Paweł Machcewicz (Hg.): Polska 1986-1989. Koniec systemu. Materiały międzynarodowej konferencji. Miedzeszyn, 21-23 października 1999. [Polen 1986-1989. Ende eines Systems. Materialien einer internationalen Konferenz. Miedzeszyn, 21.-23. Oktober 1999.] Bd. 1: Referaty. [Referate.], Warszawa: Wydawnictwo TRIO 2002, 266 S., ISBN 978-83-88542-01-5
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Andrzej Paczkowski (Hg.): Polska 1986-1989. Koniec systemu. Materiały międzynarodowej konferencji. Miedzeszyn, 21-23 października 1999. [Polen 1986-1989. Ende eines Systems. Materialien einer internationalen Konferenz. Miedzeszyn, 21.-23. Oktober 1999.] Bd. 2: Dyskusja. [Diskussion.], Warszawa: Wydawnictwo TRIO 2002, 324 S., ISBN 978-83-88542-02-2
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Antoni Dudek / Andrzej Friszke (Hgg.): Polska 1986-1989. Koniec systemu. Materiały międzynarodowej konferencji. Miedzeszyn, 21-23 października 1999. [Polen 1986-1989. Ende eines Systems. Materialien einer internationalen Konferenz. Miedzeszyn, 21.-23. Oktober 1999.] Bd. 3: Dokumenty. [Dokumente.], Warszawa: Wydawnictwo TRIO 2002, 347 S., ISBN 978-83-88542-03-9
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Andrzej Friszke: Polska. Losy państwa i narodu 1939 - 1989. [Polen. Schicksale des Staates und der Nation 1939-1989], Warszawa: Wydawnictwo Iskry 2003
Paweł Machcewicz: Der umkämpfte Krieg. Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Entstehung und Streit, Wiesbaden: Harrassowitz 2018
Paweł Machcewicz: Poland's War on Radio Free Europe 1950-1989, Stanford, CA: Stanford University Press 2014
Die im Oktober 1999 vom Institut für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften veranstaltete Konferenz brachte zum Teil prominente Akteure der politischen Umgestaltung Polens in den Jahren 1986-1989 (darunter Bronisław Geremek, Tadeusz Mazowiecki, Marian Orzechowski, Janusz Reykowski und andere), einige ausländische Zeitzeugen sowie Politologen und Zeithistoriker aus Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, der früheren Sowjetunion, den USA, Frankreich und Deutschland zusammen. Der von den Veranstaltern bewusst eng gewählte Betrachtungszeitraum umfasst die Zeit von der Amnestie der politischen Gefangenen im September 1986 bis zum Scheitern der Formierung einer großen Koalition aus Repräsentanten des alten Regimes und der Opposition sowie der Bildung der Regierung Mazowiecki im September 1989. Damit wird deutlich, dass es den Organisatoren eher um eine kleinschrittige Rekonstruktion der politischen Entscheidungsprozesse in diesem Zeitraum ging als um eine Untersuchung der nur in längeren Perioden zu erfassenden sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen, die schließlich zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems führten.
Dieser Ansatz wird auch in den meisten Beiträgen der polnischen zeithistorischen und politologischen Referenten deutlich. Eingangs stellt sich allerdings Edmund Wnuk-Lipiński der schwierigen Aufgabe, die damaligen Veränderungen der politischen Einstellungen in der polnischen Gesellschaft anhand von zeitgenössischen demoskopischen Erhebungen zu rekonstruieren, die er, soweit sie von akademischen Soziologen und nicht von Parteiinstanzen durchgeführt wurden, als weitgehend zuverlässig einschätzt. Einer seiner erstaunlichsten Befunde ist, dass die katholische Kirche bereits in den Jahren 1984-1988 als politische (also jenseits religiöser Fragen wirksame) Instanz an Zustimmung bei der polnischen Bevölkerung verlor, also nicht erst nach 1990, als sie tatsächlich unmittelbaren Einfluss auf das Regierungshandeln gewann.
Piotr Marciniak stellt zunächst die konservative These auf, dass innerhalb des Beziehungsdreiecks Regierungselite, oppositionelle Elite und Gesellschaft nicht etwa der Druck der Massen, sondern die Aushandlung zwischen beiden Eliten zum Regimewechsel geführt habe; daraus entwickelt er die zweite These, dass erst der relativ geringe Massenprotest den aus der Solidarność-Bewegung stammenden Angehörigen der neuen politischen Elite die Durchführung schneller und radikaler Reformen erlaubt habe.
Leszek Gilejko, Jan Skórzyński, Andrzej Friszke und Antoni Dudek liefern aus unterschiedlichen Perspektiven eine detaillierte Chronologie der politischen Entscheidungsprozesse, die über die Vorverhandlungen zwischen Regierung und Opposition, den Runden Tisch und schließlich das Scheitern der von beiden Seiten angestrebten längerfristigen Kompromisslösung der Machtteilung bis zur endgültigen Abdankung des alten Regimes führten. Dabei wird deutlich, dass sich auf der einen Seite die kommunistische Regierung noch unmittelbar vor den Sejmwahlen vom Juni 1989 reale Chancen auf die Erhaltung ihres faktischen Machtmonopols trotz Pluralisierung des politischen Systems ausrechnete, während die Verantwortlichen auf der Solidarność-Seite vor einer raschen Machtübernahme zurückschreckten, um nicht verfrüht mit der Verantwortung für die Reform der maroden Ökonomie belastet zu werden.
