Alois Schmid (Hg.): Das Neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Erster Teilband: Staat und Politik (= Handbuch der Bayerischen Geschichte. Begr. v. Max Spindler; Bd. IV, 1), 2., völlig neu bearbeitete Auflage, München: C.H.Beck 2003, XXXIII + 1047 S., Bayern, Geschichte, Oberpfalz, Geschichte <1100-1800>, Schwaben, Geschichte <500-1800>, Franken, ISBN 978-3-406-50451-8, EUR 98,00
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Alois Schmid (Hg.): Das Neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Innere Entwicklung und kulturelles Leben, 2., völlig neu bearb. Aufl., München: C.H.Beck 2007
Der Band IV, 1 der zweiten, völlig neu bearbeiteten Auflage des von Max Spindler begründeten Handbuches zur Bayerischen Geschichte liegt seit 2003 vor. Der Ausdruck "völlig neu bearbeitet", wie auf dem Titelblatt vermerkt, bedarf einer differenzierenden Betrachtung. Alt ist die Konzeption des Bandes. Sie folgt sehr eng der ersten Auflage. Schon rein äußerlich ist dies sichtbar an der im Wesentlichen beibehaltenen Gliederung. Auch viele Haupt- und Unterkapitel haben gleiche oder ähnliche Überschriften wie die erste Auflage. So ist die Politikgeschichte wieder getrennt in einem ersten Teilband behandelt, dem dann ein Zweiter über die innere Entwicklung folgen wird, so als ob sich das immer noch so leicht voneinander trennen ließe. Im Übrigen ist diese Trennung - wie auch schon bei der ersten Auflage - nicht immer durchgehalten. Das Unbehagen über diese Trennung bleibt bestehen.
Alt ist auch der Zugriff. Er ist im Wesentlichen der darstellenden Methode verpflichtet und chronologisch-ereignisgeschichtlich orientiert sowie in vielen Teilen - jedoch nicht durchgängig - ganz wie viele Geschichtsdarstellungen des 19. Jahrhunderts sehr stark um Herrschergestalten und dann um Ministerpräsidenten zentriert. So beginnt das Handbuch zum Beispiel mit dem Kapitel "Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825)" und endet im "Ausblick" mit "Die Kabinette Stoiber I, II, und III (1993-1998)".
Im Übrigen fehlt eine Einleitung, in der die Gestaltung des Bandes, noch besser der zwei Teilbände, erläutert worden wäre. Es fehlt auch - im Unterschied zur Erstauflage - ein Überblick über die Inhalte des zweiten Teilbandes, der doch konzeptionell so eng mit dem ersten Teilband verwoben sein dürfte, dass man eigentlich erwarten könnte, jetzt schon etwas über den Gesamtzuschnitt beider Teilbände über "Das Neue Bayern" zu erfahren. Aber dem ist nicht so. Im Vorwort (eineinhalb Seiten und hauptsächlich Danksagungen) steht nur kurz dazu, dass der zweite Teilband in Bearbeitung ist. Nicht einmal der Titel, der für den zweiten Teilband vorgesehen ist, wird genannt.
An der Konzeption der Erstauflage festzuhalten hat seine Vor- und Nachteile: Die Kontinuität ist zwischen der ersten und der neuen, zweiten Auflage zwar gewahrt. Aber man findet wie in der Erstauflage keine eigenen Kapitel zu übergreifenden Grundproblemen der bayerischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, keine Kapitel zu durchaus auch in der bayerischen Geschichte vorhandenen unterschiedlichen Forschungsansätzen und Forschungskontroversen sowie nur sehr wenige Seitenblicke, wie sich die bayerische Geschichte von der Geschichte anderer Regionen oder Staaten in Deutschland unterscheidet oder ob sie zu ihr parallel läuft. Die Einordnung der bayerischen Geschichte - Was ist an ihr spezifisch? Was ist vergleichbar mit anderem? - überlassen die Autoren dem Leser. Die Neuansätze anderer Handbücher, die auch Forschungsberichte inkorporieren, haben keinen Eingang gefunden in diese "völlig neu bearbeitete Auflage". Erstes Fazit: Das neue Handbuch ist methodisch das alte.
Organisation und Konzeption des Bandes gehen laut Herausgeber Alois Schmid im Vorwort zwar "weithin" auf den verstorbenen Dieter Albrecht zurück. Alles in allem drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass all diejenigen, die mit der Herausgabe des Handbuches befasst waren, sich insgesamt zu wenig grundlegende Gedanken über die Gesamtkonzeption gemacht haben (oder haben machen können).
Aber dann das zweite Fazit: Erfreulich genau, erfreulich detailliert, immer mit dem Anspruch der Vollständigkeit verbunden, wird, soweit es der Rezensent übersehen kann, gleich bleibend in allen Teilen des Werkes die vorhandene - auch an entlegenen Stellen erschienene - Forschungsliteratur zu den Einzelthemen eingearbeitet, und zwar in einer Fülle von seitengenauen Anmerkungen zu den einzelnen Textpassagen wie auch in Form von Kurzbibliografien zu den einzelnen Haupt- und Teilkapiteln. Ausführliche Verweise auf grundlegende Quellen vervollständigen den positiven Eindruck. Mit dem Ansatz, möglichst alle erschienene Literatur zu einem Thema zu berücksichtigen, folgt die zweite Auflage im Übrigen ebenfalls dem Ansatz der Ersten. Die minutiöse Einarbeitung der bisher erschienenen Sekundärliteratur in eine detailgenaue Darstellung der Geschichte Bayerns von 1800 bis zur Gegenwart wird das bleibende Verdienst des Werkes sein.
Die Autoren der einzelnen Kapitel, Dieter Albrecht (verstorben), Karl-Ulrich Gelberg, Heinz Hürten, Andreas Kraus, Wilhelm Volkert, Eberhard Weis, Walter Ziegler - alle ausgewiesene Spezialisten für die bayerische Landesgeschichte -, haben trotz der offenen Fragen zur Gesamtkonzeption zu diesem erfreulichen Ergebnis beigetragen.
Neu gegenüber der Erstauflage ist notwendigerweise auch das Schlusskapitel, der "Ausblick", der die Geschichte Bayerns bis zum Jahr 1998 fortführt. Im Vorwort steht zur Behandlung der jüngsten Zeitgeschichte in diesem Handbuch, dass hier das "vergangene halbe Jahrhundert erstmals seine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung" erfahren habe. Ob dem wirklich so ist, kann man dahingestellt sein lassen, und man sollte es vielleicht auch, wegen der allzu großen Nähe zur Tagespolitik. Endete das alte Handbuch bei der Ära des Ministerpräsidenten Goppel, so hört die Neuauflage jetzt mit einem markanten Zitat aus der Regierungserklärung des derzeit regierenden Ministerpräsidenten Stoiber auf.
Ein knapp 40 Seiten langes, sehr hilfreiches, von Willy Jäger erstelltes Register schließt den Teilband ab. Hier unterscheidet sich die Neuauflage von der Erstauflage. Da gab es wenigstens ein Gesamtregister über beide Teilbände. Freilich erleichtert das Einzelregister die Benutzbarkeit des ersten Teilbandes. Man darf also wegen des inneren Zusammenhanges auf den zweiten Teilband gespannt sein. Dann erst kann das Gesamtwerk über "Das Neue Bayern" in Hinblick auf Stärken und Schwächen angemessen gewürdigt werden.
Manfred Hanisch