Barbara K. Gold / John F. Donahue (eds.): Roman Dining. A Special Issue of American Journal of Philology, Baltimore / London: The Johns Hopkins University Press 2005, xiii + 140 S., ISBN 978-0-8018-8202-9, USD 19,95
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"Römisches Essen" ist seit einigen Jahren ein beliebtes Thema, besonders was die sozialen Implikationen des Verzehrs anbelangt. Der von B. K. Gold und J. F. Donahue herausgegebene Band "Roman Dining" präsentiert dazu fünf unterschiedliche Beiträge. Es handelt sich großteils um Vorträge einer 2002 abgehaltenen Tagung, die dem sozialhistorischen Phänomen "römisches Gastmahl" neue Aspekte abgewinnen wollte.
Nach einer knappen Einleitung (eher eine Zusammenfassung) folgt der herausragende Beitrag von N. Purcell "The Way We Used to Eat: Diet, Community, and History at Rome" (1-30). Er bindet den römischen Diskurs zur eigenen Frühzeit in den mediterranen Kontext ein. Der von römischen Autoren oft konstatierte Wechsel in der Ernährung wird als Teil einer Erzählung historischer Umbrüche verstanden und Speisen als Codes in der Beziehung der Römer zur Vergangenheit. Im Zentrum steht Getreide, da Emmer (far) mit altrömischen Werten in Verbindung gebracht wird, die also vom Siegeszug des Weizenbrotes bedroht waren. Emmer trennte Rom auch von den Griechen, deren frühe Speisen auf Gerste beruhten. So konnten römische Autoren eine kulturell-ethnische Karte Italiens zeichnen. Ähnliche Beobachtungen macht Purcell zu Wein, Feigen und Fleisch und weist darauf hin, dass die Semiologie der Antike stärker auf Einzelzutaten als auf Gerichten (wie heute) ruhte. So begründet er, dass ökonomische Veränderungen schon ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. als moralische wahrgenommen werden konnten, denn moralisch-ethische Vorstellungen verbanden sich mit Einzelzutaten. Bei der Bildung von Werten spielten für die Römer, wie Purcell zeigt, die Werke des Griechen Dikaiarchos und des Karthagers Mago eine zentrale Rolle. Obwohl also später die gängige römische Ansicht den kulinarisch fassbaren Beginn moralischen Verfalls in das 2. Jahrhundert v. Chr. setzte, waren das Problem der tryphe und seine ökonomischen Grundlagen wesentlich älter.
J. Wilkins liefert in "Land and Sea: Italy and the Mediterranean in the Roman Discourse on Dining" (31-47) hauptsächlich einen allgemein gehaltenen Literatur- und Forschungsbericht. Wilkins macht die frühkaiserzeitliche Ideologie und das Konstrukt einer idealen agrarischen Vergangenheit Roms als Hintergrund moralisierender Texte aus, die sich im 1. Jahrhundert n. Chr. gegen Tafelluxus wenden. Wertvoll aber wird Wilkins' Beitrag vor allem durch die Einbeziehung von Athenaios und Galen. Wilkins beobachtet eine grundsätzliche Bewegung von Speisen und Essgewohnheiten von Ost nach West, und so bieten diese griechischen Autoren Referenzen für die römischen Quellen. Wilkins zeigt, dass griechische Essgewohnheiten bis um 200 n. Chr. in Rom aufmerksam registriert wurden, also das Bewusstsein für das Anderssein der Römer noch verbreitet war. Dasselbe zeigt er anschließend für die griechische Seite.
