Rezension über:

Christine Schweikert: "Gott zu Ehren und der Kirchen zur Zierde..." Studien zu Leben und Werk der fränkischen Bildschnitzerfamilie Brenck im 17. Jahrhundert. http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2005/163/, Erlangen / Nürnberg: Friedrich-Alexander-Universität 2005

Rezension von:
Jakob Golab
Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Jakob Golab: Rezension von: Christine Schweikert: "Gott zu Ehren und der Kirchen zur Zierde..." Studien zu Leben und Werk der fränkischen Bildschnitzerfamilie Brenck im 17. Jahrhundert. http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2005/163/, Erlangen / Nürnberg: Friedrich-Alexander-Universität 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 11 [15.11.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/11/9499.html


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Christine Schweikert: "Gott zu Ehren und der Kirchen zur Zierde..." Studien zu Leben und Werk der fränkischen Bildschnitzerfamilie Brenck im 17. Jahrhundert

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Christine Schweikert entfaltet in ihrer Dissertation das Leben und Schaffen der in Windsheim und Kulmbach ansässigen Familie Brenck: Beginnend bei Georg Brenck d. Ä. (1564/65-1635), über seine Söhne Georg d. J. (1593-1639) und Johann (1604-1674) und endend bei Johanns Sohn, Johann Georg Brenck (1632-1697). Ihre Monografie sei durch den Forschungsrückstand legitimiert: Außer in einigen kleinen Publikationen der 1920er und 30er-Jahre sowie in historischen Überblickswerken aus den 1990er-Jahren habe die Familie keine Beachtung gefunden. Da eine stilistische Einordnung bisher ausgeblieben sei, setzte Schweikert sich zum Ziel, "erstmals eine umfassende, monographische Darstellung der [...] fränkischen Schreiner- und Bildschnitzerfamilie Brenck zu verfassen" (9).

Die Autorin geht diese Aufgabe systematisch, gleichsam in elliptischen Bahnen an, wobei sie die Ergebnisse sorgfältiger Archivrecherchen zusammenträgt und mit bereits Bekanntem und dem Oeuvre abgleicht. Ausgehend von der Topografie der Region nähert sie sich den biografischen Fakten, entfernt sich in sozialgeschichtlichen Exkursen von den Brencks und konzentriert die Betrachtungen dann zunehmend auf Details ihres Schaffens, das sie durch ausgiebige Seitenblicke auf Vergleichsbeispiele wieder aus dem Fokus rückt. Erst die Schlussbetrachtung vermittelt überschaubar die Ergebnisse dieser voluminösen Dissertation.

Das zweite Kapitel bietet zahlreiche Informationen zum Verhältnis zwischen zünftischem Handwerk und freiem Künstlertum, um "die traditionelle Bindung Brencks und seiner Familie an das Handwerk" zu erörtern - ein für die Zeit zweifelsohne relevanter Aspekt, allerdings sind die Erörterungen sehr allgemein gehalten und daher nur von Ferne erhellend.

Das dritte Kapitel rekonstruiert die Geschäftsabwicklung in Brencks Tätigkeitsfeld und Jahrhundert, wobei allgemeine Informationen in archivalischen Funden, die teilweise schon in den biografischen Angaben verwertet wurden, ihre konkrete Entsprechung finden. Allein "aufgrund der reichlich vorliegenden detaillierten Quellen [...] scheint es [Schweikert] gerechtfertigt, erneut die einzelnen Phasen der Geschäftsabwicklung nachzuvollziehen", obwohl andere Monografien dies bereits exemplarisch getan hätten (124).

Das vierte Kapitel entfaltet die Bildhauerkunst auf der Wanderroute Brencks, also in Leipzig, Braunschweig und Erfurt. Hierbei werden die dort tätigen Bildhauer vorgestellt, um eventuelle Stilleinflüsse auszumachen, obwohl die meisten Oeuvres bloß rudimentär erhalten und daher kaum eine Vergleichsgröße sind. Diese schwierige Ausgangsposition verführt die Autorin, Werke wie einen nur zeichnerisch überlieferten Aufsatz von Valentin Silbermann heranzuziehen, der überdies "erst entstand, als Brenck längst nach Windsheim zurückgekehrt war" (159). Als Ergebnis ihrer Betrachtungen stellt Schweikert letztlich die Beziehungslosigkeit zwischen Brencks Oeuvre und den Vergleichsbeispielen fest (160 bis 177).

Das fünfte Kapitel konzentriert die Autorin auf die Grundzüge der Kanzelarchitektur der Zeit, weil diese in der reformierten Kirche die vornehmste sei. Sie zählt "28 Kanzeln und drei Schaldeckel" sowie eine Modernisierung zum Oeuvre der Familienwerkstätten (180) - auf Seite 212 beläuft sich das Oeuvre auf 30 Kanzeln. Ihre Predigtstühle seien zeitkonform und gekennzeichnet durch das "additive Zusammenfügen der tragenden und lastenden architektonischen Komponenten" (181).

