Johannes Erichsen / Katharina Heinemann (Hgg.): Brennpunkt Europas 1704. Die Schlacht von Höchstädt / The Battle of Blenheim. Begleitbuch zur Ausstellung in Schloss Höchstädt an der Donau 1. Juli bis 7. November 2004, Ostfildern: Thorbecke 2004, XVII + 344 S., ISBN 978-3-7995-0214-6, EUR 24,80
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Eine einzelne Schlacht in den Mittelpunkt eines Ausstellungsprojekts zu stellen ist gerade heutzutage durchaus ungewöhnlich. Allzu leicht mag der Verdacht aufkommen, dass eine sich an Militär und Krieg begeisternde Geschichtsbetrachtung fröhliche Urständ feiert. Dies umso mehr bei einer Schlacht, die, wie die bei Höchstädt 1704, vor allem durch den zumal für ihre Zeit, aber auch absolut betrachtet hohen Blutzoll in die Annalen der Kriegsgeschichte einging: Von den über 100.000 an den Operationen beteiligten Soldaten wurde an diesem Tag ungefähr jeder vierte verwundet oder getötet. Hinzu kommt, dass die Schlacht bei Höchstädt keine Entscheidungsschlacht im klassischen Sinne, sondern eine der Schlachten war, die "nicht epochemachend war und einen Krieg nicht entschied" (so H. Duchhardt, 3).
Wenn die historische Forschung sich aber darüber einig ist, dass Höchstädt die politischen und militärischen Koordinaten unter den Mächten dieser Zeit nachhaltig verschoben hat, verweist dies auf europaweite Auswirkungen, die der Katalog mit dem Untertitel "Brennpunkt Europas 1704" anspricht. Die Bedeutung der Schlacht bei Höchstädt erschließt sich also erst durch die historische Kontextualisierung, und dies ist auch erkennbar das Anliegen, das die neun Aufsätze und zwölf Kapitel des Katalogteils kennzeichnet. Diese Einbindung in größere Zusammenhänge gelingt zunächst durch die Erweiterung auf die Ebene europäischer Mächtepolitik, dann durch die Einbeziehung sozialhistorischer Aspekte der Militärgeschichte dieser Epoche und schließlich durch eine Einbettung der Höchstädter Schlacht in weitere regionalgeschichtliche Bezüge. Auf diese Weise wird Höchstädt nicht als ein singuläres und isoliertes Ereignis wahrgenommen, sondern eher als Anlass und Ausgangspunkt begriffen, um strukturelle Phänomene des Ancien Régime exemplarisch darzustellen.
Den Auftakt macht H. Duchhardts Blick auf den Spanischen Erbfolgekrieg, den er als zeittypischen dynastischen Krieg in einer "staatengeschichtlichen Umbruchphase" sieht (4). Dazu gehörte nicht nur die Ablehnung universalistischer Führungsansprüche, die die kriegführenden Parteien motivierte, sondern eine neuartige Form des Friedensschlusses, die auch Europa als Kategorie für Ruhe und Stabilität berücksichtigte. R. de Schryver stellt anschließend in seinem Beitrag die politische Programmatik Max Emanuels von Bayern und ihr Scheitern vor. Dabei greift er erneut auf das dynastische Prinzip als Erklärungsmodell für die ambitionierte Politik des bayerischen Kurfürsten zurück. Dies tut auch G. Immler, wenn er den innerdynastischen Konflikt zwischen den pfälzischen und bayerischen Linien des Hauses Wittelsbach vom Beginn der Neuzeit über den Spanischen Erbfolgekrieg bis zu seiner Beilegung in der Wittelsbachischen Hausunion von 1724 nachzeichnet. Auf den englischen Feldherrn Marlborough lenkt H.-J. Müllenbrock den Blick, wenn er die britische Publizistik in den Kriegsjahren thematisiert. Marlborough war zunächst der gefeierte Held, auf den nach Höchstädt ein "Konfettiregen panegyrischer Dichtung" niederging, doch am Ende vollzog eine Medienkampagne die Demontage des zuvor so verherrlichten Feldherrn.
Militärhistorische Aspekte stehen bei den folgenden Aufsätzen im Vordergrund. K.U. Hammel beschreibt die zeitgenössische Kriegsorganisation vor allem am Beispiel des kurbayerischen Heeres. M. Junkelmann rekonstruiert das Schlachtgeschehen selbst - eine letztlich sehr klassische Form der Kriegsgeschichte, die auch unter Zuhilfenahme von üppigem Kartenmaterial den Schlachtverlauf nachzeichnet. Dabei ist der Beitrag im Duktus präzise und nüchtern gehalten und kommt zu schlüssigen Wertungen der militärischen Entscheidungen und Abläufe. Deutlich sozialhistorisch angelegt sind die folgenden zwei Beiträge. R. Kießling analysiert das schwierige Verhältnis zwischen den Truppen und der Bevölkerung, wobei die Situationen des Durchmarsches und der Truppeneinquartierung im Vordergrund stehen. St. Deutinger konkretisiert diese Thematik insofern, als er das Schicksal Bayerns nachzeichnet, das nach der Niederlage Max Emanuels bei Höchstädt von feindlichen Truppen besetzt wurde. Beide Aufsätze führen nachdrücklich vor Augen, dass für die Zivilbevölkerung weniger die eigentlichen Kampfhandlungen, sondern schlichtweg die bloße Anwesenheit von Militär eine immense Belastung und bedrückende Erfahrungen darstellten. Dass der Krieg in seinen Dimensionen auch über den europäischen Rahmen hinausging, daran erinnert R. Selig in seinem Beitrag über die Kämpfe in den Kolonien. Mochten auch alle kolonialen Besitzungen in Nord- und Südamerika, in der Karibik sowie in Afrika involviert gewesen sein, bleibt doch festzuhalten, dass "der Krieg in Übersee den Kriegszielen und Schauplätzen in Europa stets untergeordnet (blieb)" (91).
