Jeremy Black: Die Kriege des 18. Jahrhunderts, Berlin: Brandenburgisches Verlagshaus 2001, 224 S., 73 farbige und 79 s/w- Abb., 20 Karten, ISBN 978-3-89488-137-5, EUR 14,90
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"Im Jahre 1757 stürmte Alaung-hpaya die Stadt Pegu und vereinigte damit Birma unter seiner Herrschaft. Im gleichen Jahr schlug Friedrich der Große von Preußen seine französischen und österreichischen Gegner bei Roßbach bzw. Leuthen in den Kämpfen, die später als Siebenjähriger Krieg (1756-1763) bekannt wurden. Der letzte Feldzug wird oft in Werken über die Militärgeschichte angeführt, der erste nie. Trotzdem", so Jeremy Black, "hatten beide die gleiche Bedeutung für das Leben der Menschen in den jeweiligen Gebieten und für die zukünftige Entwicklung verschiedener Teile der Welt, und beide erzählen uns viel, was für den Militärhistoriker von Interesse ist." Das Buch des englischen Historikers ist ein Plädoyer für die Abkehr von der "eurozentrischen Methode" bei der Untersuchung der "Militärentwicklung" im 18. Jahrhundert und für die Betrachtung von "Entwicklungen in anderen Gesellschaften", um dadurch eine "vergleichende Darstellung [zu schaffen], in deren Kontext die Ereignisse in Europa besser bewertet werden können" (16). Black möchte dies erreichen, indem er die "Kriegführung in verschiedenen Teilen unseres Planeten" untersucht: "Gibt es dafür ein übergreifendes Modell?"
Zu diesem Zweck gliedert er seine Arbeit in sieben Kapitel. Das erste beleuchtet "Kriege ohne Beteiligung Europas", das zweite ist überschrieben "Europäer gegen Nichteuropäer", das dritte "Konflikte zwischen Europäern in Übersee", das vierte "Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg", das fünfte "Krieg zur See", das sechste untersucht "Kriege innerhalb Europas" und das siebte nimmt "Das Herannahen der Revolution" in den Blick. Aber schon der Blick auf das Inhaltsverzeichnis macht klar, dass auch Black sich nicht einfach vom Eurozentrismus lösen kann. Abgesehen vom ersten Kapitel bildet die europäische Art der Kriegführung, die in Europa entwickelte Waffentechnik und die dort übliche Taktik den Bezugs- und Mittelpunkt, um den all seine Überlegungen kreisen. Denn am Ende war doch Europa "der Kontinent, auf dem Waffentechnik und Kriegsmethoden die größte Innovation erfuhren und dessen politische Macht schließlich die Welt beherrschen sollte" (208).
Entgegen der in der Einleitung geweckten Erwartung sind diese Kapitel auch nicht dazu konzipiert, die eingangs gestellte Frage zu beantworten. Stattdessen geben sie eine Übersicht über die jeweiligen Kampfhandlungen sowie die militärtechnischen und militärtaktischen Entwicklungen, die stattgefunden haben und in den verschiedenen Regionen wichtig waren. Black stützt sich dabei auf zahlreiche Vorarbeiten aus früheren Werken, so zum Beispiel auf seine Bücher "European Warfare, 1660-1815" (1994) und "War and the World" (1998). Um seine Gedanken anschaulich zu machen, verwendet er allerdings viele neue Beispiele, vielleicht zu viele. Denn die Argumentation des Autors krankt oftmals daran, dass er entweder darauf verzichtet, den jeweiligen Kontext hinreichend herzustellen, oder die ausgewählten Beispiele bunt zusammenwürfelt und nur sehr rasch und oberflächlich interpretiert.
