Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser, Stuttgart: Klett-Cotta 2006, 569 S., 62 Abb. und Karten, ISBN 978-3-608-94296-5, EUR 32,00
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Durch seinen Versuch, die griechischen und römischen Götterkulte zu reetablieren, spaltete der letzte heidnische Kaiser des Römischen Reiches, Julian (331-363 n. Chr.), schon zu Lebzeiten die Gemüter: Während ihn die einen als unermüdlichen Restaurator des "alten Glaubens" priesen, sahen andere in ihm den christenhassenden Apostaten. Auch heute noch fasziniert Julian die Gelehrten, wobei das Urteil über ihn keineswegs konsonanter geworden ist, wie die Vielzahl unterschiedlichster Arbeiten zu seiner Person bezeugt.
Die wohl umfangreichste deutschsprachige Biografie zu Julian hat in jüngster Zeit Klaus Rosen vorgelegt. Auf Grundlage der ausgesprochen günstigen Quellenlage bietet der Althistoriker dem Leser auf knapp 600 Seiten eine detaillierte Gesamtschau über das Leben des römischen Kaisers und das Imperium Romanum des vierten nachchristlichen Jahrhunderts. In akribischer Kleinarbeit und mit Kenntnis aller griechischen und römischen Zeugnisse zu Julian (9) werden nicht nur die Jugend- und Studienzeit des Kaisers (Kapitel 1-5), sein Weg zum Thron (Kapitel 6-7), die kurze Phase seiner Alleinherrschaft (Kapitel 8) und sein Ende (Kapitel 9) beleuchtet, sondern auch die Wirkungsgeschichte wird vom Autor minuziös aufgearbeitet und dem Leser als "Gang durch 1600 Jahre Geschichte" (9) präsentiert (Kapitel 10). Hierbei fällt auf, dass der Autor es sich nicht nehmen lässt, immer wieder die chronologische Betrachtung durch größere Exkurse zu unterbrechen, um sich - wie beispielsweise im zweiten Kapitel "Konstantinopel 337 n. Chr." - Einzelaspekten und dem historischen Kontext zu widmen.
Während in den meisten Publikationen zu Julian in erster Linie Aspekte der kaiserlichen (Religions-)Politik diskutiert werden, beschäftigt Rosen zudem ein Weiteres: Bereits im ersten Kapitel (13-34), welches der Autor programmatisch mit der Frage "Wer war Julian?" überschrieben hat, versucht der Biograf auch der Persönlichkeit seines Protagonisten näher zu kommen: Wer war Julian und was bewegte diesen Mann, der nicht nur seinen christlichen Glauben abgelegt hat, um zum "Vorkämpfer der alten Religion" zu werden, sondern gar eine Spottschrift über sich selbst verfasste und sein ungepflegtes Erscheinungsbild geradezu leidenschaftlich kultivierte? Die Gegenüberstellung der zeitgenössischen heidnischen und christlichen Aussagen über Julian im ersten Kapitel verdeutlicht dabei bereits, was Rosen schon in seinem Vorwort - vielleicht sogar als eines der wesentlichen Ergebnisse seiner umfangreichen Studie - vorweggenommen hat: "Der Abtrünnige war zu Lebzeiten umstritten und blieb es auch nach seinem Tod bis heute. Dieses Ergebnis macht den Verfasser bescheiden." (9). Trotz dieser Ernüchterung bohrt der Autor weiter und fragt im weiteren Verlauf immer wieder nach der Gemütslage des Kaisers. So erfährt der Leser beispielsweise, dass Julian schon in seiner Jugend ein in sich gekehrter Mensch gewesen sei, der sich - gleich seinem Vorbild Marc Aurel - vor allem philosophischen Lebensidealen verpflichtet gesehen habe (13 f.); dass er aber ebenso auch aufgrund seiner "angeborenen Spontaneität" (95) in der Lage gewesen sei, in "stürmische Begeisterung" (94) zu verfallen und es wohl auch diese gewesen seien muss, die Julian trieb, mit außergewöhnlich bitterer Selbstironie über sich zu schreiben. Insbesondere bei der Beschreibung der Usurpation Julians (Kapitel 7, 178-225) entwickelt Rosens Darstellung jedoch stark psychologisierende Züge. Der Kaiser erscheint erfüllt von Ängsten, die sein Handeln beeinflussten: Man liest, dass Julian in jenen Tagen immer wieder Unsicherheit und Angstzustände überfallen hätten (187), dass er nicht nur Angst gehabt habe, eine mögliche Niederlage im Krieg zu erleiden (225), sondern schließlich sogar besorgt gewesen sei, er könne seine Ängste vor einem möglichen Autoritätsverlust verraten (203). Ein derartiges 'Psychogramm' ist nicht nur vor dem Hintergrund der Quellen, sondern auch aus einer Distanz von rund 1600 Jahren ausgesprochen gewagt und bedarf sicherlich weiterer Diskussion.
