Stefan Heinz / Barbara Rothbrust / Wolfgang Schmid: Die Grabdenkmäler der Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz, Trier: Kliomedia 2004, 269 S., 122 Abb., ISBN 978-3-89890-070-6, EUR 34,50
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Die Publikation fasst Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zwischen 1994 und 2001 an der Universität Trier geförderten Sonderforschungsprojekts 'Grabdenkmäler zwischen Rhein und Maas' zusammen. Seiner Konzeption nach stellt es einen Beitrag zur historischen Mediengeschichte dar, wie man der am Ende der Einleitung formulierten Arbeitshypothese entnehmen kann (28). Die sehr allgemein gehaltene Hypothese, bei Grabdenkmälern handele es sich um "Medien der Selbstdarstellung einer Elite, die im kirchlichen Raum ihre Vorstellung von politischer, kirchlicher und gesellschaftlicher Ordnung zum Ausdruck brachte" wird erst im Schlusskapitel ausführlicher erläutert (211-214). Diese Erläuterungen setzen die zuvor dargestellten Untersuchungsergebnisse nicht voraus, weswegen sie besser in der Einleitung platziert wären, zumal der Leser ansonsten mit klaren Vorstellungen über den Untersuchungsgegenstand und zwei ordnenden Leitfragen in den Hauptteil entlassen wird. Erstens: Lässt sich epochenübergreifend eine Systematik der Standorte der erzbischöflichen Grabdenkmäler in ihren Kathedralkirchen feststellen? Zweitens: welche Grabmaltypen wurden wo und wie lange verwendet? Bereits in der Einleitung wird die Qualität des Buches als Zusammenschau eines großen, historisch wie kunsthistorisch bedeutsamen Denkmälerbestandes deutlich, wenn es darum geht, den Beginn des Untersuchungszeitraums (1200-1800) näher zu definieren, wozu die unterschiedlichen Traditionen bischöflicher Grablegen in den drei Städten vor 1200 skizziert werden (12-15).
Die drei ungefähr gleich umfangreichen Kapitel zu den erzbischöflichen Grabdenkmälern in Trier, Köln und Mainz, präsentieren diese in chronologischer Reihenfolge. In dieser Chronologie werden auch die andernorts beigesetzten Oberhirten erwähnt, sodass sich eine vollständige Übersicht über die Beisetzungsorte aller Erzbischöfe bis 1800 ergibt. Diese wird im letzten Abschnitt des Schlusskapitels noch um einen Ausblick auf die Entwicklungen von 1800 bis heute ergänzt. Von den erzbischöflichen Grabdenkmälern an anderen Orten erfahren nur zwei Beispiele Trierer Oberhirten in Koblenz eine ausführliche Würdigung, die auf Grund ihrer künstlerischen Qualität gerechtfertigt ist.
Die zwei genannten Leitfragen bestimmen die Ausführungen zu den einzelnen Monumenten und gliedern die Zusammenfassungen der Ergebnisse am Ende der drei Kapitel, sodass man trotz der Vielfalt an Formen und Informationen nie den Überblick verliert, was hinsichtlich einer Systematik der Standorte nicht zuletzt auch den beigegebenen und übersichtlich beschrifteten Grundrissen zu verdanken ist. In Trier sind leider die Denkmäler der vor 1200 verstorbenen Erzbischöfe nicht eingetragen, obwohl sie nach 1200 geschaffen wurden. Zwei weitere Pläne, ein Grundriss des alten Kölner Domes in der Einleitung und eine Übersichtskarte mit allen Beisetzungsorten der Erzbischöfe, die sich ganz am Ende des Textes findet, runden das Bild ab.
Das Schlusskapitel bündelt in den ersten zwei von insgesamt sechs Abschnitten - "Topografie der Memoria" sowie "Typologie" - die Ergebnisse der drei Hauptkapitel bezüglich der Leitfragen zum ortsübergreifenden Vergleich. Die darauf folgenden drei Abschnitte begründen und erläutern die medienhistorische Leseweise der untersuchten Denkmäler. Den interessantesten und aufschlussreichsten Blick auf Symbolik und historiografische Konstruktion der Grablegen als Selbstaussage einer herrschenden Elite wirft der "Unternehmen Traditionsbildung" betitelte vierte Abschnitt, der im Kern eine Auseinandersetzung mit den Thesen des Buches "The Invention of Tradition" von Eric Hobsbawn und Terence Ranger darstellt (zuerst erschienen 1983).
