Katherine A. McIver: Women, Art, and Architecture in Northern Italy, 1520-1580. Negotiating Power (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2006, xiii + 282 S., 4 colour, 18 b&w ill., ISBN 978-0-7546-5411-7, GBP 50,00
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In den letzten Jahren mehren sich die Untersuchungen zur Teilhabe von Frauen an Prozessen frühneuzeitlicher Kunstpatronage. Immer deutlicher wird, dass Mäzeninnen nicht die Rolle von exzentrischen Außenseiterinnen innehatten - so das lange für Isabella d'Este gepflegte Image - , sondern die Beschäftigung mit den Künsten selbstverständlich zum Alltag hochrangiger Damen gehörte. Es ist nun vielmehr interessant, mehr über ihre Vorlieben und Abneigungen sowie über die Grenzen ihrer Spielräume zu erfahren.
Für die Bereicherung eines solchen Überblicks sorgen Studien, wie sie Katherine McIver vorgelegt hat. Durch Erhebung und sorgfältige Auswertung von archivalischem Material zeichnet ihre Untersuchung ein Bild der Patronage emilianischer Aristokratinnen des 16. Jahrhunderts. Deren Verwandtschaftsbeziehungen weben ein dichtes Netz über das von den Farnese unterworfene Territorium, zu welchem kleinere Höfe und städtische Zentren wie Parma und Piacenza gehörten. Wie für stark historisch ausgerichtete Arbeiten üblich, führen auch bei McIver biografische Kapitel in die Arbeit ein. Bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensläufe wird einmal mehr die große Eigenständigkeit von Witwen in der Frühen Neuzeit deutlich, aber auch ihre heftigen Auseinandersetzungen in Erbstreitigkeiten. So erscheint Laura Pallavicina-Sanvitale (1495-1576) als äußerst einflussreiche und willensstarke Frau, die, einer Regentin vergleichbar, den Familienbesitz für ihre Nachkommen zusammenhielt und die Familienpaläste in Parma erneuern ließ. Ippolita Pallavicina-Sanseverino (1498-1563) übernahm als Witwe ebenfalls die Familiengeschäfte und veranlasste den Neubau einer Familienresidenz in Piacenza. Deutlich werden zudem die Möglichkeiten, die sich durch religiöse Berufung boten, sowie die vielfältigen Kontakte zu Künstlern und Intellektuellen. Giacoma Pallavicina-Pallavicini (1509-1575) etwa verkörperte den Typus der Santa viva, der lebenden Heiligen. Als wohlhabende und kinderlose Witwe widmete sie sich ganz dem religiösen Leben nach jesuitischem Vorbild. Sie stiftete ein Haus für Waisen und Laienschwestern, verwaltete ihre Besitztümer, kaufte und verkaufte kostbare Textilien und Kunstgegenstände. Die reiche Erbin Camilla Pallavicina (1515-1561) heiratete hingegen zweimal, pflegte den Kontakt zu Schriftstellern wie Pietro Bembo und wurde überdies von der Republik Venedig als Spionin verbannt. Ihr beeindruckendes Vermögen, zu dem eine Schmuck- und Kunstsammlung gehörte, setzte auch sie wiederholt für karitative Zwecke ein.
McIver betrachtet Kunstpatronage nicht nur als elitären oder vergnüglichen Zeitvertreib, sondern auch als einen bewussten Umgang mit Machtstrukturen: "Negotiating Power" heißt es entsprechend im Untertitel. Dabei misst sie der innerhalb der Frauen- und Geschlechterforschung bisher eher weniger beachteten Architekturpatronage besondere Relevanz zu. Die Errichtung von Palästen oder deren aufwändige Erneuerung sowie die Stiftung von Grabmälern oder sakralen Einrichtungen eröffnete auch Frauen die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit zu positionieren. Besonders ausführlich geht die Autorin auf die Errichtung des bis auf das Portal verschwundenen Palastes von Ippolita Pallavicina-Sanseverina in Piacenza ein, mit dem diese sich als Bauherrin profilierte und ein repräsentatives Zeichen von Vermögen und Einfluss ihrer Familie innerhalb des städtischen Raumes setzte.
