Themen zu befassen. Und es bietet ihnen eine heilsame Erinnerung. Schulden bezeichnen viele verschiedene Formen von Beziehungen - Arbeitgeber-Arbeitnehmer, Ladenbesitzer-Kunde, Produzent-Lieferant - mit einem gemeinsamen Element: Sie waren "dynamische soziale Beziehungen, die gesellschaftliche Verflechtungen bedingten und deren zentrale Kategorien mit Kooperation, Akzeptanz und Aushandlung ernannt werden können" (266). Indem sie gezeigt hat, dass Schulden ohne ihren sozialen Kontext nicht angemessen verstanden werden können, hat Weber den Stand der Wissenschaft verändert.
Maria Weber: Schuldenmachen. Eine soziale Praxis in Augsburg (1480 bis 1532) (= Verhandeln, Verfahren, Entscheiden. Historische Perspektiven; Bd. 7), Münster: Aschendorff 2021, X + 334 S., zahlr. Abb., zahlr. Tbl., ISBN 978-3-402-14667-5, EUR 51,00
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