Rezension über:

Stafford Poole: Juan de Ovando. Governing the Spanish Empire in the Reign of Philip II, Norman, OK: University of Oklahoma Press 2004, X + 293 S., ISBN 978-0-8061-3592-2, USD 37,95
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Rezension von:
Arndt Brendecke
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Arndt Brendecke: Rezension von: Stafford Poole: Juan de Ovando. Governing the Spanish Empire in the Reign of Philip II, Norman, OK: University of Oklahoma Press 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/03/6601.html


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Stafford Poole: Juan de Ovando

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Stafford Poole hat mit der vorliegenden Studie über Juan de Ovando eine Schlüsselfigur der spanischen Verwaltungs- und Herrschaftsgeschichte der Zeit Philipps II. monografisch gewürdigt. Erfreulich ist dies schon deshalb, da Ovandos Leben aus so verschiedenen Perspektiven wie der der Kolonial-, Universitäts-, Rechts-, Verwaltungs- und Finanzgeschichte heraus interessiert. Juan de Ovando stammt aus einer der ersten Familien der Stadt Cáceres, wenngleich aus einer Bastardlinie, die auf eine Affäre des Großvaters zurückgeht. Er wurde relativ spät, mit etwa 30 Jahren, in das Colegio Mayor de San Bartolomé der Universität Salamanca aufgenommen und trat damit in illustre Freundschafts- und Patronageverhältnisse ein, die seine weitere Karriere bestimmen sollten. Darin hebt Poole vier Wirkungsbereiche besonders hervor:

1556 gelangte Ovando über den Sevillaner Erzbischof Fernando de Valdés in eine erste leitende Stellung, und zwar als oberster Richter (provisor) des Erzbistums, womit faktisch die konfliktreiche Aufgabe verbunden war, zwischen dem Domkapitel und dem permanent abwesenden Erzbischof zu vermitteln und diesen in diversen Belangen, auch in seinen bischöflichen Inquisitionsrechten, zu vertreten. Dass Ovando nicht davor zurückschreckte, die so in seiner Hand vereinten kirchlichen Machtmittel in einer Phase des verschärften Kampfes gegen 'Häretiker' in Sevilla (alumbrados, Lutheraner) einzusetzen, zeigt das Beispiel eines bitteren Machtkampfes zwischen Domkapitel und Erzbischof um ihre jeweiligen Rechte, der sich an der Wahl des als 'Doktor Constantino' bekannten Constantino Ponce de la Fuente entzündet hatte. Ovando zog zunächst alle Register der Rechtsgelehrsamkeit und seines Amtes, um dem Domkapitel zuzusetzen (rechtliche Gutachten, Exkommunikation der Domkapitulare et cetera). Als nach einer Intervention Roms das Kapitel zu siegen schien, dürfte er nicht unbeteiligt daran gewesen sein, dass Constantino kurzerhand von der Inquisition eingekerkert wurde. Constantino verstarb bald darauf in der Haft. Ovando hingegen identifizierte sich nach der Episode nur umso deutlicher mit der Inquisition, wovon ein Schreiben an Philipp II. zeugt, in dem er sich selbst als Generalinquisitor empfiehlt. Kurz nach der Einsetzung von Diego de Espinosa als Generalinquisitor wurde Ovando 1566 immerhin in den Inquisitionsrat berufen, doch seine weitere Karriere führte im Wesentlichen über weltliche Ämter.

Poole kennzeichnet denn auch als zweiten Wirkungsbereich Ovandos die umfassende Visitation und Reform, die dieser 1564-65 an der Universität von Alcalá de Henares durchführte. Ovandos Arbeit begann als gründliche Prüfung und gipfelte in einer Überarbeitung der Statuten und einer das ursprüngliche Konzept des Universitätsgründers, Kardinal Cisneros', nicht umstürzenden, aber doch zeitgemäß ergänzenden Einrichtung neuer Lehrstühle.

Als dritter und bedeutendster Wirkungsbereich Ovandos wird seine Reform und Präsidentschaft im Indienrat thematisiert. Auch hier nützt Poole die überlieferten Visitationsprotokolle erfreulich ausführlich, um die zeitgenössischen Problemfelder - Behandlung der Indios, Gestaltung der encomienda, Verhältnis zu Rom, Informations- und Kompetenzprobleme des Indienrats selbst - zu beleuchten. Ovandos Beitrag zur Reform des Indienrates bestand in der Abfassung neuer Instruktionen für den Rat und dem schließlich stecken gebliebenen und erst gut hundert Jahre später vollendeten Versuch einer Kodifizierung der Amerika betreffenden Gesetze. Darüber hinaus gestaltete er die für dringliche Probleme eingesetzte Junta Magna (1568) mit und organisierte die systematische Sammlung von Information über die überseeischen Territorien durch den Einsatz von Fragebögen und die Etablierung des Amtes des obersten Kosmografen und Chronisten Amerikas. Gerade hierin zeigt sich Ovandos bemerkenswert hohes Vertrauen in die Effektivität schriftlicher Verfahren. Zusätzlich setzte er jedoch auf die höhere Kompetenz der Entscheidungsträger und plädierte so beispielsweise für die Ernennung von Bischöfen mit Landeskenntnissen, von Räten mit Amerikaerfahrung und sogar für die Einsetzung von letrados statt von Adeligen als Vizekönige.

