Iris Benner: Kölner Denkmäler 1871-1918. Aspekte bürgerlicher Kultur zwischen Kunst und Politik (= Publikationen des Kölnischen Stadtmuseums; Bd. 5), Köln: Emons Verlag 2003, 344 S., 155 s/w-Abb., ISBN 978-3-927396-92-0, EUR 38,00
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Die vorliegende, in Köln entstandene Dissertation von Iris Benner beschäftigt sich mit den in der Kaiserzeit errichteten Denkmälern in der Stadt Köln. Der Untersuchungsgegenstand ist eingegrenzt auf die öffentlichen Denkmäler zeitgenössischer Persönlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Ehrung entweder kurz zuvor verstorben waren oder noch lebten. Anknüpfend an die wegweisenden Studien von Nipperdey zum deutschen Nationaldenkmal zielt die Autorin auf eine kultur- und mentalitätsgeschichtliche Verortung der Denkmäler, wobei sie die Perspektive von der nationalen auf die kommunale Ebene verschiebt, da in den Städten die meisten Monumente errichtet wurden. Um Denkmäler als "Dokumente politischer Öffentlichkeit" zu verstehen, hatte Karl Arndt bereits 1981 eine Denkmaltopografie gefordert, die umfassend die Entstehungs- und Rezeptionszusammenhänge von Denkmälern hinsichtlich ihres öffentlichen Standortes beschreibt. [1] Benner hat sich nun erstmals dieses Forschungsdesiderats angenommen und am Beispiel der Kölner Denkmäler systematisch den sozialhistorischen Kontext der Auftraggeber, die Auswahl der denkmalwürdigen Personen, die Verteilung der Denkmäler im städtischen Raum und schließlich den öffentlichen Umgang mit den Denkmälern untersucht. Das Hauptanliegen der Autorin ist nichts weniger als eine Rekonstruktion der Kölner Denkmaltopografie und ihres ideengeschichtlichen Hintergrundes, was ihr - das sei bereits vorweggenommen - glänzend gelingt.
Die in vier Kapitel gegliederte Arbeit beginnt zunächst mit einem Überblick über die allgemeine Entwicklung des Personendenkmals bis ins 19. Jahrhundert und einer Herausarbeitung der wichtigsten Kriterien für die Konzeption von Denkmälern anhand einschlägiger denkmaltheoretischer Texte des 18. und 19. Jahrhunderts. Daran schließt sich eine detaillierte, auf zahlreiche Quellen gestützte Darstellung der Entstehungszusammenhänge der Kölner Denkmäler an, differenziert nach Ehrungen für das Kaiserhaus, für Personen von nationaler und schließlich von kommunaler Bedeutung. Der folgende Abschnitt ist der öffentlichen Debatte über die Monumente gewidmet, bevor abschließend der Blick noch einmal auf die gesamte Kölner Denkmallandschaft als eine den Stadtraum kodierende politische Instrumentalisierung von Kunstwerken gerichtet wird. Ein chronologischer Katalog der 28 behandelten Denkmäler und ein Anhang mit Orts- und Personenregister schließen diesen sorgfältig publizierten, mit zahlreichen historischen Abbildungen ausgestatteten Band ab.
Der knappe Abriss der historischen Tradition des Personaldenkmals seit der Antike gibt die Koordinaten für die Untersuchung der Kölner Denkmäler vor. Diese bestehen im Wesentlichen aus einer ausdifferenzierten, mit unterschiedlichen Bedeutungen konnotierten Denkmälertypologie, einer Hierarchie der Aufstellungsorte sowie unterschiedlichen Formen der Auftragsvergabe und der politischen Instrumentalisierung der Monumente. Wie das erste öffentliche Personendenkmal in Köln, mit dem 1855 eine Gruppe Kölner Bürger Friedrich Wilhelm III. von Preußen als "Befreier" der Rheinlande ehrte, waren auch die folgenden Projekte sowohl künstlerisch-formal als auch hinsichtlich der Personenwahl deutlich von preußischen Vorbildern beeinflusst. So wurden zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg allein sechs Denkmäler für Mitglieder der Hohenzollern-Familie errichtet. Zu den vier Monumenten für Personen von nationaler Bedeutung zählen zwei Bismarck- und ein Moltke-Denkmal. Gegenüber diesen "Preußenmonumenten" stellten die 19 Ehrenmale für berühmte Kölner Bürger - Politiker, Geistliche, Kulturschaffende, Lehrer, Ärzte, Stifter, et cetera - jedoch quantitativ die Mehrheit dar.
