Dieter Gielke: Meissener Porzellan des 18. und 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Sammlung des Grassimuseums Leipzig / Museum für Kunsthandwerk, Leipzig: Museum für Kunsthandwerk 2003, 271 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-910062-05-4, EUR 26,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Ulrich Pietsch: Die figürliche Meißner Porzellanplastik von Gottlieb Kirchner und Johann Joachim Kaendler. Bestandskatalog der Porzellansammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Mit Beiträgen von Daniela Antonin, München: Hirmer 2006
Barbara Beaucamp-Markowsky: Frankenthaler Porzellan. Bd. 1: Die Plastik. Aufnahmen von Jean Christen, München: Hirmer 2008
Patricia Brattig (Hg.): Meissen. Barockes Porzellan, Stuttgart: Arnoldsche Art Publishers 2010
Samuel Wittwer: Raffinesse & Eleganz. Königliche Porzellane des frühen 19. Jahrhunderts aus der Twinight Collection New York, München: Hirmer 2007
Annette Schommers / Martina Grigat-Hunger (Bearb.): Meißener Porzellan des 18. Jahrhunderts. Die Stiftung Ernst Schneider in Schloß Lustheim, München: C.H.Beck 2004
Dieter Gielkes Bestandskatalog des Meissener Porzellans des 18. und 19. Jahrhunderts in der Sammlung des Leipziger Grassimuseums folgt dem klassischen Muster für Porzellankataloge. In einer Einleitung werden allgemeine Informationen zum Material und dem historischen Interesse für das Porzellan sowie eine Geschichte der Manufaktur, ihrer Werke, Mitarbeiter und stilistischen Entwicklung gegeben. Eine Geschichte der Meissener Marken und der Leipziger Sammlung beenden diesen ersten Teil. Es folgt der eigentliche Katalogteil mit einem Verzeichnis der Objekte, geordnet nach Chronologie, Formen, Funktionen und Dekormotiven. Die Publikation schließt mit einem Glossar, einem Literaturverzeichnis und einem Markenverzeichnis - in diesem Falle mit Fotografien der Schwertmarken der verschiedenen Objekte.
Der erste Teil mit der "Geschichte des Meissener Porzellans" bietet einen fundierten und gründlichen Einblick in die Geschichte der Manufaktur besonders für das 18. Jahrhundert. Gielke ist bestrebt, technische Entwicklungen und künstlerische Formensprache der Manufaktur in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit gemeinsam mit Werkprozessen, bedeutenden Mitarbeitern und allgemeinen Geschmacksveränderungen vorzustellen. Ziel ist es, ein Gerüst an Hintergrundinformationen zu liefern, in das die einzelnen Objekte eingefügt werden können. Neue Forschungen zur Meissener Manufaktur sind in diesem Kontext nicht zu erwarten. Einzig zwei Dinge bleiben bei der Einleitung zu kritisieren: Zum einen erfolgt der Quellen- und Literaturnachweis etwas uneinheitlich, zum anderen werden wichtige Dekore oft nur sehr knapp oder im Falle des "Zwiebelmusters" gar nicht erklärt, sodass der Leser zu den Katalognummern und zum Glossar weiterblättern muss, um die gewünschte Information zu erhalten. Dabei ist es gerade dieser Einleitungstext, der solche grundlegenden Informationen enthalten sollte, da er sich schließlich eher an den wissbegierigen Laien wendet. Der Experte wird die Nutzung des Buches auf den Katalogteil konzentrieren.
Eine vielleicht etwas ausführlichere Darlegung zu den einzelnen Dekoren erscheint an dieser Stelle umso wünschenswerter, als Gielke auf kurze Einleitungstexte zu den einzelnen Objektgruppen verzichtet. Sie werden bei ihm lediglich durch Überschriften von einander getrennt. Sein Vorgehen steht im Gegensatz zu einigen anderen einschlägigen Bestandsverzeichnissen, wie Rainer Rückerts berühmtem Ausstellungskatalog "Meissener Porzellan 1710-1810" (Bayerisches Nationalmuseum, München 1966), dem Berliner Meissen-Katalog (Stefan Bursche, Meissen. Steinzeug und Porzellan des 18. Jahrhunderts, Kataloge des Kunstgewerbemuseums Berlin Band IX, Berlin 1980) oder Alfred Ziffers Katalog der Sammlung Bäuml (Nymphenburger Porzellan. Sammlung Bäuml, Stuttgart 1997). Die von Rückert, Bursche und Ziffer gewählte Gliederung macht die Suche nach konkreten Einzelinformationen leichter und die Lektüre für einen eher allgemein interessierten Leser vielleicht attraktiver, da die sich an die einzelnen Textabschnitte anschließenden Katalognummern als Belege und Illustrationen des vorher Geschilderten dienen.
