Rezension über:

Joachim Ehlers: Die Ritter. Geschichte und Kultur (= C.H. Beck Wissen; Bd. 2392), München: C.H.Beck 2006, 123 S., ISBN 978-3-406-50892-9, EUR 7,90
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Rezension von:
Barbara Hammes
Justus-Liebig-Universität, Gießen
Redaktionelle Betreuung:
Harald Winkel
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Hammes: Rezension von: Joachim Ehlers: Die Ritter. Geschichte und Kultur, München: C.H.Beck 2006, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/09/10354.html


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Joachim Ehlers: Die Ritter

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Zum Rittertum des Mittelalters gibt es ein breites Spektrum von Publikationen, seien es solche, die sich mit Einzelaspekten beschäftigen, seien es Überblicksdarstellungen, seien es solche, die sich der ritterlich-höfischen Kultur aus der Perspektive eines Germanisten oder Historikers nähern, oder seien es eher populärwissenschaftliche Darstellungen. Joachim Ehlers hat nun in der C. H. Beck Wissen-Reihe eine weitere Einführung in Geschichte und Kultur des Rittertums vorgelegt, die einem interessierten, aber fachlich nicht unbedingt vorgebildeten Publikum einen allgemein verständlichen Überblick über Voraussetzungen und Ausprägungen der ritterlichen Welt aus der Sicht eines Historikers bieten soll.

Ehlers legt seinen Schwerpunkt auf das Rittertum Westeuropas, insbesondere das des Reichs. Auf knappen 123 Seiten entfaltet er in 8 kurzen Kapiteln ein breites Panorama, wobei er zwar in groben Zügen die geschichtliche Entwicklung chronologisch nachvollzieht, sich aber eher an einzelnen Aspekten ritterlicher Kultur orientiert.

Nach einem einleitenden Kapitel, in dem grundlegende Fragestellungen angerissen werden (7-12), beschäftigt sich die Darstellung zunächst mit den Vorstufen des Rittertums und seiner Entstehung aus Vasallität und Kriegsdienst. Die Verbindung von Schutz- und Dienstpflicht, die in das Ideal des miles christianus mündet, wirkt als Regulativ für die Waffenträger (13-20). Auf diesen Grundlagen aufbauend wird vor dem Hintergrund der Lehnsgesellschaft beschrieben, wie die Zugehörigkeit zu einer militia mit einem gemeinsamen Wertekanon als Bindeglied für einen durchaus heterogenen Adel wirkt, der Personengruppen vom Hochadel bis zu unfreien Ministerialen umfasst (21-30). Anhand der Kreuzzüge, der Ritterorden und Ritterheiligen sowie der Preußenfahrten werden der christliche Auftrag des Rittertums und seine Mobilität beleuchtet (31-41). In seinem Kapitel über den Hof und die sich herausbildende höfische Kultur problematisiert Ehlers das Ideal ritterlich-höfischen Verhaltens als Elitephänomen (42-56). Durch den sozialen Aufstieg von Unfreien kommt es im 12. Jahrhundert zur Herausbildung eines niederadligen Ritterstands; für die Zugehörigkeit sind nun geburtsständische Kriterien und nicht mehr ausschließlich Erziehung und formelle Aufnahme entscheidend (57-70). Nach einem Kapitel über die ritterliche Sachkultur, insbesondere Burgen, Waffen, Pferde, Kampf- und Turnierformen (71-91), wendet sich Ehlers abschließend dem Ende des Rittertums zu (92-105). Durch die Niederlagen im Heiligen Land hat es seinen christlichen Auftrag verloren, der Krieger entwickelt sich vom Ritter zum Soldaten, am Hof dominieren zunehmend gelehrte Räte, so dass sich die ritterlich-höfischen Formen seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zunehmend als Mimesis kennzeichnen lassen.

Die Darstellung wird ergänzt durch zehn Abbildungen, die insbesondere auf dem Gebiet der Sachkultur eine sinnvolle Ergänzung zum Text bilden, eine knappe Auswahlbibliografie mit der neueren Literatur sowie durch ein Sachregister.

Ehlers konzentriert sich in seiner Darstellung auf die sozialen und materiellen Grundlagen des Rittertums, den ritterlichen Alltag und die ritterlich lebenden Menschen, was besonders überzeugt. Das insbesondere durch die höfische Dichtung propagierte und von der Germanistik erforschte Idealbild wird zwar nicht außer Acht gelassen, der Schwerpunkt liegt jedoch immer auf dessen Auswirkungen auf die Realität beziehungsweise auf dem Gegensatz zwischen Ideal und Realität. Bei aller Knappheit ist die Darstellung äußerst aspekt- und detailreich. Trotzdem behält Ehlers stets übergeordnete Zusammenhänge im Auge und verzettelt sich nicht in Einzelheiten. Auf die Frage nach den von Paravicini festgestellten Ritterrenaissancen oder möglichen "Konjunkturen" der ritterlichen Kultur geht er zum Beispiel (sinnvollerweise) im Rahmen dieser Darstellung nicht ein. Der nichtsdestotrotz überraschend hohe Grad an Informationsdichte und Querverbindungen führt aber andererseits auch dazu, dass die Kapitel sich nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen lassen (insbesondere die Kapitel 2-6). Einem Leser, der gezielt nach bestimmten Informationen wie etwa der Rolle verschiedener sozialer Gruppen innerhalb des Rittertums sucht, dürfte das trotz des Sachregisters Schwierigkeiten bereiten. Der soziale Aufstieg der Ministerialität wird zum Beispiel sowohl in Kapitel 3 (Lehnsgesellschaft), als auch in Kapitel 6 (Ritterstand) behandelt. Einen Leser, der sich in erster Linie einen Überblick verschaffen möchte, wird das jedoch nicht stören. Insofern hält die Darstellung ein, was sie verspricht: sie gibt auf der Grundlage des neuesten Forschungsstands eine gut lesbare und dennoch umfassende Einführung in Geschichte und Kultur des Rittertums.

Barbara Hammes