Nicholas Eastaugh / Valentine Walsh / Tracey Chaplin / Ruth Siddall: The Pigment Compendium. A Dictionary of Historical Pigments, Amsterdam: Elsevier 2004, XI + 499 S., ISBN 978-0-7506-5749-5, GBP 125,00
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Nicholas Eastaugh / Valentine Walsh / Tracey Chaplin / Ruth Siddall: The Pigment Compendium. Optical Microscopy of Historical Pigments, Amsterdam: Elsevier 2004, XL + 416 S., ISBN 978-0-7506-4553-9, EUR 125,00
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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Das umfangreiche Werk stellt Kunsthistorikern, Archäologen, Archäometrikern und Restauratoren ein Lexikon historischer Farbmittel sowie einen Atlas zugehöriger Mikroskopbilder zur Verfügung. Letzterer war Ausgangspunkt der lexikografischen Arbeit gewesen - um die mikrografischen Ergebnisse in eine brauchbare Ordnung zu bringen, gingen die Autoren drei Fragestellungen nach: Welche Pigmente wurden in der Vergangenheit verwendet? Mit welchen Namen wurden sie bezeichnet? Wie sollten sie heute genannt werden? (VIII) Das Lexikon versteht sich ausdrücklich als Ergänzung der zahlreich vorhandenen Pigmentmonografien (beispielsweise der von der National Gallery in Washington herausgegeben "Artist's Pigments", von denen bisher drei Sammelbände erschienen sind), die damit auf den aktuellen Stand ergänzt und in einen erweiterten Kontext gestellt werden, der Komplexität und Zwischenbeziehungen verdeutlichen soll. Mit der Literaturauswertung von rund 1600 Titeln ist den Autoren eine Übersicht von bisher nicht erreichter Breite gelungen. Besonders dankenswert ist das Gewicht, das im gesamten Werk auf vor- und frühgeschichtliche sowie auf Farbmittel nichtwestlicher Kulturen gelegt wird, wobei zutreffend vermerkt wird, dass dieser Bestand durch den Umfang der Forschungen limitiert ist, die bisher aus der Sicht westlicher Wissenschaft darüber veröffentlicht worden sind. (VIII) Bemerkenswert ist auch der Ansatz, alle aus der technologischen Literatur (vor allem des 19. Jahrhunderts) erschlossenen Farbmittel aufzuführen, auch wenn sie bisher noch nicht in Artefakten nachgewiesen worden sind. (VII) Angesichts der zahlreichen technologischen Zeitschriften dieser Periode, die von den Autoren unberücksichtigt blieben, wird allerdings deutlich, wie viel hier immer noch zu tun bleibt.
Die alphabetische Ordnung hat den Vorteil, dass sich englische Pigmentbezeichnungen, die in der Literatur auftauchen, leicht identifizieren lassen. Das Lexikon ist somit vor allem ein Hilfsmittel für die Lektüre maltechnischer Quellen bzw. Sekundärliteratur. Um hingegen zu Pigmenten eines Farbtons etwas zu erfahren, ist der Benutzer auf Suchfunktionen der ergänzenden (hier nicht rezensierten) CD-ROM angewiesen, deren Preis noch über dem der beiden Bände liegt. Sehr zweckmäßig sind allerdings die angehängten Tabellen, die die Pigmente nach elementaren Anteilen bzw. Stoffgruppen ordnen.
Schließlich muss der deutschsprachige Leser die englischen Entsprechungen der deutschen Pigmentbezeichnungen kennen - andernfalls wird das Nachschlagen eine Suche auf gut Glück. Das heißt, wer über die nötigen Spezialkenntnisse verfügt, wird sich zurechtfinden können - der "Neuling" jedoch nicht.
Andererseits ist die Auswahl der Farbnamen inkonsequent - mitunter tauchen Bezeichnungen wie "Königsblau" (212) auf, die aus der deutschen Literatur erschlossen wurden - aber das deutsche "Krapplack" fehlt, und somit auch der Verweis auf die englischen "Madder" bzw. "Madder Lake" (244-245), der ausführlich behandelt wird. Unter "Bergblau", "Berggrün" usw. (43) wird wiederum auf die englischen Entsprechungen verwiesen. Ebenso zufällig erscheint die Anführung deutscher Synonyme für Bariumsulfat (39). Auch ist es misslich, dass man sich etwa die umfassende Information zu Titanweiß unter weitgestreuten Stichworten wie "Anatase" (12), "Rutile" (329), "Titanium Dioxide White" (364) und "Titanox" (366) zusammensuchen muss - an Stelle eines zentralen Eintrags, auf den alle anderen verweisen. Und während es zu dem Pigment Lithopone (242) eine reiche deutschsprachige Literatur gibt, wird es im Lexikon nur als Synonym von "Orr's zinc white" (286) gelistet, ohne Literaturangabe und ohne seine besonderen Eigenschaften - etwa die bei den frühen Sorten beobachtete Fototropie und ihre spätere Beseitigung - zu erwähnen (242). Dadurch entstehen unnötige Informationslücken.