Einen geschlechtsspezifischen Aspekt beleuchtet M. Roller in "Horizontal Women: Posture and Sex in the Roman Convivium" (49-97), die Frage nach der Bewertung der Essposition bei Frauen. Er argumentiert gegen die angebliche communis opinio, Frauen hätten bis in die späte Republik sitzend gespeist. Er zeigt zunächst, dass es sich anders verhält, spätestens seit Plautus. Aus dessen Amphitruo (800-808) und aus Cic. ad Att. 5, 1, die jeweils Eheverhältnisse beschreiben, leitet er ab, dass Küssen, gemeinsam liegend eingenommenes Essen und Geschlechtsverkehr als Stufen einer sexuellen Beziehung betrachtet wurden. Gemeinsames Liegen signalisierte eine erotische Verbindung, und zwar eine legitime. Gleichzeitig kann die liegende Frau von ihrem Mann kontrolliert werden, der beim convivium um ihre Treue fürchten muss. Dies begründet Roller zunächst mit Beispielen für "Entführungen" aus dem convivium. Sodann belegt er die Meinung, Romulus habe Frauen das Weintrinken verboten, weil dies zu Ehebruch führe; so sollte nach Roller das Potenzial weiblicher Sexualität eingeschränkt werden. Indem eine Frau beim Essen neben ihrem Mann lag, demonstrierte das Paar also seine legitime Verbindung, doch die Frau "also exudes a sexual energy that may extend transgressively beyond this licit connection to encompass other men, an effect further enhanced by wine drinking" (81). In Darstellungen von Ehepaaren in der römischen Grabkunst sitzt die Frau fast immer, während der Mann liegend dargestellt ist. Roller erklärt dies, durch Zuweisung der betreffenden Monumente an eine Subelite, die zwar Repräsentationsformen der Elite übernahm, jedoch ohne ihrer Meinung nach anstößige Elemente. Die Argumentation Rollers birgt Probleme, von denen nur das Größte genannt sei: Die von Roller bekämpfte, o. g. communis opinio gibt es nicht, und sie hat auch keine Grundlage in den Quellen, seien es literarische oder materielle. [1] Rollers Beitrag ist anregend, gleitet zuweilen aber ins Spekulative ab, ohne seine Aussagen hinreichend belegen zu können.
Mithilfe moderner soziologischer Kategorien untersucht J. Donahue in "Toward a Typology of Roman Public Feasting" (95-113) öffentliche römische Bankette. Mithilfe des Ansatzes, dass Gruppen, die gemeinsam essen, bereits zuvor definiert waren, möchte Donahue zeigen, wie die soziale Praxis des Banketts dazu diente, die Speisenden nach ihrem sozialen Rang voneinander sowie von den Unbeteiligten abzusetzen. Er betrachtet drei Charakterzüge öffentlicher Mahlgemeinschaft: Das Außergewöhnliche religiöser oder säkularer Feste im Jahreszyklus, die Exklusivität der Mähler von collegia sowie die Grenzüberschreitungen bei sozial abgestuftem Gästekreis. Bei Gastmählern der ersten Gruppe fällt die Möglichkeit der Hierarchisierung innerhalb der Mahlgemeinschaft auf, insbesondere eine Einteilung der Gäste nach ihrer politischen Stellung. Dies gilt auch für die zweite, die sich zwar vor allem über die Abgrenzung gegenüber den Nicht-Mitgliedern definiert, bei der aber auch intern Statusunterschiede bestätigt werden, etwa durch Portionsgrößen. Den Reiz der letzten Kategorie machen die Grenzen zwischen den sozialen Gruppen und das Interesse aus, diese Grenzen zu überschreiten. Voraussetzung ist eine Asymmetrie im sozialen Status, das Bedürfnis des dominanten Gastgebers, als solcher erkennbar zu sein, und dass auch der dominante Teil der Gemeinschaft dasselbe Essen wie alle bekommt. Als römische Beispiele dienen Kaisergelage, v. a. ein Statiustext (Silv. 1, 6, 43-50) zu Domitian. Hier findet Donahue die beiden ersten Kriterien erfüllt, das dritte aber nicht. Unterschiedliche Speisen am selben Tisch sind gut belegt (wenn auch nur aus der Sicht des literarischen Gastes, was Donahue außer Acht lässt). Die römische Gesellschaft des 1. Jahrhunderts n.Chr. erlaubte also gleichzeitig eine gemeinschaftliche Teilnahme am Mahl und eine Demonstration sozialer Unterschiede.