Auch wenn es Friszke nicht unterlässt, auf die Bedeutung des von Michail Gorbačev Ende 1988 erklärten Verzichts auf die Anwendung der Brenev-Doktrin hinzuweisen, bleibt in den polnischen Beiträgen insgesamt die außenpolitische Dimension und besonders der Einfluss der sowjetischen 'perestrojka' auf den Systemwandel in Polen wenig konturiert. Dieses Manko wird zumindest teilweise von den knappen Beiträgen der ausländischen Referenten wettgemacht, die ihre jeweiligen Fallbeispiele stärker in eine vergleichende Perspektive stellen. Oldřich Tůma ordnet in bewusster Vereinfachung seinen Untersuchungsfall der ČSSR ebenso wie die DDR dem erzwungenen Regimewandel durch Massenprotest zu, während Polen und Ungarn den Weg der Verhandlungslösung gegangen seien. Czaba Békés verweist auf den starken Reformflügel der ungarischen KP, der ähnlich wie in Polen eine solche Lösung überhaupt erst ermöglicht habe. Jordan Baiev beschreibt nicht so sehr die verspätete Abdankung des kommunistischen Regimes in Bulgarien als vielmehr die Wahrnehmung der in Ostmitteleuropa vorgehenden Veränderungen in den Entscheidungsgremien des Warschauer Paktes. Als Ironie der Geschichte bezeichnet es Mihai Retegan in seinem Beitrag zu Rumänien, dass der zuvor stets in Distanz zur sowjetischen Hegemonialmacht agierende Nikolae Ceauçescu sich in den letzten Monaten seines Regimes zu einem Verfechter eines militärischen Durchgreifens à la 1968 wandelte, wie es übrigens auch von Erich Honecker für opportun gehalten wurde.
Der ungewöhnlichste Teil der Edition ist sicher der zweite Band, der die Wortprotokolle der zweieinhalbtägigen Konferenz enthält. Der dokumentarische Ehrgeiz der Herausgeber ging hier so weit, dass selbst die mündlichen Referate in vollem Wortlaut abgedruckt wurden, die der erste Band in Aufsatzform bringt: Da die vollen Texte den Konferenzteilnehmern vorlagen, hätten Verlag und Herausgeber an dieser Stelle vielleicht über eine ökonomischere Editionsform nachdenken können. Das Ergebnis ist ein Hybrid aus wissenschaftlichem Referat, Ansätzen zu zeithistorischen Interviews (im Wechselspiel von Fragen der Historiker und Antworten der Beteiligten) sowie frei-assoziativen Monologen, die nicht unbedingt eine klare thematische Linie erkennen lassen. Insgesamt fällt der unaufgeregte und sachliche Tonfall der Diskussionen positiv auf. Der dritte Konferenztag war außenpolitischen Aspekten des Regimewandels gewidmet, sodass in diesem Abschnitt die häufig in informellen Gesprächen stattfindenden Entscheidungsprozesse nochmals aus einer neuen Perspektive beleuchtet werden. Insgesamt ist dieses Textkonvolut mangels klarer Gliederung und Vorstellung der Diskussionsteilnehmer (soweit sie nicht in den im ersten Band abgedruckten Kurzbiographien berücksichtigt sind) nicht gerade leicht zu handhaben, liefert aber sicher dem Experten eine Vielzahl wertvoller Detailinformationen.
Der Dokumentenband enthält 58 zuvor unveröffentlichte Quellen, die hauptsächlich aus dem Archivbestand der vormaligen Staatspartei, in Einzelfällen aber auch aus sowjetischen, ostdeutschen und amerikanischen Archiven sowie Privatsammlungen von Zeitzeugen stammen. Die Auswahl folgt wiederum den didaktischen und chronologischen Vorgaben der Konferenz. Botschafter- und Geheimdienstberichte geben zusätzlich Einblicke in die Perzeption der Vorgänge in Polen durch die Regierungen der sozialistischen Nachbarstaaten. Ein von den Herausgebern nicht zu verantwortendes Manko bleibt die Tatsache, dass die Forschung weiter keinen Zugang zu den Geheimdokumenten des Verteidigungs- und des Innenministeriums erhält, weshalb auch die zweifellos wichtige Haltung von Militär und Sicherheitsdiensten nicht beleuchtet wird. Zusammen mit einer umfangreichen Bibliografie zuvor erschienener Quelleneditionen, Autobiografien und Literatur zum Thema bildet das Gesamtwerk für den an der polnischen Zeitgeschichte Interessierten ein unentbehrliches Hilfsmittel, es eignet sich aber auch gut als Basis für die Arbeit im Universitätsseminar.
Andreas R. Hofmann