Helmut Halfmann: Städtebau und Bauherren im römischen Kleinasien. Ein Vergleich zwischen Pergamon und Ephesos (= Istanbuler Mitteilungen; Beiheft 43), Tübingen: Ernst Wasmuth Verlag 2001, IX + 116 S., 19 Abb., ISBN 978-3-8030-1742-0, EUR 14,50
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Die antike Stadt in ihrer materiellen und ästhetischen Gestalt ist auch ein "Spiegel des Zustandes und der Mentalität der in ihr lebenden Gesellschaft" (1). Hier liegt der Ansatzpunkt der vorliegenden Studie von Helmut Halfmann, die sich als "Baustein einer umfassenden Systematik des antiken Städtewesens" (7) versteht. Dementsprechend geht es eben nicht nur um eine simple Baugeschichte; Ziel ist es vielmehr, "das historisch-reale Bedingungsgefüge, in das die Stadt eingebettet ist, zum Anhaltspunkt für ein konkretes und spezifisches Erscheinungsbild von Architektur und Gesellschaft zu erheben, die sich ihre Architektur leistet" (2); überlieferungsbedingt stehen dabei natürlich die Gestaltung des öffentlichen Raumes und die lokalen Oberschichten im Vordergrund. Gegenstand der Untersuchung sind zwei Städte im kaiserzeitlichen Kleinasien, die trotz aller Gemeinsamkeiten genug "Eigenes" haben, um durch den Vergleich das Profil einer jeden Stadt schärfer herausarbeiten zu können - Pergamon, das alte Herrschafts- und Repräsentationszentrum der attalidischen Könige, und Ephesos, das von Beginn an durch zwei ganz andere Faktoren geprägt wurde: aufgrund seiner geografischen Lage durch Handel und Verkehr sowie durch das weltberühmte Heiligtum der Artemis.
Nach einer kurzen methodischen Einleitung werden beide Städte in vergleichbaren chronologischen Abschnitten von der späten Republik bis in das 3. Jahrhundert untersucht. Dabei sucht die Studie die Mitte zwischen einer präzisen historisch-archäologischen Dokumentation und einem systematischen Zugriff auf dieses Material, ohne sich in einer lückenlosen Bestandsaufnahme zu verlieren. Dennoch ist die Fülle an Details derart groß, dass im Folgenden nur die ganz zentralen Ergebnisse und Entwicklungslinien wiedergegeben werden können.
Bereits in der spätrepublikanischen und augusteischen Epoche (11-35) zeigen sich deutliche, teils sogar richtungsweisende Unterschiede. So verdankte Pergamon die erste Wiederbelebung nach dem Zusammenbruch in Folge der Mithridatischen Kriege vor allem Personen wie Diodoros Pasparos. Solche Angehörigen der einheimischen Aristokratie, die nicht nur ihr teilweise immenses Vermögen, sondern auch ihre guten Beziehungen zu den römischen Autoritäten in den Dienst ihrer Heimat stellten, waren von Anfang an für Pergamon kennzeichnend und blieben dies auch während der gesamten Kaiserzeit. Die neue Herrschaftsordnung fand einen ersten architektonischen Niederschlag in der Einrichtung einer provinzialen Kaiserkultstätte auf dem Burgberg. Einen weiterführenden Impuls gab dies jedoch nicht. So kam es nicht zu einer grundlegenden Neugestaltung des öffentlichen Raumes, und bis weit in die Kaiserzeit hinein scheint sich das architektonische Gesamtbild der Attalidenzeit kaum verändert zu haben. Vermutlich genügte die vorhandene Bausubstanz ausstattungs- und kapazitätsmäßig auch den neuen Ansprüchen.
