sehepunkte 25 (2025), Nr. 9

Maria Gerolemou / George Kazantzidis (eds.): Body and Machine in Classical Antiquity

Der Körper wird heute zunehmend als zu bearbeitendes, in dieser Hinsicht modifizier- und optimierbares Projekt begriffen. Nur folgerichtig gedeihen in diesem dynamischen Fahrwasser transhumanistische Diskurse, die seine technisch-instrumentelle Erweiterung und Ersetzbarkeit zum Gegenstand haben. Vor diesem Hintergrund boomen immer neue Gadgets und Wearables, die Sinneswahrnehmungen verbessern, erweitern oder Körperfunktionen überwachen. Von anderer Seite befeuern tagesaktuelle Diskurse rund um künstliche Intelligenz Vorstellungen einer zumindest partiellen Ersetzbarkeit menschlicher Kreativität.

Die apparative Nachbildbarkeit des Körpers und seiner Glieder beschäftigte bereits die Menschen der Antike auf verschiedenen Ebenen, und so verwundert es nicht, dass der transhumanistische Diskurs in jüngerer Zeit auch von altertumswissenschaftlicher Seite aufgegriffen wird. [1] Wurden hier bisher vor allem mythologische, moralische und technikgeschichtliche Aspekte thematisiert, ergänzt der vorliegende Sammelband die Diskussion durch die Einbringung eines medizingeschichtlichen Blicks auf dieses Spannungsfeld, indem der menschliche Körper selbst kontextuell in die Betrachtung einbezogen wird.

Die Entwicklung dieses ideengeschichtlichen Komplexes wird in drei thematischen Sektionen aufbereitet. In der ersten, den Aspekt der Hybridität behandelnden Sektion "Blended Bodies", wird die keineswegs klare Grenze zwischen belebten und unbelebten Körpern und Körperteilen über den Blick auf Automaten und Prothesen in den Fokus genommen. Die Beiträge der zweiten Sektion "The Technological Body" thematisieren die Manipulation des menschlichen Körpers durch Geräte, Gegenstände und Krafteinwirkung sowie die Reaktion des Körpers auf Einwirkungen von außen. In der dritten Sektion "Towards the Mechanization of the Body" geht es um mechanistische Perspektiven auf den Körper, insbesondere im Hinblick auf die Funktionen sowie das Zusammenspiel seiner Glieder und Organe. Wie insbesondere die Beiträge der ersten Sektion unterstreichen, beruhen die Anfänge der Vorstellung geschaffener agierender Körper nicht auf mechanischen Assoziationen, sondern vielmehr auf der Idee handwerklicher Schöpfungsgabe. Insbesondere der Aspekt ästhetischer Kunstfertigkeit scheint vor allem in älteren Zeugnissen bei ihrer Imagination eine wesentliche Rolle zu spielen, was nicht nur die äußere Gestaltung, sondern auch ihre Bewegungen betrifft, wie vor allem der Beitrag von Steiner aufzeigt.