In Bezug auf die topografische Leitfrage ergeben sich grundsätzlich folgende Ergebnisse: In Trier belegen die erzbischöflichen Grabdenkmäler bis ins 16. Jahrhundert die Wände des Langhauses, bevor ab 1530/50 Epitaphaltäre an den Langhauspfeilern errichtet werden. Ob diese Verteilung der Standorte tatsächlich eine "langfristige Planung" dokumentiert, wie im Schlusswort zu lesen ist (208), wird für Trier ebenso wenig erläutert wie die mit einer solchen Planung verbundenen medialen Absichten. Für den Kölner Domchor hingegen, wo die erzbischöflichen Grabdenkmäler die Radialkapellen für sich beanspruchen, und für den Mainzer Dom, wo sie zu einem großen Teil an den Mittelschiffspfeilern aufgestellt sind, wird nicht nur die Genese der unterschiedlichen Belegungsstrategien differenziert erläutert, sondern es wird auch der Versuch unternommen, die mit ihnen verbundenen, medialen Absichten zu rekonstruieren. Dies gelingt am besten und nachvollziehbarsten für das Kölner Beispiel: Die hagiografischen und historiografischen Traditionsstränge und ihre Denkmal-Argumente werden knapp und präzise dargestellt, sodass sich, trotz der großen Fülle an Material und Information, das übersichtliche Bild eines wahrscheinlich schon mit Beginn des Domneubaus 1248 festgelegten und auf Grabdenkmäler, Glasfenster und Wandmalereien verteilten ikonologischen Gesamtkonzepts ergibt. Die Grabdenkmal-Argumente dieses Konzepts, die Monumente lokal verehrter Heiliger (Irmgard, die Erzbischöfe Gero und Engelbert) und wichtiger Persönlichkeiten der Bistumsgeschichte (die Erzbischöfe Reinald von Dassel, welcher die Reliquien der Heiligen Drei Könige nach Köln brachte, Philipp von Heinsberg, der den Neubau der Stadtmauer veranlasste und Konrad von Hochstaden, der Initiator des Domneubaus) begleiten den Pilgerweg zum Schrein der Heiligen Drei Könige durch den Chorumgang und vermitteln so einem großen Adressatenkreis die historische und geistliche Würdigkeit der Sancta Colonia. Als künstlerischer und medialer Höhepunkt der Kölner Grabdenkmäler - bis Friedrich von Saarwerden (gestorben 1414) durchweg Tumben - erscheint das Monument für Konrad von Hochstaden (gestorben 1261) mit seinem Gisant aus Bronze. Es wird als anspruchsvolle Antwort auf Bemühungen der Mainzer und Trierer Erzbischöfe um repräsentative Grabmaltypen interpretiert und darüber hinaus materialikonologisch als Romverweis gedeutet (101-106).
Wahrscheinlich um 1240/50, also kurz vor dem Hochstaden-Monument, hatte man in Trier drei zusammenhängende Bogenmonumente für im 12. Jahrhundert verstorbene Erzbischöfe errichtet und in Mainz den Typus des Königkrönungsgrabsteins - Siegfried von Eppstein (gestorben 1249) - erfunden, dem deutlichsten Anzeichen für eine Konkurrenz zwischen den Erzbischöfen von Mainz und Köln, bei der es um ihre Funktionen bei den Krönungen der deutschen Könige ging. Während sich der originelle Trierer Beitrag zur Grabmaltypologie, das Bogenmonument, bis Anfang des 15. Jahrhunderts hielt, wurde in Mainz der "Königkrönungstypus" bereits um 1330 von der beginnenden Entwicklung des so genannten "Mainzer Typus" abgelöst. Die Grundidee dieses Typus, der um 1680 zum letzten Mal die Amtsmemoria eines Mainzer Erzbischofs repräsentierte, ist die Verbindung der stehenden Bischofsfigur mit einem reichen, figurengeschmückten portal- oder ädikulaartigen Rahmen. In Trier schließlich etablierte sich ab 1530/50 die Tradition erzbischöflicher Epitaphaltäre, die bis ca. 1770 Bestand hatte. Leider versäumen es die Autoren, die umfangreichen ikonografischen Programme dieser Altäre eingehender zu interpretieren, ein Mangel, der allerdings vernachlässigbar erscheint angesichts der beachtlichen Leistung, die Fülle an Monumenten und Informationen nicht nur sinnvoll zu gliedern, sondern auch im Sinne einer klaren Gesamtargumentation zu ordnen und so die drei erzbischöflichen Grablegen als historisch-kunsthistorisches Gesamtphänomen zu erschließen. Diese gruppenspezifische Zusammenschau ist das wichtigste Verdienst des Buches.
Oliver Meys