Es gibt zurzeit keinen umfassenderen Überblick zur Erforschung historischer Pigmente und der zugehörigen Literatur. - Trotz erklärter Konzentration auf die englischen Pigmentbezeichnungen (VIII) wertet das Buch jedoch zahlreiche nichtenglische Werke aus, unter anderem auch deutsche. Hier mag die Verfügbarkeit der Werke vor Ort zu einer äußerst zufälligen Auswahl geführt haben (mit den oben erörterten Folgen) - wichtige deutsche Arbeiten, etwa von Brachert, Burmester, Hering, Lehmann und Schramm wurden überhaupt nicht zu Rate gezogen. Monografien zu einzelnen Pigmenten oder Pigmentgruppen, wie sie von Stößel, Becker und Ellwanger-Eckel vorliegen, tauchen ebenso wenig auf. Catharina Bothe, deren ausführliche Monografie über Asphalt bereits 1999 in Buchform erschienen ist, wird lediglich mit einem kryptischen Eintrag angeführt, der wohl auf eine im Erscheinen begriffene englischsprachige Publikation hinweisen soll. Auch wenn es zutrifft, dass der größte Teil der wissenschaftlichen Literatur auf Englisch veröffentlicht wird - eine deutsche Publikation, die derart wichtige fremdsprachige Referenzliteratur ignorierte, wäre undenkbar.
Es wäre allerdings unfair, es mit solchen Stichproben, bei denen sich der Rezensent herauspickt, wofür er sich besonders kompetent fühlt, bewenden zu lassen. Die enorme Leistung der Autoren bleibt dagegen bestehen, der Charakter als profundes Nachschlagewerk unbestritten. Alle, die an der Pigmentkunde interessiert sind, finden hier eine erhellende, informationsgesättigte Lektüre. Nur sollte der Leser das Angebot des Lexikons nicht als erschöpfend und abschließend betrachten, sondern weitere Literatur, besonders nichtenglische, hinzuziehen.
Der Atlas von Mikroskopbildern füllt eine Lücke, weil Derartiges in solchem Umfang bisher nicht existierte. Dennoch bleibt unverständlich, wieso die Autoren mit keinem Wort Stefan Wülferts Buch "Der Blick ins Bild" (Ravensburg 1999) erwähnen, welches erstens eine exzellente Einführung in die Pigmentmikroskopie enthält, zweitens jedoch einen Anhang mit Mikroskopbildern von rund 100 Pigmenten unter polarisiertem Licht. Dies relativiert die Behauptung der Autoren, dass bisher kein Atlas zur Pigmentmikroskopie publiziert worden sei. (XI)
Der vorliegende Atlas erfasst allerdings 189 Verbindungen anhand von 1500 ausgewerteten Proben und deckt damit die Breite verwendeter Materialien ab, ohne zu großes Gewicht auf die westeuropäische Staffeleimalerei zu legen (XII). Die Autoren haben sich für die klassische Methode der Mikroskopie im polarisierten Licht entschieden, die immer noch das beste und einfachste Mittel ist, um sich einen raschen Überblick über die charakteristischen Eigenschaften einer Pigmentprobe zu verschaffen. Die einzelnen Einträge sind nicht nach Farbnamen, sondern nach Elementen, beziehungsweise Verbindungen geordnet, die für die einzelnen Pigmente kennzeichnend sind. Jeder Eintrag enthält mehrere Mikroskopbilder, die eine oder mehrere Proben des Pigments unter den verschiedenen Beleuchtungsarten mit polarisiertem Licht zeigen, sowie einen erläuternden Text. An zusätzlichen Methoden zur Untersuchung von Pigmenteigenschaften wurden Röntgenfluoreszenz-Elementaranalytik (SEM-EDX), Röntgendiffraktometrie (XRD) und Raman-Spektroskopie angewendet.
Obgleich das Werk in der Bestimmung von Pigmenten bemalter Artefakte seinen Hauptzweck sieht (XI), entstammen die Proben allesamt Farbmittelsammlungen und keineswegs Artefakten, was die Autoren plausibel begründen (XII f. und 381). Proben von Artefakten bedürfen allerdings fachgerechter Präparation, etwa der Extraktion des Bindemittels, ehe sie zum Vergleich mit den abgebildeten Substanzen taugen. Somit wird dieser Band des "Pigment Compendiums" wohl vor allem in Archäometrielaboren seine Funktion als wichtiges Referenzwerk erfüllen.
Albrecht Pohlmann