Hans-Christof Kraus (Hg.): Konservative Zeitschriften zwischen Kaiserreich und Diktatur. Fünf Fallstudien (= Studien und Texte zur Erforschung des Konservatismus; Bd. 4), Berlin: Duncker & Humblot 2003, 186 S., ISBN 978-3-428-11037-7, EUR 58,00
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Fünf sehr unterschiedlichen politisch-kulturellen Zeitschriften des konservativen "Lagers" in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmen sich die Beiträge des von Hans-Christoph Kraus herausgegebenen Sammelbandes. Dass dieses "Lager" eine ganz außerordentliche weltanschauliche Bandbreite besaß, lässt bereits der Blick auf die Überschriften der fünf Fallstudien - Vorträge einer im Jahr 2000 durchgeführten Tagung - deutlich werden: Es reicht vom katholischem Traditionalismus, noch ganz dem Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet, bis zu Visionen von einem "preußischen Sozialismus" in geistiger Nachbarschaft zu den nationalrevolutionären Denkern in der Spätphase der Weimarer Republik. Die besondere Aufmerksamkeit der Autoren gilt dabei den Herausgeber-Persönlichkeiten, den publizistischen und verlagstechnischen Realien, der politischen (und teilweise auch religiösen oder regionalen) Ausrichtung sowie der Reaktion auf konkrete politische Entwicklungen und Umbrüche, namentlich die Zäsuren von 1918 und 1933.
Hans-Christof Kraus untersucht die "Süddeutschen Monatshefte", die sich zu einem kulturkonservativen, landschaftlich gebundenen Organ entwickelten, ohne dabei jedoch "zum Anwalt partikularistischer oder gar separatistischer Ideen und Bestrebungen" geworden zu sein oder "billigen antipreußischen oder antiprotestantischen Ressentiments Gehör verschafft" zu haben. Die Geschichte der Zeitschrift ist untrennbar mit dem Namen von Paul Nikolaus Cossmann verbunden, der von 1905 bis 1933 als verantwortlicher Hauptherausgeber fungierte. Aus einer jüdischen Familie stammend, konvertierte Cossmann 1905 zum Katholizismus. Die "Monatshefte" können als sein "persönlichstes Werk" (Josef Hofmiller) angesehen werden, in denen er seinen katholisch-nationalen Ansichten publizistischen Raum gab, und für die er einen beachtlichen Autorenkreis - unter anderen Hans Pfitzner, Hermann Hesse, Thomas Mann, Ludwig Thoma und Friedrich Naumann - gewinnen konnte. Kam der Zeitschrift schon während des Ersten Weltkrieges eine immer größere Bedeutung zu, so spielte sie nach 1918 bei der Verbreitung der "Dolchstoßlegende" eine unrühmliche Hauptrolle. Das Eintreten der Zeitschrift für die Wiedererrichtung der Monarchie sollte sich "für Cossmann persönlich in doppelter Weise verhängnisvoll auswirken", wie Kraus bilanziert: "Sahen die Anhänger der Republik in ihm einen gefährlichen Widersacher der noch jungen deutschen Demokratie, so galt er den Nationalsozialisten wiederum als besonders bösartiger jüdischer Gegner." Bereits im April 1933 wurde der Publizist in 'Schutzhaft' genommen; sein Leben endete im Konzentrationslager Theresienstadt.
Der Geschichte der "Historisch-Politischen Blätter" und deren Nachfolge-Publikation "Gelbe Hefte" widmet sich der Beitrag von Dieter J. Weiß. Er zeichnet die Genese dieser dezidiert katholisch-konservativen Zeitschrift nach, die im Jahr 1838 durch Joseph Görres ins Leben gerufen wurde. Die antipreußische Schärfe der gegen Bismarcks Reichsgründung opponierenden Zeitschrift milderte sich nach der Jahrhundertwende ab und wich einer konsequent katholischen, nationalen, legitimistischen und monarchischen Ausrichtung. Die Revolution von 1918 und die Weimarer Republik galten demnach als "Abwendung von Gott, ja als Ergebnis der modernen Irrlehre von der Autonomie des Menschen". Die Nachfolge der 1924 eingestellten "Historisch-Politischen Blätter" traten die "Gelben Hefte" an, die von dem Münchener Historiker Max Buchner, einem Anhänger der Vaterlandspartei, zusammengestellt wurden. Buchner gab der Zeitschriftenreihe den Anstrich eines rechtskatholischen, "schwarz-weiß-rot gefärbten Monarchismus". An dieser Überzeugung hielt er auch während der Zeit des NS-Regimes fest. Erst nach seinem Tode im Jahr 1941 wurde das Erscheinen der "Gelben Hefte", deren Auflage nie mehr als 1.500 Exemplare betragen haben soll, eingestellt.