Als vierten Wirkungsbereich Ovandos hebt Poole dessen Präsidentschaft im königlichen Finanzrat hervor, bei der jedoch der Eindruck überwiegt, dass Ovando seine Kräfte überspannte, zumal er die Präsidentschaft im Indienrat beibehielt und in engem Zeitplan von Sitzung zu Sitzung hasten musste. Abermals sammelte er alle verfügbaren Informationen, um sich einen Überblick über die Situation, die Organisationsstrukturen und die denkbaren Maßnahmen zu verschaffen und Philipp II. 1574 einen Masterplan zur Erhöhung der Einnahmen vorzulegen. Aber Ovandos Plan blieb unausgeführt und sein begrenztes eigenes ökonomisches Verständnis, vielleicht auch sein Herrschaftsverständnis führten ihn nicht zu dem Gedanken, etwa die Ausgaben des Hofes oder der Kriegführung kürzen zu müssen. Poole zeigt, dass Ovandos Tugenden - rationale, auf Information gründende Entscheidungen, die Einrichtung effizienter Organisationsabläufe - nicht ausreichten, um in bereits hohem Alter und ohne größere Unterstützung in diesem Sektor die Weichen zu stellen.

Insgesamt tendiert Stafford Pools Studie dazu, die üblichen Grundannahmen der Forschung über die Regierungsgeschäfte und die Verwaltungspraxis in der Zeit Philipps II. zu bestätigen, gerade auch dadurch, dass sie aufzeigt, auf welche Grenzen der ungewöhnlich hohe Organisationswille Ovandos beständig stieß. Die Tatsache, dass es nur wenige Quellen gibt, die eine Rekonstruktion von Ovandos Leben und Vorstellungen selbst zulassen, verwandelt Poole in eine Tugend, indem er zwar die Lebensstationen Ovandos vom familiären Hintergrund, über das Studium bis hin zu den Regelungen seines Testaments nachskizziert, diese Daten jedoch in zwei allgemeinere Erzählstränge einflicht. So liest sich Pooles Buch passagenweise wie eine Einführung in die spanische Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte schlechthin, da jedes Gebiet, in dem Ovando tätig war, sorgfältig und gut verständlich vorgestellt wird. Des Weiteren bettet Poole die Karriere Ovandos ein in eine vergleichende Beschreibung der letrados, also jener nicht durch Adel, sondern durch juristische Studien an einer der größeren Universitäten qualifizierten Schicht der 'Bürokraten'. Die letrados prägten, gestützt auf ihren Korpsgeist und das Patronagewesen, ohne Zweifel den besonderen Charakter der spanischen Verwaltungs- und Herrschaftsgeschichte dieser Zeit. Es bleibt jedoch unter methodischen Gesichtspunkten fraglich, inwieweit man von einer die Gruppe vereinenden, homogenen bürokratisch-funktionalistischen Mentalität dieser Gruppe ausgehen sollte, die man zeitgenössisch wie auch retrospektiv noch heute gerne postuliert, um den frühen spanischen Staatsbildungsprozess sozial und mentalitätshistorisch zu unterfüttern. Poole differenziert hier ausreichend, wenngleich nach der Lektüre des Buches doch das Bild eines Art 'Superletrados' Juan de Ovando im Kopf bleibt, der sich in Erfüllung aller Erwartungen des Begriffes tatsächlich als anspruchslosen Funktionsträger innerhalb eines Apparates verstand, sich nicht bereicherte, sich aus Machtkämpfen zwischen Klientelgruppen fern hielt und nicht der Versuchung erlag, sich bei wachsender Macht als Person eitel selbst in Szene zu setzen. Ovandos Lebensweg ist also gerade in Hinsicht auf viele andere letrados keineswegs repräsentativ, aber schon in seinem Kontrast hochgradig instruktiv. So liegt mit Stafford Pooles Studie nicht nur endlich eine biografische Synthese zu Juan de Ovando vor. Poole hat auch einen Weg aufgezeigt, anhand einer Person und gründlicher Quellenarbeit den Leser auf eine hochgradig interessante Weise durch die Institutionen- und Klientellandschaft der Zeit Philipps II. zu führen und so abstrakt anmutende Bereiche, wie die der 'Verwaltung', der 'Herrschaft' und Machtausübung, von innen zu beleuchten und begreiflich zu machen.

Arndt Brendecke