Rezension über:

Ivana Della Portella (Hg.): Via Appia. Entlang der bedeutendsten Straße der Antike. Aus dem Italienischen von Andreas Thomsen, Stuttgart: Theiss 2003, 240 S., 220 Abb., ISBN 978-3-8062-1820-6, EUR 34,90
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Rezension von:
Hans-Christian Schneider
Seminar für Alte Geschichte, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Hans-Christian Schneider: Rezension von: Ivana Della Portella (Hg.): Via Appia. Entlang der bedeutendsten Straße der Antike. Aus dem Italienischen von Andreas Thomsen, Stuttgart: Theiss 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 12 [15.12.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/12/4868.html


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Ivana Della Portella (Hg.): Via Appia

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Ziel dieses von zwei Archäologinnen und einer Kunsthistorikerin verfassten Buches ist es, eine neue Gesamtdarstellung der Via Appia antica, der regina viarum, vorzulegen, "in der die Beschreibung und Dokumentation der Dokumente mit kulturellen und literarischen Randbemerkungen verknüpft wäre" (11). Diese unterschiedlichen literarischen Texte von Monumenten, Orten und Straßenverlauf sollen "Eindrücke und Stimmungen wieder erstehen" lassen und dadurch ein diachrones Bild der Straße ermöglichen (16). Inspiriert sind die Autorinnen bei dieser Sichtweise von den literarischen Reisen der Grand Tour. Dabei durchzieht das Gedicht des Horaz, Satiren 1, 5, die wohl berühmteste Schilderung einer Reise von Rom nach Brindisi - und daher in zahlreichen Abhandlungen dieser Thematik zitiert -, die jeweiligen Abschnitte der Via Appia (lateinisch-deutsche Wiedergabe 230-233).

In der vorliegenden Darstellung wird der Verlauf der Via Appia nach einem einführenden Kapitel über "Ursprung und Geschichte der Straße" (14-39; Autorin: Giuseppina Pisani Sartori) in fünf Abschnitten, die jeweils nach demselben Schema aufgebaut sind, dargestellt. Jedes Kapitel beginnt mit einer kleinen Fotografie eines bedeutenden Monumentes der jeweiligen Strecke und einem kurzen einführenden Text, gefolgt von einer ganzseitigen Fotografie, der sich auf der dritten Seite eine Übersichtskarte des jeweiligen Abschnittes anschließt. Die ausgewählten Monumente werden dann durch Zitate archäologischer, historischer Texte - aber auch aus anderen Bereichen - kontextualisiert. Vorweg sei erwähnt, dass die zumeist farbige Bebilderung - häufig doppelseitige Aufnahmen - phantastisch gelungen ist. Und hier liegt auch für den Rezensenten der eigentliche Wert dieses Buches. Der Text ist dadurch aufgelockert, so genannte "Bleiwüsten" werden vermieden, und es wird ein wohl wesentlich breiteres Spektrum von Lesern angesprochen als die überschaubare Zahl von Fachleuten der römischen Reichsstraßen (viae publicae).

Dieses Konzept - und das wird schon in diesem ersten Kapitel deutlich - bedeutet indes für den Fachmann erhebliche Einschränkungen. Zwar werden durch die Autorin die Funktionen der Via Appia, der Zweck ihrer Erbauung, die Bedeutung des cursus publicus ('Reichspost') die technischen Herausforderungen des Straßenverlaufs, die Probleme der Reparaturen und der Beginn der Demontage der Via Appia knapp abgehandelt - selbst Reisekarten (besonders die tabula Peutingeriana) fehlen in der Übersicht nicht -, doch Hinweise auf wissenschaftliche Kontroversen und grundlegende, auch nicht italienische Literatur zu den viae publicae (Ausnahme: der Realencylopädie-Artikel G. Radkes in italienischer Übersetzung) fehlen zumeist. Ein Teil der am Ende jedes Kapitels zusammengestellten Anmerkungen bleibt ohne Beleg und hätte in zahlreichen Fällen in den Text gehört.

"Der städtische Abschnitt von der Porta Capena bis Casal Rotondi" (40-83), verfasst von derselben Autorin, führt den Leser dann auf die erste Strecke mit den anliegenden Monumenten, die hier unmittelbar bei Rom verständlicherweise nur in Auswahl vorgestellt werden können (82, Anmerkung 3). In den anschließenden Kapiteln können aber durchaus Monumente und Orte in den Mittelpunkt gerückt werden, die sich in erheblicher Entfernung vom eigentlichen Straßenverlauf befinden (unter anderen Velletri, 104)

Die beiden folgenden Kapitel "Von den Albaner Bergen bis Cisterna Latina" (84-105) und "Von der Pontischen Ebene nach Benevent (106-145) hat die zweite Archäologin des Autorenteams, Francesa Ventre, bearbeitet.

Ab Benevent liegt mit der Neueröffnung der Via Appia Traiana eben unter Kaiser Trajan eine zweifache Straßenführung nach Brindisi vor. Während die ältere Straße über Venosa weiter südlich über Tarent zum Endpunkt lief, führte die jüngere, schnellere und bequemere Strecke über Troia, Canosa und Bari weiter nördlich bis zum Hafen des antiken Brundisium. Beide Abschnitte (146-185 und 186-229) entstammen der Feder der Kunsthistorikerin Ivana Della Portella, die auch die Herausgeberin des vorliegenden Bandes ist. Den letzen Streckenabschnitt (Via Appia Traiana) beginnt sie mit dem Trajansbogen von Benevent, den sie allerdings unverständlicherweise als 'Triumphbogen' bezeichnet (186), im Kapitel über "Ursprung und Geschichte der Straße" von der Archäologin Giuseppina Pisani Satori korrekt als 'Ehrenbogen' (28) benannt.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Buch seine Vorgaben (11 und 16) genau erfüllt: Verlauf und anliegende Monumente der Via Appia werden historisch, archäologisch und "aus dem Bereich der bildenden Künste" (16) et cetera mit zahlreichen Zitaten für die Vergangenheit und die Gegenwart unterlegt - besonders ausführlich für die Strecke Benevent - Brindisi. Auf die Zukunft der Straße weist der abschließende Abschnitt "Ein Gesetz und ein Plan für die Via Appia Antica" hin (234-236). Die Bildausstattung macht das Buch zu einem optischen Genuss gleichermaßen für Laien und Fachleute. Der Anmerkungsteil, wie oben angemerkt, und die Bibliografie (237-240) können den Fachmann indes nicht überzeugen. So fehlen zum Teil genaue Stellenangaben (zum Beispiel 105, Anmerkung 10), im Text wird ein antiker Autor genannt, im Anmerkungsteil der lateinische Text zitiert, aber ebenfalls ohne Stellenangabe (so 105, Anmerkung 29). Als Beispiel für eine fehlende Auseinandersetzung beziehungsweise für einen fehlenden Hinweis auf wissenschaftliche Kontroversen sei die 'Zerstörung' Alba Longas (84) genannt, die heute von einigen Autoren verneint wird. Ärgerlich ist zudem fehlerhaftes Latein (unter anderen die "Lari Compitali"!!, 82, Anmerkung 6, oder die im Zusammenhang mit der Kapelle Domine quo vadis? ohne Beleg zitierte Antwort "Venium iterum crocifige", richtig: "Romam venio iterum crucifigi", Act. Petr. VI).

Hans-Christian Schneider