Durchaus in geistiger Nachbarschaft der "Historisch-Politischen Blätter" angesiedelt, in politischen Fragen aber moderater, war die katholisch-konservative Zeitschrift "Hochland", die sich im Zeitraum zwischen 1903 bis 1941 mit politischen und literarischen Themen beschäftigte. Wie Felix Dirsch in seinem Beitrag aufzeigt, stand der Herausgeber Karl Muth der Moderne durchaus differenziert gegenüber: Seine Bestrebungen waren keineswegs traditionalistisch ausgerichtet, vielmehr versuchte er, das Bestehende "ordnend umzubilden". Auf politischem Feld führte der zeitliche Abstand zu den Jahren des "Kulturkampfes" und das "Nachlassen des staatlichen Drucks" (Morsey) dazu, dass das Kaiserreich allmählich in einem milderen Lichte gesehen wurde. Teil dieser Entwicklung war auch die "Heraus-aus-dem-Turm-Bewegung", die im "Hochland" ein Forum der Artikulation fand. Als in der Weimarer Republik viele antikatholische Ressentiments auf staatlicher Ebene verschwanden, stellte sich die Zeitschrift auf den Boden der Republik, ohne jedoch für diese Partei zu ergreifen. Stattdessen widmete sich Muth der Vermittlung christlich-abendländischer Werte. Mit nicht-katholischen Konservativen fühlte er sich einig in der Ablehnung mechanistischer Weltanschauungen und der "Zügellosigkeit" des Liberalismus. In der Zeit des 'Dritten Reiches' bedeutete das "Hochland" dann für viele christlich-konservative NS-Gegner einen geistigen Zufluchtsort. Das spiegelte sich auch in der Auflagensteigerung von 5.000 Exemplaren im Jahr 1933 auf 12.000 Exemplare im Jahr 1939. Dies war aber nur deshalb möglich, weil die Tagespolitik weitgehend ausgeklammert wurde und die Zeitschrift daher nicht so leicht ins Visier der Machthaber geriet Außerdem fanden sich "bezüglich der kulturkritisch-konservativen Thematik, etwa der Ablehnung der urban geprägten Massengesellschaft [...] durchaus Konvergenzen mit dem zivilisationskritischen Impetus des Nationalsozialismus." 1941 wurde das "Hochland" - angeblich wegen Papiermangels - verboten.
Karlheinz Weißmann stellt in seinem Beitrag die "Zentralorgane" der jungkonservativen Bewegung der Weimarer Republik, "Gewissen" und "Ring" vor. Gründer und Ideengeber dieser Zeitschriften war Eduardt Stadtler. Der gebürtige Elsässer, beeinflusst von dem Historiker Martin Spahn und der katholischen Gedankenwelt, wirkte seit 1913 als Sekretär der "Windhorstbünde" (Jugendorganisation der Zentrumspartei), mittels derer er eine national-katholische Bewegung schaffen wollte. Strikt antibolschewistisch eingestellt und unter dem unmittelbaren Eindruck des "Kriegssozialismus" stehend, war Stadtler ein Gegner von Sozialismus, Liberalismus und Kapitalismus, jedoch kein Anti-Demokrat, sondern ein entschiedener Verfechter eines organisch gewachsenen Systems, "in dem eine funktionale politische Elite das Volk zu dessen eigenem Wohl lenkte, sich aus diesem Volk aber auch immer weiter rekrutierte". Diesem Geist verpflichtete sich die 1919 gegründete Zeitschrift "Gewissen": autoritäre Führung, Korporatismus, plebiszitäre Elemente - der vielzitierte "dritte Weg" - waren die Losungsworte dieser politischen Richtung. Zugleich verstand sich die Zeitschrift, die 1928 von dem Magazin "Ring" abgelöst wurde, als Sprachrohr der "Konservativen Revolution" und der rechtsintellektuellen Clubs und Zirkel, die sich im Berlin der Zwanzigerjahre entwickelten. Unter den Autoren der Zeitschrift nahm Arthur Moeller van den Bruck eine wichtige Stellung ein, vor allem, was die Ablehnung der Weimarer Republik und die Losung "Italia docet" anbelangt. Vom italienischen Faschismus als korporatistischem System fasziniert, näherte sich der "Ring", nachdem man zuerst Sympathien für die Volkskonservativen hegte, ab 1931 der NSDAP an. Befangen von der Illusion, die Nationalsozialisten in der "Harzburger Front" konservativ einzurahmen und den eigenen Zielen nutzbar zu machen, spielte der "Ring" eine verhängnisvolle Rolle, auch wenn einer seiner wichtigsten Autoren, Heinrich von Gleichen, nach der "Machtergreifung" erkannte: "Es wird kälter".
