Dorothee Platz: We had been the women's army - Women's Army Auxiliary Corps (WAAC). Kriegserfahrungen von Frauen im Hilfsdienst der britischen Armee des Ersten Weltkrieges (= Moderne Geschichte und Politik; Bd. 20), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2005, 354 S., ISBN 978-3-631-54500-3, EUR 56,50
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Dorothee Platz widmet sich in ihrer Arbeit einer unbekannten, weitgehend in Vergessenheit geratenen, aber keineswegs so kleinen und erst Recht nicht unbedeutenden Gruppe in der britischen Armee: den Waacs.
Dieser Hilfsdienst, im März 1917 gegründet, wurde ausschließlich von Frauen getragen. Großbritannien war damit das erste Land, das eine ausschließlich von Frauen getragene Einheit zur Unterstützung seiner Armee formierte. Die Waacs, wie die Autorin diese Frauen fast liebevoll nennt, waren für vielfältige Aufgaben eingesetzt. Die (zu Spitzenzeiten) über 40.000 Frauen ersetzten in der Etappe Soldaten, die an der Front dringend benötigt wurden. Die Frauen arbeiteten in Büros - vor allem Fremdsprachenkenntnisse waren von großer Bedeutung -, in Küchen und Vorratslagern, sie dienten in Nachrichtentruppen oder als Fahrerinnen und in einigen seltenen Fällen sogar als Automechanikerinnen. Und einige ganz Auserwählte unterstützten als "Hush-Waacs" den Geheimdienst. Frauen im Ersten Weltkrieg waren also nicht nur Krankenschwestern, Straßenbahnschaffnerinnen oder Munitionsarbeiterinnen.
Dorothee Platz möchte mit ihrer Arbeit zweierlei erreichen: Auf der einen Seite versucht sie, die Geschichte des Ersten Weltkrieges um diese bislang weitgehend unbekannte Facette der Beteiligung der Frauen an dem Krieg zu bereichern. Sie setzt sich aber auch intensiv mit einer Frage auseinander, die in der Forschung heiß und kontrovers diskutiert wird: ob und inwieweit der Erste Weltkrieg der Emanzipation der Frauen einen erheblichen Impuls gegeben habe. Diese Frage beantwortet Dorothee Platz umsichtig und differenziert. Weder ist sie davon überzeugt, dass der Erste Weltkrieg klassische Frauenbilder und das Rollenverständnis weiter zementiert habe, noch stimmt sie denjenigen Historikern zu, die im Ersten Weltkrieg einen bedeutenden Schub für die Emanzipation sehen. Sie hält den Ersten Weltkrieg für einen - wenn auch nicht unbedeutenden - Schritt auf dem steinigen Weg zur Emanzipation. Sie bestreitet aber vehement die These, dass die Einführung des Frauenwahlrechts - eine große Etappe auf dem Weg zur Gleichbehandlung - eine Belohnung für den Einsatz der Frauen im Krieg gewesen sei. Wichtiger scheint ihr aber der Schritt in Richtung auf die Öffnung der Streitkräfte für Frauen zu sein. Hierin sieht sie die sicherlich tiefer reichenden Folgen, die die Gründung des Hilfsdienstes für die Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg hatte.
Ihr zentrales Anliegen aber ist es, die Waacs dem Vergessen zu entreißen. Mit unglaublicher Akribie und Beharrlichkeit hat sie sich nicht nur in zahlreiche Archive und in viele Archivquellen eingegraben, zum Beispiel in die im Imperial War Museum in London archivierten, in den Siebzigerjahren geführten Interviews, sondern auch in die von den ehemaligen Waacs nach dem Ersten Weltkrieg herausgegebene Veteranenzeitschrift. Doch das ist erst der Anfang: Sie hat sich zudem mit Romanen befasst, die von den Kriegserlebnissen der Waacs handeln. Die Literatur trennt die Verfasserin sauber in die Romane, die das Leben der Hilfsdienstleistenden realistisch abbilden und solche, die den Einsatz von Frauen an der Front nur zum Vorwand nehmen, um abenteuerliche oder erotische Fantasien zu entwickeln. Dorothee Platz gibt, so weit es ihr auf der Basis ihrer Quellen möglich ist, einen Ausblick auf das Leben ihrer Waacs nach dem Krieg. Sie zitiert umfangreich aus Briefen oder Erlebnisberichten und versucht, dem Leser das Kriegserlebnis ihrer Waacs anschaulich vor Augen zu führen. Mit großem Nachdruck unterstreicht sie, dass die Entscheidung der Frauen, in den Hilfsdienst einzutreten, in den meisten Fällen von einem tief verwurzelten Patriotismus geleitet wurde. Der Wunsch der Frauen war es nicht, Abenteuer zu erleben oder das Wahlrecht auf diesem Wege durchzusetzen, sondern dem Vaterland zu dienen. Und in diesem Punkt, so die Verfasserin, unterscheidet sie nichts von der Vielzahl der britischen Soldaten im Ersten Weltkrieg.