Auch wenn Ephesos erst relativ spät mit Pergamon gleichziehen konnte, lassen sich hier doch von Beginn an stärkere Impulse und eine stetigere Entwicklung erkennen. Den Auslöser bildete eine massive Förderung der Stadt und des Artemisions durch Augustus; einen besonders starken Anstoß gab allerdings die Installierung des Kaiserkultes auf dem Staatsmarkt. Ganz anders als in Pergamon schlug sich die Verehrung des Herrschers also eindeutig im öffentlichen Erscheinungsbild der Stadt nieder: Analog zu vielen anderen Städten im Westen wurde der zentrale öffentliche Platz gleichsam in ein römisches Forum mit den Kaiserkultstätten als Zentrum umgewandelt. Auch an anderen Stellen der Stadt ergaben sich durch private Bautätigkeit massive Veränderungen, vor allem im Bereich der Kuretenstraße und auf dem Handelsmarkt. Getragen wurde dies allerdings von einem ganz anderen Personenkreis als in Pergamon. Es waren vornehmlich Ortsfremde, oft italischer Herkunft, die vielleicht durch die wirtschaftlich und strategisch günstige Lage der Stadt angezogen worden waren. In sehr anschaulicher Weise lässt Halfmann hier die von Beginn an unterschiedliche Bevölkerungsstruktur und deren Auswirkungen auf das jeweilige Stadtbild hervortreten, und es ist einleuchtend, dass sich dies auch in der Einrichtung verschiedener Herrscherkulte für unterschiedliche Personenkreise widerspiegelt.
Im weiteren Verlauf des 1. Jahrhunderts nach Christus setzte sich der Aufschwung in Ephesos fort (36-44). Vor allem die Verleihung der ersten Kaiserneokorie unter Domitian stellte eine regelrechte "Initialzündung" dar: Offensichtlich empfand die Bürgerschaft dies als Ansporn, "ihrer Stadt ein glanzvolles Äußeres zu verleihen" (40), und dies schlug sich in einem groß angelegten Neubauprogramm nieder. Bemerkenswert ist dabei auch, dass nun die Stadtgemeinde selbst (die in Pergamon nie eine erkennbare Rolle spielte) massiv als Bauherrin in Erscheinung trat und die private Bautätigkeit der zuvor dominierenden italischen Familien übertraf.
Für Pergamon hatte sich bisher der Eindruck von Stagnation geboten, doch änderte sich dies im 2. Jahrhundert (45-62) geradezu explosionsartig. Ab der trajanischen Zeit vollzog sich hier ein gigantisches Bauprogramm, das "zum aufwendigsten und exklusivsten im Imperium Romanum" (61) gehörte und Pergamon - erst jetzt - in eine "römische" Stadt verwandelte: Der Neubau des zweiten Neokorietempels auf dem Burgberg, die Anlage der neuen "römischen" Unterstadt an seinem Fuße und die grandiose Ausgestaltung des Asklepieions sind nur die augenfälligsten Schwerpunkte. Möglich war dies nur durch die Beziehungen und die finanziellen Mittel einer städtischen Elite, die bis in die oberste Spitze der Reichsaristokratie aufgestiegen war. Dieser Kreis gebürtiger Pergamener, von denen uns der berühmte trajanische Konsular C. Antius A. Iulius Quadratus als der prominenteste begegnet, trat hier geradezu in die Fußstapfen der Attaliden. Gerade dieses Kapitel zeigt die großen (inhaltlichen und methodischen) Stärken der vorliegenden Studie: in eindrucksvoller Weise wird der Zusammenhang zwischen kaiserlicher Förderung (der Stadt insgesamt wie Einzelner), dem Aufstieg von Angehörigen der lokalen Elite in den Senat und dem repräsentativen Ausbau der Stadt durch eben diese Personen vorgestellt; dabei wird die insbesondere für die römische Unterstadt problematische Überlieferungslage immer berücksichtigt; Rückschlüsse erfolgen - hier wie auch an anderer Stelle - stets mit der nötigen Vorsicht.
Von solchen Pergamener Verhältnissen kann zwar in Ephesos für das 2. Jahrhundert (63-83) keine Rede sein. Hier verlief alles in kleinerem Maßstab mit einer für Ephesos typischen eher bescheidenen, aber breiter gestreuten Munifizenz; doch setzte sich der kontinuierliche Ausbau der Stadt weiterhin fort. In trajanischer Zeit entwickelte sich sogar ein regelrechtes Bauprogramm, mit dem nun auch Einheimische das Stadtbild zu prägen begannen. Den Schwerpunkt bildete der untere Teil der Kuretenstraße, und vor allem der Bereich um die neu entstehende Celsus-Bibliothek wurde nun zu einem repräsentativen Zentrum der Stadt ausgebaut. Allerdings verlief die Entwicklung nicht ohne Schwankungen, die auch durch das wechselnde Verhältnis zum jeweiligen Kaiser bedingt waren. So scheint Ephesos nicht am Aufschwung anderer Städte unter Hadrian teilgenommen zu haben. Doch mit Antoninus Pius setzte schlagartig wieder eine rege Bautätigkeit ein, unter Marc Aurel erreichte Ephesos schließlich den städtebaulichen Höhepunkt seiner Geschichte und konnte ausstattungsmäßig in etwa mit Pergamon gleichziehen.
