Jens Baumgarten: Konfession, Bild und Macht. Visualisierung als katholisches Herrschafts- und Disziplinierungskonzept in Rom und im habsburgischen Schlesien (1560-1740) (= Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas; Bd. 11), München / Hamburg: Dölling und Galitz 2004, 323 S., 36 Abb., ISBN 978-3-935549-89-9, EUR 24,80
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Gerhard Rill: Fürst und Hof in Österreich. Von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526). Band 2: Gabriel von Salamanca, Zentralverwaltung und Finanzen, Wien: Böhlau 2003
Karl-Friedrich Krieger: Rudolf von Habsburg, Darmstadt: Primus Verlag 2003
Thomas Winkelbauer: Ständefreiheit und Fürstenmacht 1522-1699. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1, Wien: Ueberreuter 2003
Rainer Bendel / Norbert Spannenberger (Hgg.): Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2010
Renate Pieper: Die Vermittlung einer Neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493-1598, Mainz: Philipp von Zabern 2000
In dieser im Jahr 2002 im Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften an der Universität Hamburg angenommenen Dissertation geht es um die Frage, inwieweit die katholische Kirche sich bei der Umsetzung der Beschlüsse des Trienter Konzils (1563) visualisierender Konzepte bzw. Maßnahmen bedient hat. Räumlich eingegrenzt ist die Studie auf Rom sowie Breslau und Glatz im habsburgischen Schlesien. Hinter dieser Visualisierung, also dem Einsatz von Bildern und der Entwicklung einer bisher so nicht da gewesenen Bildkultur und Bilderpolitik, stand die Verunsicherung, die die römische Kirche angesichts der Ausbreitung des Protestantismus in Europa erfasst hatte. Eine der Antworten, auf die sich das Trienter Konzil verständigt hatte, war, gegen die protestantische Konzentration auf das Wort (Gottes) eine katholisch-konfessionelle Gegenwelt mit dem zusätzlichen Schwerpunkt Bild zu entwickeln und in Szene zu setzen. Das heißt, dass die Auseinandersetzung mit dem Protestantismus durchaus auf der Ebene des Wortes durch Predigt, Katechese, Bildung (Schule, Universität), Theater, Kirchenlied stattfinden sollte, aber zusätzlich nun auch im Bereich der Medien, die der Protestantismus - in seiner calvinistischen Ausprägung eindeutiger als im Luthertum - als dem Sola-Scriptura-Prinzip eher abträglich zurückgesetzt, wenn nicht gar im Zuge der Bilderstürme aus den Kirchen verbannt hatte. Hier setzten die medienpolitischen Maßnahmen nach dem Tridentinum an, und hier setzt die Arbeit von Baumgarten ein.
Nach einer ausführlichen Einleitung (10-32), in der er den Forschungsstand referiert und die Fragestellung präzisiert, beschreibt er "II. Visualisierung als Konzept von Herrschaft und Disziplinierung: theoretische Reflektionen im Medium des Wortes über das Bild" (32-138). Ausgehend vom Bilderdekret des Tridentinums werden die in Rom durch Carlo Borromeo, Gabriele Paleotti und Roberto Bellarmino entwickelten theoretischen und konzeptionellen Grundlagen der neuen Bilderpolitik herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass Paleotti die Wirkung der Bilder auf die Betrachter, auf das Publikum, am konsequentesten in seine Überlegungen einbezieht. Pateotti will das Rezipientenverhalten kennen, um es beeinflussen und lenken zu können. Ihm geht es durchaus nicht um Kunstästhetik, sondern um Kunst als Instrument für die Popularisierung der katholischen Lehren durch Affekterregung mit den Mitteln der Visualisierung. Damit stellt sich allerdings die Frage, wie sich die katholische Kirche davor schützen kann, dass die Bilder im Betrachter unerwünschte Reaktionen auslösen. Das ist der Punkt, an dem für Paleotti Kontrolle und Disziplinierung der Künstler, Farben, Themen, Lichteffekte durch die Kirche (Bischöfe) wichtig werden. Das heißt: Mit dem neuen Instrument trat zugleich das Misstrauen gegen das "anarchische" Potenzial in ihm auf den Plan. Das zwang zur Kontrolle, um den Empfang so weit zu kanalisieren, dass das Volk auch wirklich sah, was es sehen sollte (137).