So heißt es beispielsweise im Kapitel "Konflikte zwischen Europäern in Übersee" über die Auseinandersetzung zwischen den Engländern und Franzosen um Indien: "Im Nachhinein erscheint der Verlauf des Konfliktes zwischen Großbritannien und Frankreich logisch: Frankreich befand sich in der Defensive und wurde immer stärker bedrängt von einer Macht, die zur See stärker war und deshalb die Offensive ergreifen konnte. [...] Jedoch war die Situation weitaus komplexer. Der Sieg Großbritanniens war durchaus nicht unvermeidlich. [...] So scheiterten 1690 und 1711 auch die Angriffe auf Quebec. Im letzten Fall erlitten neun Schiffe im Nebel und Sturm des kartografisch unzureichend erfassten Sankt-Lorenz-Stromes Schiffbruch und die schlecht geleitete Expedition musste umkehren." Danach folgen Einzelheiten über die französischen Angriffe während des Österreichischen Erbfolgekrieges und über die britischen Erfolge während des Siebenjährigen Krieges. "Diese Erfolge," so die anschließende Schlussfolgerung, "widerspiegelten die Fähigkeit zur Kombination lokaler und aus dem Mutterland herangeführter Kräfte." Diese Fähigkeit sei entscheidend für die militärische Schlagkraft der britischen Truppen gewesen, "die durch die Einrichtung von Lagern und Garnisonen zur Versorgung mit Truppen und Munition noch verbessert wurde. Beide Faktoren führten zu einer solideren Planung der britischen Militäroperationen. Wie dieses System funktionierte, lässt sich an dem Feldzug gegen das von Spanien gehaltene Cartagena im heutigen Kolumbien im Jahre 1741 erkennen" (100-102). Ob die in den verschiedenen Kapiteln beschriebenen Feldzüge und Kämpfe nach einem "übergreifenden Modell" abliefen, bleibt deshalb wegen der häufig sprunghaften Betrachtungs- und Argumentationsweise Blacks offen.
Sein in der Einleitung benanntes Programm versucht er lediglich im ersten Kapitel teilweise umzusetzen. Darin beginnt er mit der Darstellung des Feldzuges der Dsungaren, eines Mongolenstammes, gegen Lha-bzan Khan, einen chinesischen Vasallen, um die Vorherrschaft in Tibet im Jahr 1717: "Nach einem allgemeinen Beschuss mit Musketen kam es [beim Aufeinandertreffen der Truppen] zum Nahkampf, insbesondere mit Schwertern und Messern, und nach einer Reihe ähnlicher Schlachten wurde Lha-bzan nach Lhasa zurückgedrängt, das selbst am 21. November 1717 nach Mitternacht erfolgreich gestürmt werden konnte." Erst nach zwei Jahren und einer Reihe von Kämpfen sei es den Chinesen gelungen, Stadt und Land zurückzuerobern.
Black misst diesen Kampfhandlungen "größere Bedeutung" bei, "da sie wenig bekannte Beispiele für allgemeine Prozesse bieten". Erstens zeige diese Auseinandersetzung den vorübergehenden Charakter des militärischen Erfolgs, was wichtig sei "hinsichtlich der Bewertung der militärischen Fähigkeiten und Effektivität, sowohl unter momentanen Bedingungen als auch über einen längeren Zeitraum" (24). Denn daran schlössen sich die Fragen an: Welche Schlachten und Feldzüge sind wichtig und sollten untersucht werden? Und wie können Armeen beurteilt werden? Zweitens würde "die entscheidende Rolle der Politik für die Kriegführung" unterstrichen. Ein Argument, das überrascht, da Black von politischen Verwicklungen zuvor nichts berichtete, das aber zu seiner etwas unvermittelten Argumentationsweise passt. Drittens bewiesen die Kampfhandlungen die Bedeutung der Kavallerie - auch dies lässt sich der Beschreibung Blacks nicht leicht entnehmen. Aus diesem Grund bringt er nachträglich Beispiele aus den Gebieten der Great Plains in Nordamerika, aus Nordindien und Teilen Afrikas bei (27-29).
"Weltweit", so sein Schluss, "nahm die Bedeutung der Kavallerie durchaus nicht ab, wie dies in Westeuropa der Fall war, sondern sie nahm in bestimmten Regionen sogar noch zu" (27). Doch dies bleibt leider der einzige Vergleich, den Black zwischen Europa und der übrigen Welt zieht.
Insgesamt scheinen seine Überlegungen, die in die richtige Richtung weisen, noch nicht ganz ausgereift. Es gelingt ihm nicht, die Flut seiner Beispiele und Erkenntnisse, die er aus einem umfassenden und bewundernswerten Wissen schöpft, in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, und ebenso wenig schafft er es, eine argumentative Linie zu entwickeln und durchzuhalten. Zu viele Probleme werden lediglich angeschnitten, was leider auch den Wert des Buches als Übersichtsdarstellung ein wenig trübt. Rundum gelungen ist ihm allerdings die Auswahl der Abbildungen und Karten, die zum größten Teil eigens für den Band angefertigt wurden. Blacks Beischriften, die sie erläutern, sind auf den Punkt geschrieben und oftmals informativer als der eigentliche Text.
Jürgen Luh