Der Katalogteil greift diese Themen variierend wieder auf; auch neue Aspekte kommen hinzu, wie die der Beendigung des Kriegs mit den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden. Dabei werden verschiedenste Exponate in großer Bandbreite aufgefächert. Gemälde, publizistische Zeugnisse wie Flugblätter und Kupferstiche, Bücher, Archivalien, aber auch Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände, dann Münzen und schließlich Einrichtungsgegenstände, Luxusgüter und liturgisches Gerät. Zweifelsohne kam es der Ausstellung und dem Katalog zugute, dass man auf renommierte Vorgängerprojekte rekurrieren konnte, besonders auf die Max-Emanuel-Ausstellung von 1976. [1] Und auch jetzt hat man sich erfolgreich um Leihgaben aus unterschiedlichen Museen, Sammlungen, Stiftungen und Privatbesitz bemüht - und dies europaweit. Der europäische Bezug der Thematik wird auch auf diese Weise mit Händen greifbar. Ebenso entstammen aber viele Stücke dem süddeutschen, dem schwäbischen und bayerischen Raum.
Diese sind besonders in den Kapiteln 5 bis 8 vertreten, die das Militärwesen sowie den Kriegsverlauf und -alltag darstellen und zu den vielleicht stärksten Abschnitten des Katalogs überhaupt gehören. Überzeugend ist die Kombination aus obrigkeitlichen Verfügungen (so etwa Reglements und Patente, zum Beispiel 237), Kartenmaterial (besonders 187f. und 208f.), publizistischem Material wie Flugblättern (vergleiche 184: 6.16), individuellen Zeitzeugenberichten (siehe zum Beispiel 224f.), Dokumenten der Memorialkultur wie Gedenkmünzen (siehe 215-217), Votivtafeln (zum Beispiel 198: 7.10; 247f.: 8.35 und 8.36), Gemälden (vergleiche besonders das in seinen Dimensionen riesige Schlachtgemälde August Querfurts, 220f., aber auch ein bestenfalls zweitrangiges, gleichwohl anschauliches Gemälde, das die Gefangennahme des französischen Marschalls Tallard zeigt, 204) und Realien (wie Degen und Handschuhe eben dieses Marschalls, 204f.: 7.22, oder ein Soldatenamulett, 194: 7.05).
All diese Zeugnisse fügen sich zu einer ausgesprochen dichten und facettenreichen Aufbereitung der Thematik, die durch die auch in ihrer gerafften Form durchweg gut verständlichen Legenden zu den Einzelexponaten gewinnt. Hervorzuheben ist, dass die Reproduktion der Ausstellungsstücke durchgängig von sehr guter Qualität ist. Dies wird insbesondere bei kleinformatigen Abbildungen deutlich, die ungeachtet ihrer geringen Größe Details erkennen lassen; auch Inschriften und Texte bleiben einigermaßen lesbar. Bei der hier erzielten Qualität geht es nicht einfach nur um die Visualisierung und Anschaulichkeit eines historischen Sujets. Denn indem auf Material hingewiesen wird, verschiedenste Quellen erschlossen oder sogar aufbereitet werden, vermag dieser Katalog auch der weiteren historischen Forschung Impulse zu geben.
Ein Register fehlt dem Katalog. Nützlich ist aber die Zeittafel, die schwerpunktmäßig die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs erläutert. Erwähnt werden muss noch, dass der zweisprachige Titel in Deutsch und Englisch in die Irre führt, denn es handelt sich keineswegs um eine zweisprachige Publikation. Vergeblich wird der Leser auch eine Erklärung dafür suchen, warum man in Großbritannien die Schlacht bei Höchstädt nicht kennt, sehr wohl aber die bei "Blenheim" (was eine Korruptel des Namens Blindheim ist, wo sich die aus englischer Perspektive entscheidenden Kämpfe ereignet haben).
Noch mehr Verwunderung mag aber der Umstand auslösen, dass anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Schlacht keine anderen vergleichbaren Projekte initiiert wurden: Die Ausstellung in Schloss Höchstädt ist die einzige ihrer Art. Somit ist es einem landeshistorisch verorteten Projekt vorbehalten geblieben, den Bogen von schwäbisch-bayerischen Bezügen zu europäischen Zusammenhängen hin zu schlagen. Dass dies überzeugend gelungen ist, unterstreicht den Wert dieser Ausstellung und hat in einem vorzüglichen Katalog eine angemessene Dokumentation erfahren.
Anmerkung:
[1] Hubert Glaser (Hg.): Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde., München 1976.
Michael Kaiser