Monika Schmelzer: Der mittelalterliche Lettner im deutschsprachigen Raum. Vorstufen, Typologie und Funktion, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2004, 208 S., 10 Farbtafeln, 91 s/w-Abb., ISBN 978-3-937251-22-6, EUR 49,80
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Wer sich bis dato mit Lettnern nördlich der Alpen beschäftigen wollte, besorgte sich die ungedruckte, aber immer noch grundlegende Wiener Dissertation von Erika Kirchner-Doberer aus dem Jahr 1946 oder griff zu Einzeluntersuchungen. Das Interesse nimmt dabei seit etwa zehn Jahren stetig zu, offenbar motiviert durch das gewachsene Bewusstsein für die Relevanz von Fragen nach der Funktion von Kunstwerken und deren liturgischen Implikationen. Den deutschsprachigen Raum behandelt nun die Kölner Dissertation von Monika Schmelzer (für Österreich wird auf die 1995 begonnene Dissertation von Eva Vogelhuber verwiesen), als solide recherchiertes und viele relevante Fragen thematisierendes Werk darf sie in gewisser Weise als Kompensation eines Corpusbands des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft gelten - mit dessen Erarbeitung war ursprünglich Erika Kirchner-Doberer betraut worden.
Schmelzer systematisiert die Lettner nach typologischen Kriterien wie nahezu alle vorgängigen zusammenfassenden Untersuchungen. Das gibt ihr die Möglichkeit zwanglos kleinere Monografien einzuflechten, so etwa über den bislang nahezu unbeachteten Lettner des Magdeburger Doms von 1445-50. Ein abschließender Katalog führt 139 Lettner auf und verweist auf noch zirka 100, "die jedoch aufgrund unzureichender oder unsicherer Forschungslage nicht weiter berücksichtigt wurden" (166) - der Rezensent denkt demgegenüber, dass man selbst für die Katalogisierung schütterer Informationen dankbar gewesen wäre. Nur eines der von Schmelzer nicht erwähnten Beispiele sei angeführt: So heißt es 1495, dass "Meister Hans Steinmetz aus München [...] den gletner oder vorderen Kantzler" der Klosterkirche von Tegernsee gemacht habe.[1] Als seine ursprüngliche Ausstattung rekonstruiert die Forschung einhellig die Kreuzigung Gabriel Anglers in der Münchener Alten Pinakothek, hinzu kam wohl noch ein marmornes Stiftergrab. Wer über Kreuzigungsdarstellungen, Kreuzaltäre, ja die Ausstattung des Lettnerbereichs arbeitet, dem wäre eine solche Information wichtig.
Nach einer ausführlichen Literaturübersicht, die auch Verweise zu Forschungen in anderen Gebieten umfasst, kommt Monika Schmelzer auf die Vorstufen des Lettners zu sprechen. Deutlich wird nach dieser Untersuchung, dass sich mit der Abschrankung des Presbyteriums und der Ausbildung eines Leseplatzes zwei Funktionen baulich manifestieren, die auch später kennzeichnend für die Lettner sind: bereits die hölzerne Abschrankung des Altars der 314 geweihten Basilika von Tyros wird bei Eusebius für notwendig erachtet "damit der Altar für die Menge unzugänglich ist" (19). Inwieweit ein Lettner die Anteilnahme am Mysterium für die Laien möglich gemacht oder gar inszeniert hat, ist für Monika Schmelzer zentraler Gegenstand ihres dicht formulierten Kapitels über die Funktion des Lettners. Hier finden sich zudem zahlreiche Klarstellungen, etwa dass Orgeln auf Lettnern vor dem 16. Jahrhundert so gut wie gar nicht nachweisbar sind. Alle weiteren Funktionen werden ebenfalls diskutiert, dankbar ist der Leser zudem für ihre Systematisierung in der Abhängigkeit von verschiedenen Nutzern (150-155). Die klug bebilderte Arbeit ist Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit dem Thema.
Anmerkung:
[1] Helmut Möhring, Die Tegernseer Altarretabel des Gabriel Angler und die Münchner Malerei von 1430-1450, München 1997 (vorher Phil. Diss. TU-Berlin 199; = Beiträge zur Kunstwissenschaft; 71), 114.
Alexander Markschies