Rezension über:

Volker R. Berghahn: America and the Intellectual Cold Wars in Europe. Shepard Stone between Philanthropy, Academy, and Diplomacy, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2001, 373 S., ISBN 978-0-691-07479-5, GBP 27,95
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Rezension von:
Anselm Doering-Manteuffel
Seminar für Zeitgeschichte, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Anselm Doering-Manteuffel: Rezension von: Volker R. Berghahn: America and the Intellectual Cold Wars in Europe. Shepard Stone between Philanthropy, Academy, and Diplomacy, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2001, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 1 [15.01.2003], URL: https://www.sehepunkte.de
/2003/01/1374.html


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Volker R. Berghahn: America and the Intellectual Cold Wars in Europe

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Wer dieses Buch liest, spürt rasch, wie tief die Epoche des Kalten Krieges inzwischen in der Vergangenheit versunken ist. Die Lebensgeschichte von Shepard Stone, einer der bedeutenden Mittlerpersönlichkeiten im europäisch-amerikanischen Kulturkontakt nach 1945, macht das nur allzu deutlich.

Stone wurde 1908 in einer Provinzstadt in Neuengland als Kind jüdischer Einwanderer aus Osteuropa geboren. Er durchlief eine gute akademische Ausbildung, die ihn von der amerikanischen Ostküste nach Europa führte. Seinen Doktortitel erwarb er 1933 in Berlin, wo ihn Hermann Oncken mit einer zeitgeschichtlichen Arbeit über das deutsch-polnische Verhältnis nach dem Ersten Weltkrieg promovierte. In Berlin lernte er seine spätere Ehefrau kennen, Tochter aus einer Familie des metropolitanen Bildungsbürgertums jüdischer Herkunft. Das verstärkte einerseits seine Bindungen an Berlin und Deutschland, als er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in die USA heimkehrte, und schärfte andererseits seine kritische Distanz zum Heil-Hitler-Volk der Deutschen. Er wurde Journalist bei der New York Times, da man seine Kenntnisse über Mittel- und Ostmitteleuropa brauchen konnte. Im Zweiten Weltkrieg nahm er als Armeeoffizier am Vormarsch nach Deutschland 1944/45 teil, um ab 1946 wieder bei der New York Times zu arbeiten.

Stones Karriere begann 1949, als er nach der Gründung der Bundesrepublik mit dem amerikanischen Hochkommissar John McCloy an den Rhein kam. Während McCloys Amtszeit bis 1952 leitete er die Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten der Hochkommission. Hier knüpfte er die unzähligen Kontakte, die ihn für seine kommende Tätigkeit als Mittler im euroatlantischen und deutsch-amerikanischen Kulturaustausch qualifizierten. Von 1952 bis 1967 arbeitete er bei der Ford Foundation, und als einer der einflussreichen Cold War liberals organisierte er hier zum einen das Engagement der Stiftung in Europa und zum andern die finanzielle Unterstützung des Congress for Cultural Freedom (CCF), der wichtigsten, amerikanisch inspirierten, aber international fundierten Agentur für die Verbreitung einer spezifisch "westlichen" Ideologie im Kalten Krieg. Diese Ideologie war linksliberal geprägt, vom Keynesianismus beeinflusst und in den dreißiger Jahren während des New Deal unter Ostküsten-Intellektuellen und in der Roosevelt-Administration vorherrschend geworden. Nach 1945 diente sie den Amerikanern als Waffe im Kampf gegen den Kommunismus und bald auch als ideelles Angebot an die Intellektuellen Westeuropas, ein gemeinwestliches kulturelles Bewusstsein zu entwickeln und die traditionelle Abgrenzung von europäischer Hochkultur gegen die amerikanische Massenkultur zu überwinden.

Als die Geschichte des CCF 1967 endete, wurde Stone der Präsident der Nachfolgeorganisation International Association for Cultural Freedom (IACF), die indessen keinen dem CCF vergleichbaren Einfluss mehr auszuüben vermochte. Als Präsident des IACF residierte Stone in Paris. Er fühlte sich dort nicht wohl, weil er anhaltend gegen den obstinaten Anti-Atlantizismus der französischen Intellektuellen ankämpfen musste, ohne Resonanz zu finden, und weil seine europäischen Wurzeln in Berlin, nicht aber in Paris lagen. Deshalb war es auch nur konsequent, dass er 1974 die Leitung der neu eröffneten Berliner Dependance des Aspen Instituts übernahm, die er bis 1988 innehatte. In diesen Jahren war das Aspen Institut in West-Berlin gewiss die lebendigste und anregendste transatlantische Begegnungsstätte in Deutschland, wo Kulturkontakt, Bündnisbeziehungen in den Zeiten von Entspannungspolitik, Nahostkonflikt, Nachrüstung und Friedensbewegung oder politisch-ideelle Entwicklungen in Deutschland, Westeuropa und den USA während der Moderne zur Diskussion gestellt wurden.

Wer ihn kannte, sprach achtungsvoll von Shepard Stone als dem großen amerikanischen Freund Berlins und Deutschlands, dessen charmante Intelligenz und geschmeidige Kontaktfähigkeit beeindrucken konnten. Bis ins letzte Jahr vor dem Kollaps des Ostblocks repräsentierte er in West-Berlin die ebenso spannungsvolle wie bereichernde Partnerschaft zwischen amerikanischen, westdeutschen und westeuropäischen Intellektuellen, deren Rahmen freilich durch den Ost-West-Konflikt bestimmt war.

Das Buch erzählt die Geschichte von Shepard Stone anhand der Materialien aus dem Nachlass, die im Archiv von Dartmouth College, seiner akademischen Heimat, aufbewahrt werden. Der Hintergrund der Cold Culture Wars, in denen Cold War liberals wie Stone ihren Part spielten, wird in zwei Kapiteln knapp umrissen, die die neuere Literatur, bisweilen ohne hinreichend präzisen Nachweis, zusammenfassen. Das eine behandelt die Entstehung der Massengesellschaft im Zuge der Industrialisierung und die Debatte über "Elite" und "Masse" in Europa sowie die Herausbildung der Massenkultur in Amerika. Dieser Gegensatz bestimmte am Anfang des 20. Jahrhunderts die gegenseitige Wahrnehmung, bis die totalitären Systeme den Gegensatz von Demokratie und Diktatur an die Stelle rückten und eine Neuformierung des transatlantischen Identitätsdiskurses erforderlich machten. Das andere Hintergrund-Kapitel folgt der deutschsprachigen Analyse von M. Hochgeschwender (Freiheit in der Offensive?, München 1998) und behandelt die Geschichte des CCF und die Ausbreitung des atlantischen Linksliberalismus als Integrationsideologie im Kalten Krieg.

Shepard Stone war dem CCF insofern verbunden, als er über die Ford Stiftung die Finanzierung sicherstellte, bis Anfang der sechziger Jahre bekannt wurde, dass die finanzielle Grundausstattung von der CIA kam. Hier lässt sich erkennen, wie sehr in der Nachkriegszeit die Steuerung von Finanzströmen und die Beherrschung von Multiplikatoren-Netzwerken zu den Voraussetzungen zählten, um zwischen den USA und Westeuropa eine kompatible Meinungsbildung zu ermöglichen. Die Intellectual Cold Wars in Europa waren der Kampf gegen den Kommunismus und gegen den kulturellen Anti-Amerikanismus unter europäischen Intellektuellen. Stone gehörte zu den wichtigen Personen, die sowohl Geld als auch Meinungen lenken konnten. Darin lag seine Bedeutung.


Anselm Doering-Manteuffel