Handwerklicher Kunstfertigkeit kommt nicht nur im Kontext von Automaten der archaischen Literatur, die durchweg Produkte magischer und göttlicher Schöpfung sind, sowie bei den sich scheinbar autonom bewegenden anthropo- und theriomorphen Apparaturen aus menschlicher Hand eine Schlüsselbedeutung zu, sondern in ähnlicher Assoziation auch im anatomischen Bereich, was sowohl den Aufbau des Körpers als auch seine Behandlung angeht. Entsprechend erscheint die Arztkunst als erfahrungsbasiertes Handwerk, bei dem sich das therapeutische Können fallspezifisch etwa anhand einer fachmännischen Kraftanwendung zeigt - wie die Beiträge von Gerolemou und De Groot veranschaulichen. Ein weiterer Zentralaspekt, der in Bezug auf den künstlichen wie auch den natürlichen Körper feststellbar ist, besteht darin, mit handwerklicher Ingenuität den Beobachter zu erstaunen. Ruffell thematisiert dies sehr zentral im Kontext der ausgeklügelten Mechanismen hellenistischer Automaten, die beim Publikum die Illusion autonomer Bewegungen erzeugen sollten. Im ärztlichen Kontext verweist Draycott auf das Erstaunen über scheinbare Gesundungen durch Prothesen. Handwerkliche Sensationen in Form ärztlicher Behandlung konnten bei Hippokratikern aber auch negativ aufgefasst werden, wenn komplexe therapeutische Geräte eher zur Schaulustbefriedigung als zum Vorteil der Patienten angewendet wurden, wie Gerolemou aufzeigt. Ungläubiges Erstaunen auf anderer medizinischer Ebene thematisiert Kazantzidis am Werk des Anatomen Erasistratos über den Körper, der dem sezierenden Gelehrten wie eine unüberschaubare, aber augenscheinlich ausgeklügelte Apparatur erscheint. Der Aspekt der Reaktion des Körpers auf mechanische oder therapeutische Manipulation und andere Beeinflussung kommt in den Aufsätzen von Gerolemou, De Groot, Webster und Mayhew zum Tragen. Erstere beiden thematisieren die sachgerechte Kraftausübung in der ärztlichen Behandlung von Läsuren. Letztere beiden gehen auf die Beeinflussung des Körpers durch äußere und innere Kräfte ein. Webster thematisiert im Kontext humoralpathologischer Zusammenhänge vor allem die Fähigkeit des Körpers zur Absorption, während Mayhew sich mit Theophrasts Abhandlung über die Einflussnahme von Feuchtigkeit auf die Gelenke befasst. Es ist bemerkenswert, dass Bezüge zum Körper über gänzlich verschiedene Zugänge mit unbelebten Konstruktionen hergestellt wurden und man daraus physiologische Schlussfolgerungen zog, wie es Mayhew und Korobili thematisieren. Letztere zeigt dies anhand von Aristoteles' Überlegungen zur Lungenfunktion mittels Blasebälgen im Zusammenspiel mit anderen "Geräten" wie dem Herzen, ersterer - wie schon erwähnt - über Theophrasts Reflexionen zur Gelenkgesundheit im Kontext der Wirkung von Feuchtigkeit auf hölzerne Konstrukte. Aus dem reinen Aussehen und beobachtbaren Vorgängen heraus zog man - augenscheinlich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit - Analogien zu Artefakten. Konkretere und systematischere Vorstellungen dieser Art findet man dann in Aussagen von Anatomen der hellenistischen Zeit, bei denen - synchron zu den Entdeckungen auf dem Gebiet der Mechanik - ein Konzept des Körpers als zunächst chaotisch erscheinender, letztlich aber perfekt aufeinander abgestimmter Mechanismus erkennbar wird. Hinsichtlich der Handwerkskunst der Natur sind hier - ähnlich wie bereits bei Aristoteles - in Ansätzen teleologische Überlegungen zu erkennen, die sich über durch Sektionen ermöglichte Einblicke wohl immer weiter verfestigten. Wie Valleriani aufzeigt, dürfte in dieser Zeit ein interdisziplinärer und theorieorientierter Austausch zwischen Anatomen und Ingenieuren stattgefunden haben. Bemerkenswerterweise scheinen dabei Beobachtungen und Schlussfolgerungen aus der Anatomie auch augenscheinlichen Einfluss auf die Entwicklung von Maschinen gehabt zu haben. Lewis weist in ihrem Aufsatz nach, dass entgegen breiter Forschungsmeinung auch in der Abhandlung Galens zum Weg der Nahrung durch den Körper mechanistische Ansätze zu finden sind, wenn Galen Bewegungsmuster anführt, die er auch bei toten Körpern verortet. Die Herausgebenden argumentieren für eine antike Sichtweise, wonach der Mensch als von der Handwerkskunst der Natur teleologisch hervorgebrachtes Produkt über seine Ingenuität an den Plan der Natur anknüpfen und sich selbst über Technik heilen und erweitern könne. Dies spiegelt sich paradigmatisch im Narrativ über missgebildete Handwerker - insbesondere repräsentiert durch den Gott Hephaistos - wider, die durch ihr Fertigungsgeschick und ihre Erfindergabe körperliche Defizite ausgleichen und sogar verbessern konnten. Diese Gesichtspunkte thematisieren Steiner und insbesondere Draycott, die in ihrem Beitrag Ansätze aus den Disability Studies einbringt.

Mit dem Aufgreifen des transhumanistischen Diskurses gelingt es dem Band in bestechender Weise - insbesondere über seinen besonderen Fokus auf medizinisch-anatomische Aspekte -, eine bisher nicht bekannte Facette des antiken Körperbildes sichtbar zu machen: nämlich, dass es zumindest in Teilen des antiken Denkens offenbar keine kategorische Abgrenzung zwischen lebendigen und künstlich erschaffenen Gliedern beziehungsweise Organen gegeben zu haben scheint. Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Stellung, die Körperstudien in der antiken Bildkunst einnehmen, kann diese Facette zur Entwicklung neuer Ansätze zu ihrem Verständnis beisteuern.


Anmerkung:

[1] Adrienne Mayor: Gods and Robots: Myths, Machines, and Ancient Dreams of Technology, Princeton 2018; Maria Gerolemou: Technical Automation in Classical Antiquity, London / New York [u. a.] 2023; Vinzenz Brinkmann: Maschinenraum der Götter: Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Eine Ausstellung der Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main, 8. März bis 10. September 2023, Berlin / München 2023.

Rezension über:

Maria Gerolemou / George Kazantzidis (eds.): Body and Machine in Classical Antiquity, Cambridge: Cambridge University Press 2023, XIII + 331 S., 14 Farb-, 8 s/w-Abb., ISBN 978-1-316-51466-5, GBP 85,00

Rezension von:
Jörg Erdtmann
Athen
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Erdtmann: Rezension von: Maria Gerolemou / George Kazantzidis (eds.): Body and Machine in Classical Antiquity, Cambridge: Cambridge University Press 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/09/38634.html


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