Den letzten Beitrag, "The Waiting Servant in Later Roman Art" (115-140), liefert K. Dunbabin, die fragt, weshalb Abbildungen von Serviersklaven in der frühkaiserzeitlichen Kunst so selten und in der spätantiken so häufig sind, obwohl Sklaven immer ein Statussymbol waren. Die wenigen Abbildungen von ein bis zwei Serviersklaven aus der frühen Kaiserzeit sind lediglich Beiwerk, meist in kleinerem Maßstab als andere Figuren. Hingegen liegen aus dem 3./4. Jahrhundert zahlreiche Wandbilder, Mosaike und Reliefs vor, welche Serviersklaven als prominentes Motiv zeigen. Charakteristisch ist für diese Bilder, dass die Empfänger der Dienstleistungen oft gar nicht dargestellt sind, die Sklaven sich also an den Betrachter wenden. Dies gilt für Bilder aus dem häuslichen wie für solche aus dem funerären Kontext. Dunbabin bezieht auch Badeszenen ein, mit demselben Ergebnis: Die Bediensteten bilden häufig das (einzige oder Haupt-)Motiv. Zu diesen Aussagen kommt Dunbabin anhand ausführlicher Beschreibungen einzelner Denkmäler. Die Erklärung dagegen fällt knapp aus: In der Spätantike habe man mehr Wert auf "the more 'private' realm" gelegt als in der Hohen Kaiserzeit. Darüber hinaus habe diese neue Bildersprache einem größeren Personenkreis die Partizipation erlaubt, denn die Zahl der spätantiken Haushalte mit Dienern war sicher größer als die der Inhaber hoher Staatsämter.
"Roman Dining" ist kein Kompendium, da eine inhaltliche Klammer der verschiedenen Aufsätze fehlt. Das Buch ist eine Sammlung von Spezialaufsätzen ohne gemeinsame Fragestellung. Vor allem aber krankt es an seinem späten Erscheinungsdatum; drei der fünf Autoren haben mittlerweile Monografien zum Thema publiziert, welche ihre Beiträge in ausführlicherer Form enthalten. [2] Es sind außerdem weitere Arbeiten erschienen, die Wesentliches zu den angesprochenen Fragen beitragen und manches obsolet machen. [3] Der Band als solcher wurde sorgfältig erstellt, das Schriftbild ist angenehm, die Bindung stabil. Knappe Zusammenfassungen, die jedem Beitrag vorangestellt sind, erleichtern das Verständnis. Lediglich die Abbildungen (zu den Beiträgen von Roller und Dunbabin) sind - vor allem aufgrund des verwendeten Papiers, aber auch von unvorteilhafter Ausleuchtung - von mäßiger Qualität. Bedauerlicherweise gibt es keinerlei Indizes, ebenso wenig eine gemeinsame Bibliografie, und so wird dieses Buch wohl nur wenige Leser finden, die sich nicht mit speziellen Fragen zum römischen Bankett befassen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. bes. Cornelius Nepos (vir. ill. praef. 6), für den ein Miteinander beider Geschlechter beim Mahl etwas genuin Römisches ist (s. E. Stein-Hölkeskamp: Das römische Gastmahl, München 2005, 75).
[2] J. F. Donahue: The Roman Community at Table during the Principate, Ann Arbor 2004; s. hierzu die Rezension von Dirk Schnurbusch, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7/8 [15.07.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/07/7175.html; K. M. D. Dunbabin: The Roman Banquet. Images of Conviviality, Cambridge 2003; M. B. Roller: Dining Posture in Ancient Rome. Bodies, Values and Status, Princeton 2006.
[3] Stein-Hölkeskamp a.O.; K. Vössing, Mensa Regia. Das Bankett beim hellenistischen König und römischen Kaiser, München/Leipzig 2004.
Werner Tietz