Horst G. Ludwig: Von Adam bis Zügel. Bilder einer süddeutschen Privatsammlung, München: Hirmer 2001, 349 S., 192 Abb., davon 182 in Farbe, ISBN 978-3-7774-9390-9, EUR 55,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Alain Schnapp: Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie, Stuttgart: Klett-Cotta 2009
Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Wien: Böhlau 2011
Stefanie Muhr: Der Effekt des Realen. Die historische Genremalerei des 19. Jahrhunderts, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006
Der opulente Bildband präsentiert eine süddeutsche Privatsammlung, deren Schwerpunkt vor allem Werke der Münchner Malerei des 19. Jahrhunderts bilden. Darüber hinaus finden sich einige Beispiele der Düsseldorfer und Berliner Kunst, sowie vereinzelte österreichische Bilder. Diese breite Fächerung führt dazu, dass alle wichtigen Bildgattungen und die signifikanten Stilrichtungen des 19. Jahrhunderts mit zum Teil sehr guten Beispielen vertreten sind. Nach einem knappen Vorwort des Autors wird der Sammlungsbestand in einem 171 Nummern umfassenden Katalog vorgestellt. Dieser ist alphabetisch nach Künstlern gegliedert. Der Leser findet dabei jeweils auf der rechten Seite eine häufig ganzseitige Farbabbildung des besprochenen Werks. Der erläuternde Text auf der linken Seite ist zweiteilig: Zunächst wird die kurze Biografie des Malers vorgestellt, darauf folgen einige Bemerkungen zur kunsthistorischen und stilistischen Einordnung, sowie ein Verweis auf einzelne Werke des Künstlers in öffentlichen Sammlungen. Einzelne Literaturverweise schließen diesen Teil ab. Dann erfolgt die Vorstellung des jeweils gezeigten Bildes: Neben den technischen Angaben wird dabei zum Teil auf den Zustand des Malgrundes eingegangen und es werden eventuell vorhandene Beischriften oder Aufkleber auf der Rückseite genannt. Eine summarische Bildbeschreibung schließt die Katalognummer ab. In wenigen Fällen findet sich darüber hinaus ein Verweis auf Vergleichswerke oder Repliken (so beispielsweise zu Katalognummer 9, Seite 26). Die für einen wissenschaftlichen Katalog zu erwartenden Provenienzangaben fehlen fast durchgängig. Am Ende des Buches findet der Leser ein Personen- und Ortsregister.
Die Publikation muss sich an einem Anspruch messen lassen, der mit der prächtigen Präsentation vorgegeben ist. Tatsächlich verspricht der Klappentext, dass die Sammlung "wissenschaftlich aufgearbeitet" werde. Leider ist dies nicht der Fall. Dabei fällt zunächst der Verzicht auf eine über das Einzelwerk hinausgehende Einordnung von Sammlungsschwerpunkten auf. Beispielsweise wäre eine Einführung in die Münchner Malerei und ihre Abgrenzung von anderen Schulen des 19. Jahrhunderts wünschenswert gewesen. Hier hätten dann auch einzelne, in der Sammlung vertretene Künstlerpersönlichkeiten in ihren Kontext eingeordnet werden können. So bleibt das knapp einseitige Vorwort der einzige übergeordnete Beitrag. Schwerer wiegt jedoch die fehlende Kennzeichnung (oder gar Identifizierung) der Sammlung selbst oder ihres Entstehungszeitraums. Dies erstaunt vor allem angesichts von Ludwigs Feststellung in seinem Vorwort "Mehr noch als die Bestände eines Museums ist die Sammlung eines Privatmannes subjektiv ausgerichtet. Hier können Vorlieben stärker ausgelebt und bestimmte Richtungen außer Acht gelassen werden. Gerade das macht ihren Reiz aus." (9) Wie interessant eine Charakterisierung der Sammlung hätte sein können, zeigen die wenig später mitgeteilten Informationen: "Dass die beiden Malerbrüder Leopold und Alexander Rothaug [mit zehn Bildern] so breit vertreten sind, hängt mit der Freundschaft der Sammlerfamilie mit den beiden Künstlern zusammen. Dasselbe gilt für Gabriel Max [acht Bilder], [...]." (9). Leider ist dies das Einzige, was man über die Zusammensetzung der Sammlung erfährt, sieht man einmal von einer Zuordnung einzelner Künstler zu Schulen und Stilrichtungen im Rahmen des Vorworts ab.