In diese Zeit fällt schließlich auch das endgültige Zurücktreten von Stiftern, die nicht aus Ephesos selbst stammten, sowie der Aufstieg der ersten ephesischen Familien in den Senat. Sie lösten schließlich die Gemeinde in der Gestaltung des öffentlichen Raumes ab; vor allem die Vedii und dann die mit ihnen verwandte Familie des T. Flavius Damianus scheinen die gesamte nachtrajanische monumentale Bautätigkeit getragen zu haben. Zum ersten Mal wurde damit die einheimische Oberschicht in einem exklusiven und Pergamon vergleichbaren Maße als Bauherr aktiv.
Nach diesem Höhepunkt kam es in beiden Städten im ausgehenden 2. und im 3. Jahrhundert (84-92) schließlich zu einem Rückgang der Bauaktivitäten. Dabei erfolgte der Abbruch in Pergamon abrupter als in Ephesos - aus der Zeit nach der Mitte des 2. Jahrhunderts sind hier nur noch zwei größere Bauprojekte bekannt. In Ephesos dagegen dauerte die Bautätigkeit, wenn auch nachlassend, bis in die Zeit Gordians III. an. Allerdings setzten sich nun nicht mehr die - durchaus in größerer Zahl bekannten - einheimischen Senatoren mit großen Repräsentationsbauten in Szene. Die Bautätigkeit wurde vielmehr von Angehörigen der lokalen Beamtenschaft getragen und konzentrierte sich auf "die Erhaltung des auf Massenbedürfnisse zugeschnittenen Lebensstandards" (89), bis schließlich um die Mitte des 3. Jahrhunderts auch diese zum Erliegen kam.
Ein letztes Kapitel führt schließlich die zuvor weitgehend getrennt erarbeiteten Ergebnisse vergleichend zusammen; der Schwerpunkt liegt dabei auf der kaiserlichen Politik (93-97) und der städtischen Oberschicht (97-106) als den beiden wesentlichen prägenden Kräften. Ein ausführliches Personen-, Sach- und Quellenregister beschließt den Band.
Insgesamt betrachtet bietet Halfmann somit einen fundierten Überblick über die architektonische Entwicklung von Pergamon und Ephesos. Dies geschieht in einer Fülle und Detailliertheit, die hier nicht ansatzweise wiedergegeben werden konnte, aber für jede eingehende Beschäftigung mit diesem Thema von großem Nutzen sein wird. Der systematische Zugriff lässt dabei die wesentlichen Entwicklungen und Schwerpunktsetzungen klar erkennen (insgesamt 19 Karten und Rekonstruktionszeichnungen machen dies auch optisch nachvollziehbar). Ebenso klar lässt Halfmann aber auch die spezifische soziale Typologie hervortreten. Anhand ihrer Baustiftungen wird die Herkunft der städtischen Oberschicht, ihre Finanzkraft und innere Entwicklung, vielleicht sogar ihre spezifische Mentalität nachvollzogen - und nicht zuletzt auch ihre Rolle bei der Aktivierung der kaiserlichen liberalitas für ihre Heimat. Denn in Ephesos und Pergamon lassen sich nicht nur die unterschiedlichen Mittel und Wege kaiserlicher Förderung sowie die "Sogwirkung" solcher Impulse für die weitere Entwicklung der Stadt nachvollziehen; ebenso klar erkennbar wird, wie sehr diese nicht "normierte" Hilfe von besonderen Umständen abhing und welche Bedeutung gerade hier der Kooperation von Kaiser und lokaler Führungsschicht zukam. Halfmanns Studie bietet somit eine Symbiose verschiedener, ansonsten leider oft nur getrennt betrachteter Aspekte, deren Zusammenwirken für die städtische Entwicklung und deren Verständnis unerlässlich sind. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Detailstudien gleicher Qualität für andere Städte des Imperiums anschließen werden.
Dirk Erkelenz