Markku Peltonen: The Duel in Early Modern England. Civility, Politeness and Honour (= Ideas in Context; No. 65), Cambridge: Cambridge University Press 2003, X + 355 S., ISBN 978-0-521-82062-2, GBP 45,00
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Im frühneuzeitlichen Europa galt Frankreich als das klassische Land des Duells. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts forderte eine wahre Epidemie von Zweikämpfen jährlich hunderte von Todesopfern unter den Adligen des Landes. Zwar wurde das Duell von Richelieu und später von Ludwig XIV. energisch bekämpft, konnte jedoch nur langsam zurückgedrängt werden und blieb ein wesentlicher Teil der französischen Adelskultur bis weit ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus. In Frankreich haben das Duell und die Versuche zu seiner Unterdrückung von jeher die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden; die wichtige Studie von Billacois [1] und das vor kurzem erschienene gemeinsame Werk von P. Brioist, H. Drévillon und P. Serna [2] zeigen dies deutlich.
Für England stellt sich die Forschungslage anders dar. Zwar hatte in den 1960er-Jahren schon Lawrence Stone in seiner berühmten Crisis of the Aristocracy [3] das Aufkommen des Duells als Beispiel für einen Wandel adliger Umgangsformen analysiert, aber größere Studien, die das Phänomen eingehender und über einen längeren Zeitraum behandeln, liegen sonst kaum vor. Hier setzt die Arbeit von Markku Peltonen, eines finnischen Historikers, dessen Interessenschwerpunkt die Geschichte Englands in der frühen Neuzeit ist, ein. Allerdings versucht Peltonen weder eine Sozial- noch eine Kulturgeschichte des Duells zu schreiben. Ihm geht es eher um die Theorie des Duells; seine Studie ist rein ideengeschichtlich angelegt und baut auf der Interpretation zeitgenössischer Abhandlungen über das Duell oder auch gegen das Duell auf. Darin liegt eine nicht ganz unproblematische Beschränkung ihrer Tragweite. Dennoch stellt sie einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Geschichte der englischen Adelskultur, sondern in gewisser Weise auch zur Geschichte der politischen Kultur Englands im weiteren Sinne des Wortes dar.
Peltonen setzt sich zunächst mit der Duellliteratur des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts auseinander. Ähnlich wie vergleichbare italienische Forschungen sieht Peltonen das Duell nicht als Ausdruck einer archaischen Gewalttätigkeit, sondern als Teil eines "Renaissance code of civility". Weil von dem Höfling und Edelmann der Renaissance ein zivilisiertes, höfliches Verhalten erwartet wurde, unterlagen auch gewalttätige Konflikte einer Verfeinerung und Zivilisierung. An die Stelle von Fehde, Mord und Vendetta trat das Duell. Dieses fand jedoch auch reiche Nahrung in einem übersteigerten Ehrgefühl, das jede kleinste Verweigerung der in der höfisch-aristokratischen Gesellschaft vorgeschriebenen Ehrbezeugungen gegenüber Gleich- oder Höhergestellten zu einem Anlass für eine Forderung werden ließ. Besonders empfindlich reagierte der Edelmann der Renaissance auf Äußerungen seiner Konversationspartner, die als Vorwurf der Lüge gedeutet werden konnten. Hier offenbarte das Duell die Widersprüche der Renaissancekultur. Höflichkeit setzte die Bereitschaft zur Heuchelei voraus, aber andererseits galt Ehrlichkeit - gegenüber Gleichgestellten - als Kardinaltugend des Mannes von Stand.
In weiteren Kapiteln behandelt Peltonen sodann den Kampf gegen das Duell in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg, die Duellliteratur der Epoche 1660 bis 1720, die erneute Opposition gegen den Zweikampf in diesen Jahren und schließlich die Auseinandersetzung mit dem Duell in den Schriften des Gesellschaftstheoretikers Bernard Mandeville, des Autors der Bienenfabel. Peltonen lässt deutlich werden, dass zumindest ein Teil der einschlägigen Literatur nach 1660 das Duell anders als in der Vergangenheit als etwas typisch Englisches verteidigte. Das Duell und die freiheitliche englische Verfassung schienen vielen Autoren dieser Zeit eng miteinander verbunden zu sein. Während in Frankreich ein absoluter Monarch Ordnung erzwang und seinen Adel disziplinierte, galt für England aus der Sicht der Verteidiger des Zweikampfes eher das Modell einer Selbstdisziplinierung der (guten) Gesellschaft, die auch des Duells als einer letzten Sanktion für Regelverletzungen bedurfte.