Auch die Katalogbeiträge können nicht befriedigen. Die Darstellung der Werke selbst bleibt zumeist auf eine bloße Bildbeschreibung beschränkt, endet also dort, wo die eigentliche wissenschaftliche Auseinandersetzung hätte einsetzen müssen. Zudem sind gerade hier einzelne Behauptungen kaum nachvollziehbar. So heißt es zu einem Studienkopf von Friedrich August Kaulbach (Nummer 58): "Bewußt wurde hier eine Frontalität bei dem Brustbild angestrebt, die beim Kopf nur ganz leicht verändert wurde. Diesem strengen axialen Prinzip widerspricht die Jugend des Mädchens, [...]." (128) Zu Franz von Lenbachs Bildnis Anna Schubart (Nummer 73) schreibt der Autor: "Die Physiognomie wurde fein herausgearbeitet, während Oberkörper und Hintergrund nur summarisch gestaltet sind. Diesen altmeisterlichen Darstellungsmodus übernahm der Künstler von Rembrandt, [...]." (160) In den jeweils einleitenden Künstlerbiografien erfährt der Leser wenig Neues; auffällig sind hier die häufigen Künstlertopoi: Über Heinrich Bürkel ist da zu lesen, dass er "seinen Wunsch Künstler zu werden, gegen den Willen seiner Eltern durchsetzen" musste (30), Kaulbach gilt als "Prototyp gründerzeitlicher Malerei" (124), Leo von Klenze habe neben seiner Tätigkeit als Architekt "seit etwa 1825 viel gemalt und gezeichnet" (140). Auch überrascht es nicht wirklich zu lesen, Wilhelm Leibl sei "die zentrale Gestalt des sog. Leibl-Kreises" gewesen (158). Grundsätzlich sind die Informationen zu den bekannteren Künstlern etwas ergiebiger, jedoch muss man beispielsweise bei einem Maler wie Anselm Feuerbach fragen, welchen Sinn hier die Auflistung von Orten macht, an welchen dessen Werke zu finden sind - zum Beispiel in der "Stiftung Pommern" (76).
Eine kritische Durchsicht der Katalogbeiträge zeigt, dass bei den meisten Münchner Malern die biografischen Angaben und kunsthistorischen Einordnungen lediglich Paraphrasen von Artikeln aus dem Lexikon der Münchner Maler im 19. Jahrhundert sind. Dabei reicht schon ein Vergleich des ersten Eintrages zu Franz Adam (12) mit dem entsprechenden Artikel. [1] Allerdings ist dabei wenigstens stellenweise die Literatur aktualisiert. Angemerkt sei noch, dass der Leser angesichts des Titels "Von Adam bis Zügel" erstaunt feststellt, dass der Katalog mit einem Werk Ludwig von Zumbuschs schließt.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Buch seinen eigenen Anspruch wissenschaftlicher Aufarbeitung nicht einlöst. Man erfährt über bereits zugängliche Informationen hinaus kaum Neues. Das Werk muss sich mit anderen Aufarbeitungen von Privatsammlungen messen lassen - hier sei stellvertretend lediglich der Katalog der Sammlung Georg Schäfer genannt [2] - und kann dann nur enttäuschen. Positiv hervorzuheben sind die von Achim Bunz aus München gemachten fantastischen Farbfotos und die bei Hirmer übliche opulente Präsentation.
Anmerkungen:
[1] Horst Ludwig: "Adam, Franz.". In: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst: Münchner Maler im 19. Jahrhundert. 4 Bde. München 1981-1984. Bd. 1. München 1981, 15, 18.
[2] Bruno Bushart / Matthias Eberle / Jens Christian Jensen: Museum Georg Schäfer Schweinfurt. Erläuterungen zu den ausgestellten Werken. Schweinfurt 2000.
Ekaterini Kepetzis