Lobenswert bei Gielke ist die Abbildung von Vorlagen für die ostasiatisch inspirierten Porzellane und eine Koppelung der ausgeführten Malereien an diese Modelle in den jeweiligen Katalognummern. Die Katalognummern selbst enthalten die sachliche und knappe Erfassung der Objekte mit Datierung, Maßangaben, Informationen zu den Marken, Inventarnummer, Provenienz, Literaturangaben und Nennung der Ausstellungen. Die Objektbeschreibung ist durch Kursivdruck gegenüber den technischen Daten abgesetzt und beginnt traditionell mit einer knappen Formbeschreibung, auf die Angaben zu Farbigkeit und Dekor folgen. Es können sich auch begründete Zuschreibungen an Maler (Kat. Nummer 45, 47), Erläuterungen zum Dekor und seinen Motiven, allgemeinere Angaben zu dem Objekt und den Hintergründen seiner Entstehung sowie Vergleichshinweise auf andere Objekte der Leipziger Sammlung anschließen. Am Ende jedes Eintrages stehen schließlich Zustandsvermerke. Sehr erfreulich ist die Nennung von vergleichbaren Objekten in anderen Sammlungen, die über Literaturangaben verfolgt werden können.
Neben etwa 50 Farbtafeln sind alle Objekte in Schwarzweißfotografien abgebildet, die jedoch manchmal ein wenig dunkel geraten scheinen, da die Details der Malerei nicht immer klar zu erkennen sind. Bei den Reliefmustern fehlt außerdem manchmal in den Abbildungen etwas Tiefenschärfe. Leider ist für jedes Objekt im Unterschied zum Berliner Meissen-Katalog nur eine Abbildung vorgesehen, was aber auch mit der wesentlich höheren Anzahl der Leipziger Stücke zusammenhängt. Der Berliner Katalog konnte sich mit seinen "nur" 329 gegenüber den 540 Leipziger Nummern den Luxus gönnen, auch die Rückseiten und Detailaufnahmen der Malereien abzubilden. Letzteres war besonders in Hinblick auf die zierlichen Höroldt-Malereien oder die feinen Ritzungen der Augsburger Goldchinesen erfreulich. Eine praktische Überlegung sei hier noch angefügt: Der Katalog wirkt sehr elegant mit seinem weißen Einband, Goldschrift und eingeprägtem Motiv. Er verweist durch die Wahl dieser Farbe bereits auf den Inhalt, greift er doch das Weiß des Porzellans auf. Da solche Bestandskataloge aber in erster Hinsicht Arbeitswerkzeuge, viel benutzte Nachschlagewerke für Museumsmitarbeiter, Händler oder Sammler bilden, wird zu prüfen sein, wie gelungen diese Wahl tatsächlich war.
Gielkes Bestandskatalog der Leipziger Bestände an Meissener Porzellan des 18. und 19. Jahrhunderts bietet ein klassisches Beispiel für diese Art von Bestandskatalogen und stellt sich in die Tradition der Porzellankataloge der Frankfurter und Kölner Kunstgewerbemuseen, die allerdings den gesamten Bereich an Beständen zum deutschen Porzellan des 18. Jahrhunderts unter Auslassung der Porzellanplastik abdecken (Barbara Beaucamp-Markowsky, Europäisches Porzellan und ostasiatisches Exportporzellan. Geschirr und Ziergerät, Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln 1980; Margrit Bauer, Deutsches Porzellan des 18. Jahrhunderts. Geschirr und Ziergerät, Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt am Main 1983), beziehungsweise der Bestandskataloge zu einzelnen Manufakturen wie diejenigen der Hamburger und Berliner Museen (Berliner Porzellan des 18. Jahrhunderts aus eigenen Beständen, herausgegeben von Johanna Lessmann, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 1993). In der Klarheit der Katalognummern macht er die Bestände des Leipziger Museums zugänglich und bietet damit ein weiteres Vergleichswerkzeug für die Beschäftigung mit dem Meissener Porzellan. Dabei erweist sich die Leipziger Sammlung als qualitätvoll, denn sie enthält bedeutende Einzelstücke wie den Schwenkkessel aus dem Schwanenservice (Kat. Nummer 276), die Terrine aus dem Möllendorf-Service (Kat. Nummer 287), die beiden wohl von Johann Gregor Höroldt bemalten Walzenkrüge (Kat. Nummer 36, 40) oder Kaendlers Kreuzigung (Kat. Nummer 465), deren Restaurierung genau dargelegt ist. Die Bestände ermöglichen darüber hinaus eine durchaus repräsentative Übersicht über die Produktion der Manufaktur im 18. Jahrhundert.
Michaela Braesel