In einer detaillierten Untersuchung der einzelnen Bestandteile eines Predigtstuhls führt Schweikert Brencksche Eigenarten vor: "die offene Konsole in Form einer Volutenkrone" (186), vier Typen der Kanzelbechergestaltung (191) und "kronenartiger Aufbau" des Schalldeckels (196). Die sehr genauen Beobachtungen lassen sich leider kaum nachvollziehen, weil die Abbildungen selbst in einem Farbausdruck von ungenügender Auflösung sind. Zusätzlich erschweren fehlende Verweise auf Abbildungsnummern das Auffinden anderorts erwähnter Objekte. Beides ein gravierendes Manko, das auch die übrigen Kapitel der analytischen, optische Befunde minuziös auswertenden Dissertation betrifft.

Schweikert sieht gestalterische Parallelen zum schlesischen, sächsischen und Augsburger Raum. Die viergliedrige Typologie der Kanzeln überzeugt, auch wenn einzelne, konkrete Zuordnungen problematisch scheinen. Trotz ihrer Traditionsgebundenheit (191, 195) seien Brencks drei Neuerungen im fränkischen Raum zuzuschreiben: die Mosesfigur als Kanzelstütze (183, Funk (1938) folgend), die dreigeschossige Schalldeckelkonstruktion (198, Henle (1934) folgend) und schließlich die Gestaltung des Schaldeckels aus aufgetürmten Wolken (200).

Das sechste Kapitel widmet sich ikonografischen Überlegungen: Im Zentrum des Familienoeuvres stehe "das Kernthema des Protestantismus 'Sünde und Gnade'", die Wahl der Bedeutungsträger und die Darstellungsmodi stünden der mittelalterlichen Tradition nahe (213, 215). Ikonologische Erläuterungen bieten zwei zeitgenössische Predigten, die zur Einweihung zweier Predigtstühle aus den Werkstätten der Brencks gehalten wurden. Allerdings misslingt der abschließende Versuch, "das typisch Protestantische" (228) herauszuarbeiten, denn die christozentrische Orientierung kennzeichnet gleichfalls die katholischen Werke der Zeit.

Das siebte Kapitel fokussiert Schweikert auf die skulpturalen Eigenheiten des Familienoeuvres. Dabei sollen "die Statuarik [...], Kostümierung und Faltenduktus, sowie das Verhältnis von Gewand und Körper" (234) untersucht werden. Allerdings erschweren "langlebige Formkontinuitäten" eine Einteilung in Phasen. Allgemein sei die Brencksche Plastik "der Architektur bei- bzw. untergeordnet" (235). Die Arbeiten des Stammvaters Georg Brenck kennzeichne "Zweidimensionalität und Blockhaftigkeit" (235), seine Skulpturen innerhalb eines Ensembles seien isoliert (238), detailfreudig in der Kostümierung (241) und der Faltenwurf "ein abstraktes kannelurenartiges, körperfernes Gepräge" (242). Sein Sohn Georg d. J. verleihe den Körpern mehr Präsenz, der jüngere Sohn Johann d. Ä. behalte diese bei und schaffe weichere, flüssigere Gewänder, die er um "in den Raum gebogene und bewegte Körperlinien" (239) legt. Auch die Physiognomien entwickelt er zu "kräftigen, lebensnahen Formen" (249). Dagegen stilisiere der jüngste Familienspross Hans Georg die Gesichter zu "unnatürlichen, verzerrten Physiognomien" (249) und kehre zugleich im Faltenwurf zu den Anfängen des Großvaters zurück, allerdings ohne dessen Plastizität erreichen zu können (245). Nicht nur diesbezüglich arbeitet Schweikert heraus, dass der Großvater grundlegende Orientierungspunkte setzte, die Söhne das Abgesteckte zur Bestform entwickelten und der Enkel das Tradierte verständnis- und kunstlos verwertete (200, 201, 229).

Im achten Kapitel untersucht Schweikert die grafischen Einflüsse auf das Schaffen der Brencks. Diesmal trägt die Suche Früchte: die Autorin konstatiert, dass vorrangig niederländische Stiche nach Marten de Vos und einige Grafiken deutscher Provenienz vorlagennah umgesetzt oder "einzelne grafische Details [...] in einer Art Baukastensystem neu kombiniert" (259) wurden. Gestützt auf Literatur und eigene Nachforschungen ordnet Schweikert zahlreiche konkrete Vorlagen konkreten Schnitzwerken zu, wobei sie die Beziehungen eingehend bespricht. Offenbar seien Vorlagen, die der Stammvater benutzt hatte, auch vom Sohn und Enkel verwendet worden (259).

