Rezension über:

Ian Hunter / John Christian Laursen / Cary J. Nederman (eds.): Heresy in Transition. Transforming Ideas of Heresy in Medieval and Early Modern Europe (= Catholic Christendom, 1300-1700), Aldershot: Ashgate 2005, xii + 205 S., ISBN 978-0-7546-5428-5, GBP 50,00
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Rezension von:
Amalie Fößel
Facheinheit Geschichte, Universität Bayreuth
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
Empfohlene Zitierweise:
Amalie Fößel: Rezension von: Ian Hunter / John Christian Laursen / Cary J. Nederman (eds.): Heresy in Transition. Transforming Ideas of Heresy in Medieval and Early Modern Europe, Aldershot: Ashgate 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 3 [15.03.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/03/10061.html


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Ian Hunter / John Christian Laursen / Cary J. Nederman (eds.): Heresy in Transition

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Der Sammelband enthält dreizehn Aufsätze zur Wahrnehmung von Häresie vom Mittelalter bis zur Neuzeit, die den Wandel des Häresie-Begriffs vor dem Hintergrund der tiefgreifenden religiösen und politischen Veränderungsprozesse seit dem späten Mittelalter und der Reformation herausarbeiten. Chronologisch angelegt befasst sich die erste Hälfte des Buches mit verschiedenen Definitionsversuchen mittelalterlicher Autoren, der zweite Teil dann mit neuzeitlichen Interpretationen, die Häresie nun nicht mehr mit den Kategorien Wahrheit und Falschheit zu fassen suchen, sondern als erklärbares historisches Phänomen begreifen. Folgende Themenbereiche werden diskutiert: Paul A. Hayward, Before the Coming of Popular Heresy: The Rhetoric of Heresy in English Historiography, c. 700-1154, beobachtet, dass in der normannischen und angelsächsischen Geschichtsschreibung dem Phänomen Häresie vor dem 12. Jahrhundert wenig Beachtung zukommt, was sich mit dem Auftreten der Katharer jedoch änderte, die man als nie da gewesene Bedrohung für die Glaubensgemeinschaft ansah (9-27).

Sabina Flanagan, Heresy, Madness and Possession in the High Middle Ages, erörtert die argumentativen Zusammenhänge zwischen Häresie und Wahnsinn am Beispiel des Amalrich von Bena und kommt zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf des Verrücktseins den Versuch darstelle, die Häresieanklage zu entkräften (29-41).

Constant J. Mews, Accusations of Heresy and Error in the Twelfth-Century Schools: The Witness of Gerhoh of Reichersberg and Otto of Freising, zeigt anhand der Schriften der im Titel genannten Autoren die Komplexität des Häresiebegriffs im Kampf gegen die theologischen Lehren des Petrus Abaelard und Gilbert von Poitiers auf (43-57).

Takashi Shogimen, William of Ockham and Conception of Heresy, c. 1250-c. 1350, bewertet im Kontext des scholastischen Diskurses über Häresie den Beitrag Ockhams mit einer neuen Definition des Aspektes der Hartnäckigkeit als besonders und einzigartig (59-70).

Cary J. Nederman, A Heretic Hiding in Plain Sight: The Secret History of Marsiglio of Padua's Defensor Pacis in the Thought of Nicole Oresme, arbeitet die Rezeption der Argumente und gedanklichen Anleihen heraus, die Oresme in seinem Kommentar der Aristotelischen Politik bei Marsilius nimmt und stellt fest, dass Oresme seine Quelle meist ganz offen nennt und nur bei den als häretisch verurteilten Sätzen verschweigt (71-88).

Thomas A. Fudge, Seduced by the Theologians: Aeneas Sylvius and the Hussite Heretics, beurteilt die antihussitischen Schriften Piccolominis, und insbesondere dessen Historia bohemica, weniger als propagandistische und faktisch unzuverlässige Auseinandersetzung mit den hussitischen Lehren, sondern vielmehr als einen grundlegenden, argumentativ bis ins 18. Jahrhundert gültigen Versuch, diese zu widerlegen (89-101).