Während Julians Weg zur Macht alles andere als selbstbewusst und zielstrebig wirkt, erscheint die kurze Phase seiner Herrschaft in einem anderen Licht: "Eine Last", so Rosen, "fiel Julian von den Schultern. Eben noch die Angst vor einer Katastrophe, jetzt plötzlich der Triumph." (228). Neben der Betrachtung der außenpolitischen Tätigkeiten Julians, die in dieser Zeit vor allem durch den umfangreichen Perserfeldzug bestimmt waren, setzt sich der Autor im achten Kapitel (226-344) auch mit dem Bekenntnis des ursprünglich christlichen Kaisers zum Heidentum und den damit verbundenen innenpolitischen Auswirkungen auseinander. Es wird deutlich, dass Rosen weniger einen schleichenden Umschwung in der religiösen Haltung Julians sieht, als vielmehr einen bestimmten Punkt als ausschlaggebendes Moment zur Konversion annimmt (229-233). Die entscheidende Wende im Leben des Kaisers datiert er schließlich in den Herbst des Jahres 361. Julian, so die These des Althistorikers, habe den plötzlichen Tod seines Widersachers Constantius und seine anschließende Alleinherrschaft als "göttliche Vorhersehung" - als Sieg der Götter über den Christengott - gedeutet (229-232) und sich daraufhin unmissverständlich vom Christentum ab- und dem Heidentum zugewandt. Auch habe Julian seine politischen Maßnahmen zur Wiedereinführung des 'alten Glaubens' als "Willen der Götter" legitimieren wollen (233), wobei Rosen betont, dass die Politik des Kaisers weniger tolerant gewesen sei, als einige der antiken Quellen Glauben machen wollen. Vielmehr sieht er im Vorgehen Julians eine von Anfang an zielstrebige antichristliche Politik (etwa 250, 307).
Nachdem im achten Kapitel insbesondere religionspolitische Aspekte beleuchtet wurden, steht im neunten Kapitel (345-393) das militärische Geschehen des voranschreitenden Perserfeldzuges im Vordergrund. Unter Einbezug verschiedenster Quellen zeichnet Rosen ein facettenreiches Zeitgemälde, welches er über den unglücklichen Tod Julians im Kriegsgetümmel bis zur Regierungszeit Valens' (364-378 n. Chr.) fortsetzt. Durch detaillierte Situationsbeschreibungen wird der Leser mitgenommen, die Geschehnisse des Perserfeldzuges und die wechselhafte Zeit nach dem Tod Julians nachzuvollziehen. Der Autor skizziert hier nicht nur administrative Hürden, die es zu nehmen galt, sondern diskutiert ebenso auch militärische Einzelheiten, wie beispielsweise das Marschpensum der Soldaten (363) oder auch die Vor- und Nachteile bestimmter Formationstechniken (351). Hierbei bedarf es einiger Mühen, den Kaiser zwischen zahlreichen Exkursen nicht aus den Augen zu verlieren.
Um die Biografie abzurunden, widmet sich Rosen abschließend der Rezeptionsgeschichte Julians (Kapitel 10, 394-462). Unter dem Titel "Der Umstrittene" wird dem Leser in geradezu tabellarischer Form ein Schnelldurchgang durch die wechselhafte Julianrezeption von der Spätantike bis in die Gegenwart präsentiert. Die Auswahl des Autors beschränkt sich hierbei nicht nur auf die deutschsprachige Literatur, sondern auch der englische und französische Sprachraum werden berücksichtigt.
Insgesamt hat Rosen eine gründlich recherchierte und gut lesbare Biografie vorgelegt, die mehr bietet als eine einfache Lebensbeschreibung Julians. In allen Teilen des Werkes werden eine Vielzahl unterschiedlicher Zeugnisse einbezogen und einzelne Aspekte in kleineren wie größeren Exkursen thematisiert: Mögen diese Abstecher den Lesefluss auch teilweise beeinträchtigen, erfährt der Leser auf diese Weise jedoch nicht nur, wie das Leben des Protagonisten voranschritt, sondern bekommt zudem auch Einblicke in die Zeit des vierten nachchristlichen Jahrhunderts geboten. Ein umfangreicher Anhang rundet schließlich das Werk ab.
Katharina Sundermann