Daneben setzt die Autorin ihre Mutmaßungen über skulpturale Einflüsse fort, die sie mit geringem Erfolg im vierten und fünften Kapitel angestellt hatte. Auch diesmal bietet sie kaum überzeugende Vergleiche, um etwa "intensivste Bindungen" zu Zacharias Juncker d. Ä. nachzuweisen. Zumindest ex negatio tragen die Vergleichsbeispiele zur Profilierung des Familienoeuvres bei. Allerdings muss erneut zugestanden werden, dass die mangelhafte Qualität der Illustrationen im Grunde kein Urteil gestattet.

Wie schon die vorangehenden Kapitel ist auch dieses nicht chronologisch sondern systematisch gegliedert - diesmal nach Darstellungsinhalten. Diese Strukturierung des umfangreichen, akribisch zusammengetragenen Materials genügt zwar der Zielsetzung, das Familienoeuvre umfassend zu präsentieren, erschwert jedoch gerade angesichts der Materialfülle eine konturierte Generationenabgrenzung, die erst in der abschließenden Zusammenfassung erkennbar wird.

Ihre umfangreichen Betrachtungen schließt die Autorin mit einer Untersuchung der Relevanz architektonischer und ornamentaler Vorlagenbücher für das Schaffen der Familie. Wie schon Laun (1982) sieht Schweikert Beziehungen "von allgemeiner Natur" gegeben, versucht sie aber durch sorgfältige Ornamentbetrachtung zu konkretisieren.

Schweikert weist im Familienoeuvre Übernahmen aus Gabriel Krammers praxisorientierter Architectura / Von den vnf Sevlen glaubwürdig nach (317), ebenso Einflüsse Friedrich Uteutschs Zierathenbuch (322). Lösungen für Altäre, die Wendel I Ditterlin in seiner weit verbreiteten Architectura angeboten hatte, hätten keine Anwendung gefunden (312). "Das Vorlagenbuch [wirkte] für die Schnitzerfamilie maßgeblich inspirierend, obwohl kaum unmittelbare rein kopistische Übernahmen zu verifizieren sind." (313) Dennoch nimmt die Autorin an, "dass man die einzelnen Ordnungen im Sinne der vitruvianischen Säulenlehre und seiner Anhänger zu differenzieren wusste." (313)

Wiewohl die einzelnen Kapitel mit einer Zusammenfassung schließen, formuliert die Autorin wichtige Konklusionen erst in der Schlussbetrachtung: Etwa, dass Georg Brenck d. Ä. "in erster Linie Schreiner war" (330). Allerdings scheut sie nicht, die Dürftigkeit der Ergebnisse ihrer aufwändigen Suche nach künstlerischen Einflüssen zu gestehen (331). Nur auf allgemeine Parallelen zur sächsischen und niedersächsischen Kanzelbaukunst legt sie sich fest (332).

Obwohl Schweikert sich der Überlieferungslücken bewusst ist, urteilt sie, dass die Brencks "innerhalb [des] vorgegebenen stilistischen Rahmens [...] zu einer eigenen signifikanten Ausdrucksform" (332) gefunden hätten. Resümierend stellt die Autorin fest: Die Brencks und ihre Gesellen blieben "ohne Strahlungskraft für die Nation" (340), aber es müsse ihnen "eine große regionale Bedeutung zuerkannt werden" (340).

Der zweite Teil der Arbeit bietet einen umfangreichen Werkkatalog, der alphabetisch nach Orten, sodann chronologisch gegliedert ist, jedoch keine Nummerierungen aufweist, die als Referenz dienen könnten, was sich bei der Lektüre der eigentlichen Untersuchung unangenehm bemerkbar macht. Befremdlich wirkt auch die Entscheidung, einige Werke und insbesondere Neuzuschreibungen, die in der Untersuchung behandelt werden, nicht in den Katalog aufzunehmen. Da die Grabsteine von Sitzmann (1938) und die Schreinerprodukte von Funk (1938), Ramisch (1968) und Dehio (1979, 1999) abgehandelt seien, wurden sie ebenfalls ausgeklammert.

Neben den üblichen Angaben bietet der in schlechter Qualität bebilderte Katalog ausführliche Beschreibungen, vergleichende Betrachtungen, Zuschreibungshistorien, archivalische Nachweise, Bemerkungen zum Erhaltungszustand und Literaturhinweise. Damit legte Schweikert ihrer detaillierten Untersuchung eine erschöpfende Dokumentation des bekannten Familienoeuvres bei, sodass diese Dissertation für längere Zeit ein Referenzwerk für die fränkische Regionalkunstgeschichte sein dürfte.

Jakob Golab