Nach Ansicht Mandevilles etwa waren einige dutzend Tote im Jahr kein zu hoher Preis um der Gesellschaft "the politeness of manners, the pleasures of conversation and the happiness of company" zu verbürgen, an die man sich gewöhnt habe. Sieht man Mandeville und andere Autoren als Vorkämpfer einer modernen, zunehmend durch Handel, Finanzgeschäfte und Gewerbe geprägten Gesellschaft, einer "commercial society", dann wird hier deutlich, dass das Verhaltensideal dieser Gesellschaft, das neue Leitbild der "politeness", durchaus verankert blieb in den alten, stärker höfischen Traditionen und ihren Ritualen, zu denen das Duell gehörte. Peltonen stellt fest, für Mandeville habe kein Zweifel bestanden: "genuine politeness was always both theatrical and artificial in character and duelling, together with the concomitant notion of honour, was its sole guarantee" (302). Hier setzt sich Peltonen stark von John Pocock und anderen Interpreten der Kultur Englands im 18. Jahrhundert ab, die die antibarocken, antihöfischen Elemente der von Autoren wie Shaftesbury, Addison und Steel propagierten "natürlichen" Umgangsformen einer kommerzialisierten Gesellschaft betont haben.
Peltonen ist es gelungen zu zeigen, dass die Diskussion über das Duell in England zwischen 1580 und 1720 zugleich eine Debatte über die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens und die Struktur der englischen Gesellschaft war. Gegen die landläufige Meinung, das Duell sei in England eher ein exotischer Import aus der höfischen Kultur des Kontinents gewesen, das nach 1688 vor allem bei exzentrischen Außenseitern und anglo-irischen Landedelleuten Anklang fand, kann er belegen, wie sehr es von vielen Zeitgenossen als zentrales Element eines Ehrenkodexes gesehen wurde, der die Gesellschaft gleichberechtigter Gentlemen, als die England sich zunehmend verstand, überhaupt erst zusammenhielt und ihre Stabilität garantierte.
Bei aller Anerkennung für diese Interpretationsleistung fallen allerdings auch gewisse Schwächen auf. Einerseits fehlt, wie bereits betont, die Ergänzung der Analyse der Duelltheorie durch eine konkrete Sozial- und Kulturgeschichte des Zweikampfes, mag Peltonen sich auch bewusst für diesen begrenzten Ansatz entschieden haben. Andererseits droht der Autor vor allem für die Epoche nach 1660 gelegentlich in der Fülle der zeitgenössischen Traktate zu versinken und vermag die widersprüchlichen Aussagen nur noch mit Mühe zu gewichten und in eine Gesamtinterpretation einzubauen. Eines freilich hat er schlagend gezeigt: Während in Frankreich, folgt man Billacois, die Verteidiger des Duells im 17. Jahrhundert zunehmend stumm wurden und nur noch durch den narrativen Bericht über einzelne berühmte Zweikämpfe für ihr Ideal eintreten konnten, gab es in England jedenfalls keinen Mangel an systematischen Begründungen dieser hochartifiziellen Form aristokratischer Gewalttätigkeit.
Anmerkungen:
[1] François Billacois: Le Duel dans la société française des XVIe-XVIIe siècles. Essai de psychosociologie historique, Paris 1986.
[2] Pascal Brioist / Hervé Drévillon / Pierre Serna: Croiser le fer. Violence et culture de l'épée dans la France moderne (XVIe-XVIIIe siècle), Champ Vallon 2002.
[3] Lawrence Stone: The Crisis of the Aristocracy, 1558-1641, Oxford 1965.
Ronald G. Asch