Im Gegensatz zu dieser seit jeher männlich konnotierten Sphäre sieht McIver das Innenleben der Paläste als private und den Frauen zugeordnete Domäne, auf die sie mittels Einrichtung und Dekoration Einfluss ausüben konnten. Dies beträfe das Mobiliar genauso wie künstlerisch anspruchsvolle Freskendekorationen, die in der Emilia immer wieder auch im Auftrag von Frauen entstanden seien, wie in Scandiano oder Fontanellato. Dem Privaten werden ebenfalls die Kunstsammlungen und kostbaren Einrichtungsgegenstände zugeordnet, so wie sie aus den zahlreichen Inventaren, Hochzeitsverträgen und Testamenten hervorgehen, die McIver für ihre Untersuchung ausgewertet hat und die in Auszügen im Anhang zu finden sind. Abgerundet wird der Überblick durch ein Kapitel, das den mannigfachen Beziehungen der Aristokratinnen zu kirchlichen Institutionen gewidmet ist. Durch karitatives Engagement und sakrale Kunstpatronage ließen sich neben der Ausübung und Repräsentation individueller Frömmigkeit ebenso für die familienpolitischen Interessen relevante Netzwerke pflegen.
Wie die Autorin mehrfach betont, konzentriert sich ihre fundierte Studie auf ein Territorium, das etwas abseits der bekannten italienischen Kunstzentren liegt. Ihre Ergebnisse ergänzen und bestätigen allerdings einige bereits für andere Gebiete vorgelegte Thesen. Offensichtlich gab es eine überhaupt rege sakrale und profane Kunstpatronage durch Aristokratinnen, sei es zum Vergnügen, sei es um dadurch dynastische Belange voranzutreiben, wozu sich der Bau - oder bei Frauen häufiger - die Erneuerung von Residenzen besonders eignete. Wenn Bauherrinnen auf den Plan treten, lassen sich jedoch vordergründig keine geschlechtsspezifischen Unterschiede feststellen, weder in der Kommunikation mit Architekten und Bauleitern, noch am ausgeführten Bau oder an seiner Indienstnahme zur Repräsentation der Dynastie. Machtpolitische Interessen hatten scheinbar stets Vorrang gegenüber gesellschaftlichen Konventionen. Weniger wissen wir bisher über die so genannte "joint patronage" von Ehepaaren. Eine solche lässt sich weitaus häufiger nachweisen als bisher angenommen, und sie lädt grundsätzlich zu einer stärker entindividualisierten Vorstellung von Kunstpatronage ein. Besser sind wir bereits über religiöse Patronage unterrichtet, vor allem seit dem erstarkten Interesse an der Katholizismusforschung. Dies hat sich in verschiedenen Einzelstudien geäußert, von denen McIver zum Vergleich fast ausschließlich die englischsprachigen Untersuchungen über die Aktivitäten römischer Aristokratinnen heranzieht, womit wir bei den kritischen Anmerkungen angelangt sind. Diese betreffen den selektiven Überblick zur Forschungsliteratur sowie die etwas undifferenzierte Darstellung der Gesellschaftsordnungen. Die äußerst heterogene Struktur Italiens implizierte unterschiedliche Rechtssysteme, die auf die Biografien von Frauen eklatanten Einfluss hatten. Überdies fällt der unbedarfte Umgang mit den Kategorien "privat" und "öffentlich" auf. Die von McIver verwendeten Zuschreibungen entstammen dem 19. Jahrhundert und lassen sich so für die Vormoderne nicht in Anwendung bringen. Die gewonnen Ergebnisse bestätigen, dass Aristokratinnen innerhalb einer feudalen Ordnung sich über normierte Geschlechtermodelle hinwegsetzen konnten. Ihnen aber die Herrschaft über das Innenleben der Palazzi zuzusprechen, überzeugt nur im Fall der Witwenschaft.
Die beachtliche Fülle des Materials wurde von Katherine McIver zu einer kenntnisreichen Untersuchung des emilianischen Raumes synthetisiert. Die angeführte Kritik schmälert diese Leistung keineswegs, trägt die Studie doch dazu bei, das Bild der Kunstpatronage der italienischen Renaissance zu vervollständigen und den Blick für das geschlechterübergreifende Funktionieren von sozialen Figurationen zu schärfen.
Ilaria Hoppe