Das Kölner Bürgertum als Initiator und Auftraggeber aller genannten Denkmäler präsentiert sich nach der Untersuchung von Benner als weniger homogen als bisher angenommen. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen verfolgten unterschiedliche, oft widersprüchliche Ideen, die von individuellen Interessen überlagert werden konnten. War die Errichtung des Reiterdenkmals für Wilhelm I. (1897) unter der Leitung des Bürgermeisters ein gesamtstädtisches Unternehmen, an dessen Finanzierung sich alle Schichten nach ihren Möglichkeiten beteiligten, so geht das 1879 errichtete Bismarck-Denkmal auf die private Stiftung eines Kölner Kaufmanns zurück. Das Monument für den "Eisernen Kanzler" war in Köln, das besonders vom Kulturkampf betroffen war, höchst umstritten und fand zunächst nicht die Unterstützung der Stadtverwaltung, die bei den meisten Denkmalprojekten die Ausführung koordinierte. Das kurze Zeit später fertig gestellte Moltke-Denkmal (1881) hingegen, das sich der Initiative einer Gruppe von Kaufleuten, Bankiers und Fabrikanten verdankt, wurde als weniger problematisch empfunden, da sich mit dem preußischen Feldherrn offensichtlich Soldaten und Bürger gleichermaßen identifizieren konnten.
Die Denkmäler für Kölner Persönlichkeiten - zu ihnen zählen der Politiker Heinrich Bürgers, der Zoogründer Caspar Garthe und der Kölner Musikdirektor Franz Weber - stifteten zumeist Vereine oder freie Vereinigungen. Der größte Teil dieser Ehrenstandbilder wurde auf dem Friedhof errichtet, einem Raum mit begrenzter öffentlicher Wahrnehmung, der für die Ehrung verdienstvoller Bürger als geeignet erschien. Einen bedeutungsvollen Grenzfall in der Debatte um einen angemessenen Denkmalstandort markieren die Monumente für die Museumsstifter Wallraf und Richartz. Das bereits 1867 auf der gemeinsamen Grabstätte errichtete Doppelstandbild nach dem Vorbild von Rietzschels Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar kritisierte die Presse als nicht angemessen und forderte über das Grabdenkmal hinaus auch eine Würdigung auf einem öffentlichen Platz. Es sollte jedoch noch 30 Jahre dauern, bis nach langen Debatten die beiden Stifter mit je einem Bronzestandbild vor "ihrem" Museum eine Ehrung erhielten. Grundsätzlich zeigt die Untersuchung von Benner zur Lage der Denkmäler im Stadtbild, dass zumindest in Köln den "Lokalgrößen" eher semi-öffentliche Orte wie der Friedhof zugewiesen wurden, während die Denkmäler für Persönlichkeiten mit überregionaler Bedeutung an den belebtesten Orten der Altstadt oder an besonders symbolischen Standorten wie am Rhein errichtet wurden.
Die künstlerische Ausführung aller besprochenen Denkmäler lässt einen im Deutschen Kaiserreich üblichen Denkmalstil erkennen, bei dem innovative Elemente infolge des auf Konsens angelegten Auswahlverfahrens für einen Durchschnittsgeschmack nivelliert wurden. Formale und stilistische Unterschiede sind Benner zufolge auf unterschiedliche propagandistische Funktionen der Werke zurückzuführen. Ihre Analyse der ausgeschriebenen Wettbewerbe gibt einen tiefen Einblick in den umkämpften Denkmalmarkt, der für die beteiligten Künstler nicht nur umfangreiche Aufträge, sondern auch öffentliche Aufmerksamkeit versprach. Die politischen Interessen der Auftraggeber wurden durch Denkmalfeiern, die man anlässlich der Grundsteinlegung, der Enthüllung des fertigen Denkmals oder zu anderen Anlässen mit großem Aufwand inszenierte, noch potenziert. Die Anwesenheit eines großen Publikums und das Bemühen um interessenübergreifende, pseudosakrale Veranstaltungen nutzte insbesondere Kaiser Wilhelm II. für politische Agitation.
Iris Benner legt mit ihrer Arbeit zur Kölner Denkmaltopografie in der Kaiserzeit eine für Geschichte und Begriff des Denkmals überaus material- und ertragreiche Studie vor. Die Mikrostudie zu den Kölner Denkmälern operiert an einer aussagekräftigen Schnittstelle zwischen Kunst und Politik, der es durch kluge Eingrenzung des Themas und einer konzisen methodischen Durchführung gelingt, politische Kunst im öffentlichen Raum als Zeugnisse einer auf Ausgleich bedachten städtischen Erinnerungskultur zu verstehen.
Anmerkung:
[1] Karl Arndt: Denkmaltopographie als Programm und Politik. Skizze einer Forschungsaufgabe, in: Ekkehard Mai, Stephan Waetzoldt (Hg.): Kunstverwaltung, Bau- und Denkmalpolitik im Kaiserreich (= Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich 1), Berlin 1981, 165-191.
Elke Anna Werner