In dem Hilfsdienstcorps kamen Frauen aller Schichten von Aristokratinnen bis Arbeiterinnen zusammen. Platz unterstreicht jedoch, dass die Positionen in der Offiziersriege des WAAC in der Regel Frauen aus oberen oder mittleren Gesellschaftsschichten vorbehalten waren, während Arbeiterinnen die "einfacheren" Arbeiten verrichten mussten. Eine weit reichende Aufhebung von Klassenschranken fand nicht statt, eher im Gegenteil eine Zementierung, das scheint auch den Waacs selbst bewusst gewesen zu sein.
Doch nicht nur mit den Überlebenden, auch mit den 181 im Krieg gefallenen Hilfsdienstleistenden geht sie ähnlich sorgfältig um. Platz fragt, ob und in welchem Umfang die hilfsdienstleistenden Frauen auf Kriegsdenkmälern nach dem Ersten Weltkrieg genannt werden. Sie kommt zu dem sicher nicht überraschenden, aber dennoch niederschmetternden Ergebnis, dass die Waacs, wenn sie überhaupt auf den Gedenktafeln genannt werden, am Ende stehen. Nur ein einziges Denkmal, das Dorothee Platz entdeckt hat, nennt die gefallene Frau inmitten der Soldaten und im Rang eines Sergeanten.
Das sicher überraschendste Ergebnis der Arbeit von Dorothee Platz ist, dass die hilfsdienstleistenden Frauen den Krieg beziehungsweise ihre Beteiligung am Krieg als etwas überaus und wie es scheint ungebrochen Positives wahrgenommen haben. "I never regrettet it, it was a wonderful experience in every way", zitiert Platz eine der Waacs. Der positive Tenor durchzieht die überwiegende Mehrheit der Berichte der Veteraninnen.
Und das, obwohl es viele Vorbehalte der englischen Gesellschaft, aber auch vieler Soldaten gegen den Einsatz der Hilfsdienste gegeben hat. Noch bis ins Jahr 1922 weigerte sich die British Legion beharrlich, Veteraninnen der Frauenhilfsdienste als Vollmitglieder anzuerkennen. Die Eltern fürchteten um die Unschuld der Töchter, die Soldaten warfen den Frauen vor, sie von sicheren Etappenjobs an die tödliche Front zu verjagen, französische und belgische Bürger mutmaßten, dass die Dienststellen der Waacs notdürftig getarnte Bordelle seien. Intern tobte ein aus heutiger Sicht amüsant zu lesender Kampf um die Uniformen und Dienstgrade. Während die Frauen durch die Kleidung und vor allem die Dienstgrade den Armeeeinheiten möglichst gleichgestellt sein wollten, wehrten sich diese erbittert gegen eine solche Gleichsetzung.
Es ist bemerkenswert - oder vielleicht auch nicht -, dass sich das Kriegserlebnis dieser Frauen so von dem unterscheidet, was wir gemeinhin von den britischen Soldaten wahrzunehmen gewöhnt sind. Denn von ihnen haben wir zumeist die den Schmerz und den Schrecken beschreibenden Stimmen gehört, vor allem jene also, die in ihren Erzählungen und Gedichten den Krieg in winzige grausame und oft sinnlose Fragmente zerbrechen lassen. Bei den Frauen jedoch ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Die Verfasserin hebt allerdings hervor, dass das eindeutig positive Bekenntnis zum vergangenen Ersten Weltkrieg vieler Waacs zur gleichen Zeit ein eindeutiges Votum gegen weitere Kämpfe gewesen sei. Die positive Erinnerung an den Krieg und die Hoffnung, dass es keine weiteren Kriege geben möge, gehörten für viele der Hilfsdienstleistenden eng zusammen.
Dorothee Platz hat aus Sicht der Rezensentin die zwei Ziele, die sie sich gesteckt hat, sehr gut erreicht: Zum einen hat sie differenziert herausgearbeitet, in welchem Umfang der Einsatz von Frauen in den Hilfsdiensten in Großbritannien die Gleichstellung beeinflusst hat. Zum anderen ist es der Verfasserin gelungen, diese Frauen dem Vergessen zu entreißen beziehungsweise den Lesern vorzustellen und bekannt zu machen. So liest sich das Buch mit Vergnügen und Gewinn, tatsächlich hat der Leser am Ende den Eindruck, das eigene Bild vom Ersten Weltkrieg um eine weitere, ganz anders gefärbte Facette ergänzt zu haben. Und wie es immer bei guten Büchern ist: Sofort drängen sich weiterführende Fragen auf: Wie ist es zu erklären, dass das Kriegserleben der Männer sich so massiv unterscheidet von dem der Frauen? Und hat die positive Erinnerung der Frauen letztlich nicht doch mit der Tatsache zu tun, dass Großbritannien zu den Siegern des Ersten Weltkrieges gehörte? Die Arbeit von Dorothee Platz zeigt, dass auch der intensiv erforschte Erste Weltkrieg immer wieder neue Facetten und unbeantwortete Fragen zu bieten hat.
Susanne Brandt