Craig D'Alton, Heresy Hunting and Clerical Reform: William Warham, John Colet, and the Lollards of Kent, 1511-1512, befasst sich mit den Bestrebungen der im Titel genannten Humanisten in Canterbury zu Beginn des 16. Jahrhunderts, die den Kampf gegen die Lollarden mit der Reform des Klerus als pastorale Pflicht miteinander verbanden, womit sie sich jedoch nicht als Vorläufer der Reformation gezeigt, sondern sich in die mittelalterliche Tradition des vierten Laterankonzils gestellt hätten (103-114).

In der Frühen Neuzeit, als die Legitimierung staatlicher und herrscherlicher Interessen zum zentralen Anliegen der Autoren wurde, wurde das Phänomen Häresie zunehmend historisiert. Conal Condren, Curtailing the Office of the Priest: Two Seventeenth-Century Views of the Causes and Functions of Heresy, fokussiert die in England im 17. Jahrhundert geführte Debatte über Ursachen und Funktionen von Häresie am Beispiel der Schriften des Philosophen Thomas Hobbes und des Theologen John Sharp (115-127).

Thomas Ahnert, Historicizing Heresy in the Early German Enlightenment: 'Orthodox' and 'Enthusiast' Variants, lenkt den Blick nach Deutschland im 18. Jahrhundert und diskutiert die unterschiedlichen Ansätze und Begründungen des Häresiebegriffs des Kirchenhistorikers Gottfried Arnold, des Philosophen Christian Thomasius sowie der Theologen Joachim Lange und Samuel Pufendorf (129-142).

John C. Laursen, What is Impartiality? Arnold on Spinoza, Mosheim on Servetus, untersucht den Bedeutungsgehalt von "Unparteilichkeit" in den "unparteiischen Ketzergeschichten" Gottfried Arnolds (1688) und Johann Lorenz Mosheims (1748) an den Beispielen der "Häresievorwürfe" gegenüber dem jüdischen Philosophen Spinoza und dem spanischen Arzt und Gelehrten Michael Servetus, der wegen seiner antitrinitarischen Thesen von Katholiken und Protestanten gleichermaßen als Ketzer verurteilt und 1553 auf den Scheiterhaufen hingerichtet wurde (143-154).

Ian Hunter, Thomasius on the Toleration of Heresy, diskutiert im Kontext des Diskurses der Aufklärung die thomasische Argumentation für die Toleranz von Häresie und kommt zu dem Schluss, dass es Thomasius in erster Linie darum gegangen sei, Gemeinschaften, die sich im Besitz der Wahrheit glaubten, von der Verfolgung Andersgläubiger abzuhalten (155-167).

Gisela Schlüter, Exporting Heresiology: Translations and Revisions of Pluquet's Dictionnaire des heresies, untersucht die italienische und deutsche Übersetzung sowie die überarbeiteten französischen Auflagen des genannten, erstmals 1762-1764 publizierten französischen Werkes und verweist auf die unterschiedliche, eng mit den nationalpolitischen Problemen verflochtene Rezeption (169-179).

Sandra Pott, Radical Heretics, Martyrs, or Witnesses of Truth? The Albigenses in Ecclesiastical History and Literature (1550-1850), überblickt die Bandbreite der Bewertungen von Häresie am Beispiel der Katharer als den für Glauben und Gesellschaft bedrohlichsten Häretikern des Mittelalters und erfasst den Wandlungsprozess zum literarischen Topos (181-194). Ein Namens-, Orts- und Werkregister erschließt den Band, der einen wichtigen Beitrag leistet zur Vielfalt der Konzepte und Konstruktionen von Häresie als "one of the key categories of European theological, juristic and political thought" im Wandel der Zeiten.

Amalie Fößel