Jörg Aufenanger: Heinrich Heine in Paris, München: dtv 2005, 159 S., ISBN 978-3-423-24518-0, EUR 12,00
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"Fragt Sie jemand, wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr, sagen Sie den Leuten, daß, wenn im Meere ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antworte dieser: ich befinde mich wie Heine in Paris". So lautet, vollständig zitiert, der Ausschnitt aus einem Brief Heines wenige Zeit nach seiner Ankunft in Paris im Jahre 1831. Auf dem Umschlag von Jörg Aufenangers Buch über Heines Jahre in Paris sowie in der Einleitung wird daraus nur der letzte Satz abgedruckt, "Ich befinde mich wie Heine in Paris". Doch so aus dem Zusammenhang gerissen, kann sich der Sinn des Satzes nicht erschließen. Das ist schade, zumal diese Jubiläumsbiografie über Heine für ein breites Publikum ohne Vorkenntnisse geschrieben ist.
Es ist die Geschichte der zweiten Lebenshälfte des Dichters, die hier erzählt wird. Damit wird dem Ort Aufmerksamkeit zuteil, an dem sich die wichtigste Schaffensperiode Heines abspielte: das Paris des Vormärz. In der Hauptstadt Frankreichs und "der ganzen zivilisierten Welt" fühlte sich der 33jährige Heine endlich angekommen. Lebendig und kenntnisreich wird das Leben Heines geschildert: seine Kontakte zu französischen Kollegen wie zu den deutschen Exilierten, seine amourösen Verflechtungen wie das Verhältnis zu seiner Familie und zu seinem Verleger, sein literarisches und journalistisches Schaffen wie die Entwicklung seiner politischen Ansichten, das Flanieren durch die Stadt seiner Träume wie die langen Jahre der Lähmung, die er bis zu seinem Tod 1856 in der "Matratzengruft" verbrachte. Der Charakter des Dichters erschließt sich vor allem in der Beschreibung von Heines persönlichen Beziehungen. Dieser verstand es vortrefflich, auch gute Freunde mit seiner ironischen Art und seinen beißenden Kommentaren zu verjagen. Durchgängig erweist er sich als eitel. Eine Stärke der Darstellung liegt darin, Heines Leben und Schaffen mit der Geschichte von Paris zu verweben und die konkreten und realen Lebensbedingungen in Verbindung zu Heines Werk zu setzen. Die vielen Zitate aus Briefen und dem journalistischen und literarischen œuvre Heines tragen nicht nur zur Anschaulichkeit bei, sondern machen auch Lust auf weitere Texte von Heine.
Einen wissenschaftlichen Anspruch hat das kleine Buch nicht. Es kommt ohne Fußnoten und Anmerkungen aus. Die Literaturliste im Anhang zählt nur fünf Werke aus der so umfangreichen Sekundärliteratur über Heinrich Heine und ist nicht auf dem neuesten Stand. Dies ist wohl der Anlage dieser Art von Jubiläumsbiografien geschuldet, die Aufenanger auch bereits über Goethe, Schiller und Grabbe verfasst hat. Und so wird dem Unkundigen die Person Heines mit ihren widersprüchlichen Zügen lebendig vor Augen geführt und gleichzeitig einen knappen Einblick in Werk und Stil des Dichters gegeben, während dem Kenner kaum etwas Neues geboten wird und manche Verkürzung zum Widerspruch anregt.
Mareike König