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Martina Heßler: 50. "Geburtstag" des Doppelhelix-Modells. Einführung, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 2 [15.02.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
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50. "Geburtstag" des Doppelhelix-Modells

Einführung

Von Martina Heßler

Längst ist das Modell der Doppelhelix - wie auch das Atommodell - zu einer Ikone unseres Zeitalters avanciert. Dabei sind solche Ikonen immer auch das Ergebnis einer Stilisierung. Während beispielsweise Watsons und Cricks Originalmodell der Doppelhelix einige Zeit im Labor verstaubte, wurde es später wieder rekonstruiert und reüssierte schließlich, nicht zuletzt in symbolischer Form, geradezu zu einem Faszinationsobjekt, wie Thomas Wieland in seiner Rezension zu Soraya de Chadarevians "Design for Life" hervorhebt. Zudem gilt die Entschlüsselung der Doppelhelix-Struktur im Jahr 1953 häufig als Ausgangspunkt einer kontinuierlichen Entwicklung der Molekularbiologie, die derzeit in ihrer anwendungsorientierten Form der Bio- und Gentechnologie gleichermaßen mit Zukunftshoffnungen wie -ängsten verbunden ist und zu einem brisanten und kontrovers diskutierten Forschungsfeld geworden ist. Anlass also, sich einer Reihe von Publikationen zur Geschichte der Molekularbiologie zuzuwenden, die im Umfeld des 50. "Geburtstags" des Doppelhelix-Modells im letzten Jahr erschienen sind. Sie widmen sich den "Entdeckern" des Modells, vor allem James Watson, aber auch der lange Zeit in ihrer Bedeutung für die Entdeckung der DNA-Struktur missachteten Rosalind Franklin sowie der Entwicklung des Forschungsfeldes der Molekularbiologie.

Wie Thomas Wieland zusammenfasst, analysiert das bereits erwähnte Buch von Soraya de Chadarevian in einem lokalhistorischen Ansatz die Entwicklung der Molekularbiologie nach dem Zweiten Weltkrieg. Indem Chadarevian detailliert einen bedeutenden Ort molekularbiologischer Forschung fokussiert, nämlich das britische MRC Laboratory for Molecular Biology, kann sie "die Genese eines neuen Wissenschaftsfeldes im Schnittpunkt von Forschungspraxen, institutionellen und politischen Aushandlungsprozessen sowie öffentlicher Inszenierung von Wissenschaft verständlich" machen, so Wieland.

Die beiden von Ute Deichmann besprochenen Bücher von Ernst Peter Fischer, "Am Anfang war die Doppelhelix", sowie von Werner Bartens, "Dem Leben auf der Spur", befassen sich neben der Geschichte der Strukturaufklärung der DNA und der Entwicklung der Molekularbiologie zugleich stärker mit den daran beteiligten Wissenschaftlern. Bartens vermittelt dabei, wie Ute Deichmann schreibt, "auch Lesern ohne biologische Kenntnisse einen Eindruck von molekularbiologischen Forschungen und einige(n) der maßgeblich daran beteiligten Wissenschaftler." Ernst Peter Fischer nahm den Jahrestag der Entdeckung der DNA-Strukur, der fast genau auf den 75. Geburtstag von James Watson fiel, zum Anlass, dessen wissenschaftliche Biographie nachzuzeichnen, mit dem Ziel diese "so spannend (zu) schildern, dass sie die Leser in ihren Bann zieht." Dass er bei diesem Unterfangen durchaus erfolgreich sein könnte, gleichwohl aber dabei gelegentlich die wissenschaftliche Genauigkeit opfert, zeigt Ute Deichmann in ihrer Rezension.

Während sich James Watson allerdings ohnehin schon mit seinen verschiedenen Autobiographien Aufmerksamkeit sicherte, wurde die Bedeutung Rosalind Franklins lange Zeit missachtet. Dass ihre Rolle inzwischen nicht mehr "heruntergespielt, vergessen und verleugnet, gar diffamiert" wird, ist das Verdienst der Frauen- und Geschlechterforschung der letzten Jahrzehnte, wie Elvira Scheich in ihrer Rezension zu Brenda Maddox Publikation über Rosalind Franklin hervorhebt. Maddox beansprucht mit ihrer Studie, das Bild von Rosalind Franklin zu korrigieren und ihr "komplexes, erfolgreiches und aktives Leben" (Maddox, 12) insgesamt darzustellen. Gleichwohl ist, wie Elvira Scheich resümiert, das Buch, das diesen Anspruch tatsächlich einlöst, noch zu schreiben.

Insgesamt machen die Publikationen deutlich, dass jenseits der Vorstellungen einer logischen und inhärenten Entwicklung der Molekularbiologie diese sich vielmehr in einem komplexen Zusammenspiel institutioneller, forschungspraktischer, gesellschaftlicher, sozialer, vor allem aber auch kontingenter Faktoren vollzog. Auffällig ist, dass in jüngster Zeit offensichtlich biographische Ansätze eine gewisse Renaissance erfahren, die, wie hier die Biographien Watsons und Rosalind Franklins, zudem plastisch und leicht lesbar geschrieben sind. Es ist zweifellos erfreulich, wenn Publikationen zur Wissenschaftsgeschichte - und gerade zu Themen, die im aktuellen Kontext brisant geworden sind! - in einem verständlichen Duktus geschrieben sind und damit ein Publikum erreichen können, das über den engen Kreis der Spezialistinnen und Spezialisten hinausgeht. Allerdings erscheint es, wie die Rezensionen verdeutlichen, bei einigen dieser Veröffentlichungen durchaus diskutabel, welches Bild von Wissenschaft sie dabei evozieren.

Rezensionen