1925 erschien die erste Ausgabe der "Europäischen Revue", der sich Guido Müller in seinem Beitrag widmet. Der österreichische Publizist Karl Anton Prinz Rohan und die rheinische Industriellentochter und Mäzenin Lilly von Mallinckrodt-Schnitzler waren Initiatoren dieser Schriftenreihe, die in engem Zusammenhang mit dem 1922 von Prinz Rohan gegründeten "Europäischen Kulturbund" zu sehen ist. Die Zeitschrift, die namhafte Förderer fand - etwa die IG-Farben, den Kölner Stahlkonzern Wolff und den Unternehmer Robert Bosch -, "tendierte zu einer von älteren Reichsvorstellungen beeinflussten Europavision, die technokratische, ständische und hierarchisch-neoaristokratische Elemente einbezog". Die Paneuropa-Idee des österreichischen Grafen Richard Coudenhove-Kalergi lehnte Prinz Rohan gleichwohl "als konstruiert, traditionsfeindlich, unmetaphysisch und rationalistisch" ab. Hingegen finden sich in der "Europäischen Revue" Sympathiebekundungen gegenüber dem italienischen Faschismus. Parteipolitisch verhielt sich die Zeitschrift neutral; etliche ihrer Mitarbeiter kamen aus dem Umfeld der "Jungkonservativen" dem "Jungdeutschen Orden", der "Deutschen Staatspartei", dem "Ring" oder dem "Tat"-Kreis. Besonders auffällig war die hohe Zahl von Autoren aus dem Umfeld des Heidelberger "Instituts für Sozial- und Staatswissenschaften" von Alfred Weber.
Unter allen in dem vorliegenden Sammelband beschriebenen Zeitschriften konnte die "Europäische Revue" auf die beeindruckendste Liste prominenter Autoren verweisen. Hans Blüher, Max Hildebert Boehm, Theodor Heuß, Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Carl Schmitt, Gustav Stresemann schrieben für das Magazin, aber auch ausländische Gastautoren wie Paul Valéry, Winston Churchill, Aldous Huxley, Herbert George Wells, Ortega y Gasset oder C.G. Jung liehen der "Europäischen Revue" ihre Feder. Nach anfänglicher Zurückhaltung gegenüber den neuen Machthabern trat Prinz Rohan Mitte 1933 ins nationalsozialistische Lager über. Das Propagandaministerium übernahm, nach Außen sorgfältig verdeckt, einen wichtigen Teil der finanziellen Förderung der "Europäischen Revue", hatte doch Goebbels frühzeitig in dem Magazin ein wichtiges Agitationsmittel zur Verbreitung der nationalsozialistischen Europaideologie erkannt. So konnte die Zeitschrift bis 1944 weiter bestehen.
Summa summarum lässt sich sagen: Die vorgestellten Zeitschriften erlauben einen tiefen Einblick in die Geisteswelt der kulturell, mental und politisch von der Monarchie geprägten Konservativen, die nach 1918 in eine säkulare Krise geriet. Ihre Publikationen können als Versuche gedeutet werden, "Antworten auf die drängenden Probleme der damaligen Situation zu finden - nicht mehr, aber auch nicht weniger" (Hans-Christof Kraus), auch wenn sie allzu oft in alten Sehnsüchten verharrten oder in Verkennung der Realitäten "konservative Revolutionen" heraufbeschworen.
Heinz-Siegfried Strelow