Im Teil "III. Visualisierung als Instrument zur Rekatholisierung: Herrschafts- und künstlerische Praxis in Wort und Bild" (139-202) wird zunächst am Beispiel von vier Kirchen die Umsetzung dieses Konzeptes als Teil der Neuinszenierung Roms zum sacrum theatrum erläutert, um dann die "Adaptionen und Modifikationen dieser Modelle in der Peripherie" (139), hier Glatz und Breslau in Schlesien, in den Blick zu nehmen. Dabei zeigt sich, dass es in Schlesien kein reines 'Abkupfern' der römischen Modelle gegeben hat und geben konnte, sondern dass die Adaption hier über die Einfügung in die pietas austriaca gelaufen ist. Das bedeutete die Modifizierung zum Barockkatholizismus in den habsburgischen Ländern, der - in dieser Perspektive - als Mischung aus katholisch-römischen und österreichisch-politischen Elementen erscheint.
Der Forschungsfortschritt der Arbeit liegt im Bereich der Schlesienforschung. Grundlagen, Ziele und Umsetzungen der bildpolitischen Maßnahmen der Gegenreformation in Schlesien werden nachvollziehbar herausgearbeitet. Nicht erkennbar sind die protestantischen Reaktionen. Es scheint, dass die Visualisierung zur Disziplinierung und Stabilisierung der katholischen Klientel, nicht aber zur Gewinnung bzw. zum Aufgeben der Protestanten beigetragen hat. Und das nicht ohne Grund: Die Visualisierung war, da ist Baumgarten zuzustimmen, Teil eines viel umfangreicheren katholisch-antiprotestantischen Gesamtkonzeptes, das aber neben seinen rhetorisch-visuellen Elementen vor allem auf politische Mittel, militärische Gewalt, Vertreibung der evangelischen Prediger, Einzug der Bücher (Bibeln, Katechismen) u. a. gesetzt hat. Die Rekatholisierung etwa der Grafschaft Glatz oder von Glogau zeigt es. Diese gewalttätige Seite der Gegenreformation wird bei Baumgarten zu wenig berücksichtigt. Gerade diese haben die Protestanten aber vor allem wahrgenommen. Ihre leidvollen Erfahrungen haben sie einerseits gegen die rhetorischen oder auch visuellen Bemühungen (der Jesuiten) immunisiert, weil sie darin nur eine etwas freundlicher verpackte Aufforderung zur Rückkehr in die katholische Kirche erkennen konnten. Andererseits und zugleich haben die Maßnahmen der Gegenreformation, die politischen wie die rhetorisch-visuellen, zu einer bewussten Vertiefung in die Grundlagen des Glaubens geführt, also in die Bibel, in das Wort Gottes, das ihnen die notwendige Vergewisserung für ihren Weg gab. Die gleichzeitige Blüte der protestantischen Erbauungsliteratur, des Kirchenliedes, aber auch der "gereinigten" Bildernutzung (Jan Harasimowicz) in Schlesien hat hier ihre Wurzeln. Die geistig-geistliche Antwort des schlesischen Protestantismus auf die rhetorisch-visuellen Programme der Gegenreformation war Verinnerlichung, die dann die Kräfte freigesetzt hat, die nötig waren, um sich bis 1740 gegen Gewalt und Zauber der habsburgisch-katholischen Gegenreformation - so weit es eben möglich war - zu behaupten.
Die Berücksichtigung der protestantischen Reaktionen, die durchaus auf einer anderen Ebene lagen, hätte die Grenzen des katholischen Visualisierungskonzeptes deutlich gemacht. Trotz Ausblendung dieser wesentlichen Dimension bleibt die Arbeit von Baumgarten ein hilfreicher und begrüßenswerter Beitrag zur Schlesienforschung im Zeitalter der Gegenreformation.
Christian-Erdmann Schott